Die bei Landwirten unbeliebte Stoffstrombilanz aus dem Düngerecht könnte noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar aufgehoben werden. Darauf deuten Gespräche zwischen Bund und Ländern hin.
Vereinfachungen für Betriebe in den Roten Gebieten
Nach Information des Wochenblatts hat kurz vor Weihnachten ein Sondierungsgespräch mit Mitgliedern des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat stattgefunden. Dabei soll es um eine mögliche Einigung für das Düngegesetz noch vor der Bundestagswahl gegangen sein. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat dort offenbar signalisiert, die Stoffstrombilanzverordnung auszusetzen, gleichzeitig aber eine neue Nährstoffbilanzverordnung zu schaffen. Darin sollen mögliche Vereinfachungen für Betriebe in den Roten Gebieten geregelt werden, die nachweislich gewässerschonend wirtschaften. Die Gespräche sollen den Informationen zu Folge nun im Januar weiterlaufen.
SPD will auf die Stoffstrombilanz in Gänze verzichten
Entscheidend für den nun wieder aufgenommenen Druck auf die Änderung im Düngerecht ist das SPD-geführte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Im Bundestag will der Sprecher für Landwirtschaft aus der SPD-Fraktion, Dirk Wiese aus dem Sauerland, die Initiative voran bringen. „Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat sollten den Vorschlägen meines Parteikollegen Till Backhaus, Landwirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommern, folgen und auf die Stoffstrombilanz in Gänze verzichten“, sagte Wiese gegenüber dem Wochenblatt. So wäre es möglich, beim Düngegesetz doch noch zu einer pragmatischen Regelung zu kommen. „Dafür sollten wir die Gespräche im Januar nutzen“, sagte Wiese.
Ampel-Aus verzögert Lösung
Zu der vertrackten Situation im Düngerecht ist es gekommen, weil der Bundesrat einer Novelle des Düngegesetzes aus dem Bundestag vor der Sommerpause 2024 nicht zugestimmt hatte. Anfang Oktober hatte die Bundesregierung dann zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss angerufen, der nach dem Ampel-Aus nicht mehr zu dem Fall getagt hat. Parallel gab es teils widersprüchliche Signale: Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte auf der Agrarministerkonferenz im September angekündigt, die Stoffstrombilanz aufzuheben und auch die Weiterentwicklung zur Nährstoffbilanz auszusetzen. Dazu ist es aber bisher nicht gekommen und das Bundeslandwirtschaftsministerium hat zuletzt auch an der Nährstoffbilanzierung wieder festgehalten.
Union müsste mitstimmen
Zustimmung für den SPD-Vorstoß gibt es aus der Union. "Für unsere Landwirte ist entscheidend, dass endlich ein praxistaugliches Düngegesetz auf den Weg gebracht und auf nationale Alleingänge verzichtet wird. Eine Stoffstrombilanz gehört ausdrücklich nicht zu den Forderungen der EU-Kommission. Die Stoffstrombilanz muss daher ersatzlos gestrichen werden“, sagte Albert Stegemann, agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gegenüber dem Wochenblatt. Mit Blick auf die anstehenden Gespräche sagt er zu, dass „wenn die rot-grüne Minderheitsregierung dann entsprechende Vorlagen präsentieren sollte, werden wir uns diese im Detail anschauen."
WLV hofft, bleibt aber skeptisch
Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) begrüßt die neue Bewegung, die die Stoffstrombilanz doch noch kippen könnte. Die Stoffstrombilanz sei ein Bürokratiemonster ohne Informationsgewinn oder Nutzen für die Umwelt und auch nicht europarechtlich gefordert. Das Beibehalten oder Ausweiten der Stoffstrombilanz unter neuem Namen würde zudem die Verursachergerechtigkeit über Ausnahmen von den strengen Auflagen für gewässerschonende Betriebe weiter verzögern, heißt es beim WLV. Der Verband fordert ein schlankeres und einfacheres Verfahren in Verantwortung der Düngebehörden.
Dass es allerdings tatsächlich noch zu einer Einigung auf ein neues Düngegesetz vor der Bundestagswahl kommt, hält der WLV allerdings eher unwahrscheinlich, wenngleich der Verband eine rasche Änderung befürwortet. Wichtiger sei, dass ein neues Düngegesetz substanziell Bürokratie abbaue und Verursachergerechtigkeit liefere. Bis zur Streichung der Stoffstrombilanz fordert der WLV die Länder auf, beim Vollzug der geltenden Verpflichtung Augenmaß zu wahren.