Der Ausstieg der Union aus den Verhandlungen zur Düngegesetznovelle und Stoffstrombilanzverordnung hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vergangenen Woche anscheinend kalt erwischt. Seine Reaktion war scharf. Nun kritisieren auch andere Akteure wie Prof. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die CDU deutlich für den Abbruch der Gespräche.
Selbst eine Woche später haben sich die Gemüter noch nicht ganz beruhigt, wie ein Brief Özdemirs an den federführenden Landwirtschaftsminister Peter Hauk (Baden-Württemberg) zeigt. Gleichwohl lässt Özdemir die Tür für eine Einigung über die Zukunft im Düngerecht offen.
Özdemir: "Politisch-taktische Erwägungen der Unions-Länder"
In seinem Schreiben wirft Özdemir seinem Landsmann und Amtskollegen aus Baden-Württemberg, Peter Hauk (CDU) vor, im Streit um die Düngenovelle politisch-taktische Erwägungen über die Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe zu stellen. Özdemir appelliert an Hauk und die Unions-geführten B-Länder, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Özdemir bezichtigt Hauk, er habe im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Vorbereitung eines Vermittlungsverfahrens falsche Behauptungen aufgestellt.
Özdemir reagiert damit auf ein Schreiben Hauks, in dem dieser Özdemir seine Entscheidung mitgeteilt hat, die Gespräche zur Kompromissfindung im Düngerecht nicht fortzuführen. Zuvor hatte der CDU-Politiker ebenso wie eine Reihe weiterer Landesagrarminister dem Bund vorgeworfen, er sei entgegen seiner früheren Zusage nicht bereit gewesen, die Stoffstrombilanzverordnung außer Kraft zu setzen.
Stoffstrombilanz bleibt nach Scheitern der Verhandlungen bestehen
Özdemir weist das zurück. Die Mitglieder der informellen Arbeitsgruppe hätten sich am 9. Januar 2025 darauf verständigt, die geltende Stoffstrombilanzverordnung schnellstmöglich aufzuheben, heißt es in dem Schreiben des Bundesministers, das Agra Europe vorliegt.
Demnach hätte die Aufhebung im Rahmen einer Einigung des Vermittlungsausschusses in der Bundesratssitzung am 14. Februar 2025 erfolgen sollen. Dadurch wären Özdemir zufolge unmittelbar alle Aufzeichnungs- und Bilanzierungspflichten nach der Stoffstrombilanzverordnung entfallen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen blieben die Aufzeichnungspflichten nunmehr jedoch mindestens für das Wirtschaftsjahr 2025 erhalten.
Taube: "Bürokratieabbau geht anders"
Der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube geht seinerseits hart mit der CDU ins Gericht. Er sagt: „Es geht der CDU nicht um Bürokratieabbau, sondern um das Verhindern des Sichtbarwerdens der wahren N- und P-Überschüsse auf den Intensivbetrieben der Tierhaltung. Allein das ist der Grund für die Verweigerung.“
Laut Taube, der sich dabei auf Untersuchungen des Thünen-Instituts stützt, liegt der Zeitaufwand für die Stoffstrombilanzierung bei drei bis fünf Stunden im Jahr. Nach Überzeugung des Kieler Agrarökonomen ginge echter Bürokratieabbau anders: „Brüssel vom Nutzen der Stoffstrombilanzverordnung überzeugen, um zeitnah das wirkliche Bürokratiemonster Düngeverordnung zu beenden.“ Diese Strategie sei mehrfach seitens der Wissenschaft für die Landwirtschaft hinterlegt worden und werde ständig vom Deutschen Bauernverband, vom Landvolk und von der CDU aus obigen Gründen negiert.
Taube: "Verweigerungshaltung schadet guten Betrieben"
"Diese Verweigerungshaltung schadet den guten landwirtschaftlichen Betrieben, wie wir jüngst wieder im Rahmen des 'Schlei-Projekts' zur Reduktion von Nährstoffeinträgen in Drainagen, Vorfluter und Ostsee zeigen konnten", sagt Taube. Dort wurde für 30 Betriebe über 2 Jahre eine Stoffstrombilanz erstellt mit dem Ergebnis, dass die Hälfte dieser Betriebe top-Bilanzsalden aufwiesen, für die sie z.B. im Rahmen der Gemeinwohlprämie für besonders gutes Wirtschaften finanziell belohnt werden könnten, verdeutlicht Taube. Ein weiteres Viertel der mit der Stoffstrombilanz untersuchten Betriebe war ihm zufolge nicht überragend.
Aber anstatt die guten Betriebe zu belohnen und die weniger guten mit den von der Wissenschaft vorgelegten ambitionierten Grenzwerten einer Stoffstrombilanz zu besserem Wirtschaften zu bewegen, schone man lieber die - in dem Fall 25 % - schlechten Betriebe im Düngemanagement und bestrafe die top-Betriebe, stellt Taube fest.
Welchen Nutzen hat die Monitoringverordnung?
In seinem Antwortschreiben bestätigt Özdemir, dass es laut Einigungsvorschlag für den Vermittlungsausschuss eine Verordnungsermächtigung zum Erlass einer Nährstoffbilanzverordnung im Düngegesetz geben sollte. Ein vollständiger Verzicht auf eine Verordnungsermächtigung sei nicht im Sinne der Landwirtinnen und Landwirte, bekräftigt der Minister.
Ziel der Bundesregierung sei es, in den Roten Gebieten einzelbetriebliche Ausnahmen von den Vorgaben der Düngeverordnung zu ermöglichen. Die vorgesehene Monitoringverordnung werde aufgrund ihres mangelnden Bezugs zur Betriebsebene keine Rückschlüsse auf die einzelbetriebliche Düngepraxis ermöglichen. Die Monitoringverordnung könne somit gegenüber der EU-Kommission nicht als alleiniger Beleg dafür dienen, dass für einen spezifischen Betrieb eine Ausnahme von den Vorgaben der Düngeverordnung sachgerecht wäre.
„Die Beibehaltung der Verordnungsermächtigung dient also dazu, erwartbaren Forderungen der EU-Kommission begegnen zu können und grundsätzlich die Monitoringergebnisse mit der einzelbetrieblichen Ebene verknüpfen zu können“, stellt Özdemir klar. Entgegen der anderslautenden Darstellung entstünden bis zum tatsächlichen Erlass einer Nährstoffbilanzverordnung keine bürokratische Belastungen.
Bundestag beteiligen
Der Lösungsvorschlag sieht vor, dass an der Verordnungsgebung der Bundestag zu beteiligen sei und die Zustimmung des Bundesrats erfolgen müsse. Darüber war eine Kann-Bestimmung vorgesehen: Die Länder sollten entscheiden können, ob sie die Verordnung zur Anwendung bringen oder Einschränkungen bis hin zu einer begründeten Ausnahme von Betrieben in nicht belasteten Gebieten durch Landesverordnung regeln können.
Im Ergebnis des Scheiterns der Verhandlungen bleibe nicht nur die Stoffstrombilanzverordnung zunächst in Kraft, sondern es fehle nach wie vor die Rechtsgrundlage zum Erlass einer Monitoringverordnung, bedauert Özdemir. Zudem werde keine Vorsorge getroffen, um auf die absehbaren Forderungen der EU-Kommission zu reagieren, eine belastbare Datengrundlage für eine Stärkung des Verursacherprinzips zu schaffen.
Hauk: Bauchlandung im Bundesrat vermeiden
Hauk verteidigt unterdessen im Interview mit top agrar die Entscheidung der Union zum Abbruch der Gespräche zum Düngegesetz. Er zeigt sich optimistisch, dass die Politik zur Jahresmitte mit der Abschaffung der Stoffstrombilanz spürbar vorangekommen ist. „Ob wir gesetzgeberisch schon durch sind, ist die Frage. Aber das wird eine der ersten Maßnahmen sein“, so der Minister. Er verspricht unmittelbar nach der Bundestagswahl die Einsetzung einer parteienübergreifenden Arbeitsgruppe, die auch die Monitoringverordnung antreibt. „Wir werden dem Bund Vorschläge liefern, mit denen er keine Bauchlandung im Bundesrat erlebt“, sagte Hauk.