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Politik trifft Praxis

Pflanzenschutz und Züchtung: Ackerbauern streiten mit Politikern in Brüssel

Immer weniger Pflanzenschutzmittel und Endlosstreit um neue Züchtungsmethoden: Die EU frustriert viele Landwirte. Bei "Politik trifft Praxis" in Brüssel trafen Landwirte und Politiker nun aufeinander.

Lesezeit: 6 Minuten

Zwischen europäischen Ackerbauern und der EU wächst die Spannung. Besonders umstritten sind die strikten Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel. Gleichzeitig bremsen EU-Vorbehalte gegenüber neuen Züchtungsmethoden wie CRISPR-Cas wichtige Innovationen aus. Wie stark die Wirklichkeit auf den Höfen mit den Vorstellungen der Politiker kollidiert, wurde bei Politik trifft Praxis, einer top agrar-Veranstaltung mit Unterstützung der BASF, am Mittwochabend in Brüssel deutlich.

Unser Gäste waren:

Norbert Lins MdEP, CDU, stellv. Vorsitzender des Agrarausschusses im Europaparlament

Jan-Christoph Oetjen MdEP, FDP, Agrarpolitischer Sprecher der ­FDP-Gruppe im Europaparlament

Thomas Waitz MdEP, Die Grünen (Österreich), agrarpol. Sprecher der EU-Grünen und Mitglied im Agrarausschuss im Europaparlament

Christine Singer MdEP, Freie Wähler, Mitglied im Agrarausschuss im Europaparlament

Absagen musste Maria Noichl MdEP, SPD, Mitglied im Agrarausschuss im Europaparlament 

Video Politik trifft Praxis in Brüssel

Im ersten Teil unseres Nachberichtes ging es um die Themen: Agrarbudget und GAP-Reform. Den Beitrag finden Sie hier:

Lesen Sie im zweiten Teil:

Züchtung: Hürden für neue Techniken sollen gesenkt werden

Die Europäische Union (EU) steht womöglich vor einer für Ackerbauern bedeutenden Entscheidung in Bezug auf die Regulierung neuer genetischer Techniken (NGTs) in der Pflanzenzüchtung. Darunter fällt auch CRISPR-Cas.

Konkret: Zukünftig sollen Züchtungen in zwei Kategorien unterteilt werden. Die erste Kategorie umfasst NGT-Pflanzen, die auch mit herkömmlichen Methoden (wie Auslese) hätten gezüchtet werden können. Für diese sollen weniger strenge Vorschriften gelten. Sie müssen nicht extra gekennzeichnet werden, lediglich das Saatgut.

In die zweite Kategorie fallen alle übrigen NGT-Pflanzen. Sie unterliegen strengen Vorschriften. Unter anderem müssen sie eine Risikobewertung durchlaufen und eine Zulassung erhalten, bevor sie verkauft werden dürfen. Zudem müssen alle aus ihnen erzeugten Pflanzen gekennzeichnet werden. Ökolandwirten will die EU zudem verbieten, Pflanzen aus der zweiten Kategorie zu verwenden.

Sorge vor Patenten

Thomas Waitz (Die Grünen) stand den neuen Methoden skeptisch gegenüber. Man könne auch mit klassischer Züchtung gute Ergebnisse erzielen. Dafür müsse das Wissen über das Genom und die Gensequenzierung besser genutzt werden. Allerdings könne man mit klassischer Zucht offensichtlich nicht so viele Patente generieren und Geld verdienen. Von den neuen Methoden würden seiner Ansicht nach nur wenige große Züchter bzw. Konzerne profitieren, weil diese sich die Rechte an den Pflanzen patentieren lassen könnten. Die Landwirte hätten dann das Nachsehen. Bereits heute dominierten vier Unternehmen 50 % des Saatgutmarktes.

„Die neuen Methoden sind dringend notwendig“, sagte hingegen Norbert Lins (CDU/EVP). Als Beispiel nannte er CRISPR-Cas. Diese Methode könne eine „Revolution“ darstellen. Waitz rief er zu: „Ihr führt die Kämpfe der Vergangenheit!“ Dafür erntete er spontanen Beifall. Die Gesellschaft stehe der Gentechnik heute ohnehin viel offener gegenüber als noch vor einigen Jahrzehnten.

Sind wir zu ängstlich?

Diese Ansicht teilte auch Wilhelm Bommers, ein Landwirt aus der Region Brüssel in Belgien (u. a. Kartoffel- und Saatzuchtvermehrung): „In der Humanmedizin steht man CRISPR-Cas viel offener gegenüber“, sagte er.

Jan-Christoph Oetjen (FDP) betonte, dass die neuen Methoden nicht mit der klassischen Gentechnik vergleichbar seien. „Wir sollten uns im Umgang mit den neuen Techniken entspannen“, fügte er hinzu.

Christine Singer (Freie Wähler) hob hervor, dass es in der EU viele gute Forscher gebe. Doch deren Ergebnisse kämen selten in der EU zur Anwendung, sondern in anderen Teilen der Welt. „Wir sollten daher jetzt die Gelegenheit nutzen und mutig nach vorne gehen“, sagte sie. Dabei müsse jedoch die Frage der Patentierung kritisch begleitet werden. „Das Recht, Pflanzen nutzen zu dürfen, muss beim Bauern bleiben“, forderte sie.

Pflanzenschutz: Verbote sollen komplizierter werden

Es war Frederik Kobbe, Landwirt aus der Region Hannover (160 ha, u. a. Kartoffeln, Zwiebeln, Beregnung), der eindringlich schilderte, wie sehr die Landwirtschaft auf Pflanzenschutzmittel angewiesen ist. Er nannte als Beispiel die Kraut- und Knollenfäule. Der Erreger mutiere sehr schnell. „Wir brauchen daher eine breite Palette an Wirkstoffen.“ Doch diese werde immer kleiner. In Dänemark beispielsweise seien die Preise vor einigen Jahren so hoch gewesen, dass die Landwirte größtenteils auf ein Mittel zurückgreifen mussten. Innerhalb von zwei Jahren sei der Erreger gegen diesen Wirkstoff resistent geworden.

"Die Hütte brennt"

Auch Ackerbauer Arndt-Kristian Lauenstein aus Hildesheim sah mit Sorge, dass die EU zunehmend Wirkstoffe verbiete und gleichzeitig durch strenge Zulassungsverfahren kaum neue Produkte nachkommen würden. „Dabei brauchen wir dringend neue Mittel, sonst ist der Getreideanbau in Europa wegen des zunehmenden Flugbrandes irgendwann nicht mehr möglich“, so der Junglandwirt. „Die Hütte brennt“, rief er den Politikern zu.

Norbert Lins (CDU/EVP) verwies auf die Pläne des neuen EU-Kommissars Christophe Hansen. Dieser habe vorgeschlagen, künftig weitere Einschränkungen beim Pflanzenschutz sorgfältig zu prüfen – vor allem, wenn nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums Alternativen zur Verfügung stehen, will er von Wirkstoffverboten absehen. „Diese Vorschläge gehen in die richtige Richtung“, so Lins.

Hansen möchte zudem den Genehmigungsprozess für Pflanzenschutzmittel beschleunigen. Dieser dauere derzeit bis zu zehn Jahre. Alternativen wie biologische Schädlingsbekämpfung sollen nach dem Willen des neuen Kommissars ebenfalls stärker in den Mittelpunkt rücken. Lins äußerte jedoch Zweifel, ob die beschleunigte Zulassung biologischer Pflanzenschutzmittel den Verlust chemisch-synthetischer Produkte vollständig kompensieren könne.

"Wir sind in einer Abwehrschlacht"

Jan-Christoph Oetjen (FDP) verglich den Umgang der EU mit den Pflanzenschutzmitteln mit einer Abwehrschlacht. Man müsse für jedes Mittel werben und Verbote abwehren. Das müsse ein Ende haben. Zum Glück sei der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Pflanzenschutzmittelverordnung (SUR) im letzten Mandat gescheitert. Die Abstimmung wurde auf Oktober 2025 vertagt. Die SUR sieht eine deutliche Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes vor, konkret: um 50 % bis 2030.

Christine Singer (Freie Wähler) schloss sich Lins und Oetjen an. „Man kann doch nicht einfach PSM verbieten, ohne eine Alternative. Es geht um unsere Ernährung“, sagte sie. Man müsse endlich pragmatischer werden.

Für Thomas Waitz von den Grünen jedoch stand außer Frage, dass der Pestizidverbrauch verringert werden müsse – mit Blick auf die Gesundheit der Landwirte, die Umwelt und die Abhängigkeit von Großkonzernen.

Ob eine SUR 2.0 oder wie auch immer man es nennen wolle, man müsse vorankommen. Neben dem Bioanbau sei der integrierte Pflanzenschutz, der zuallerletzt auf chemisch-synthetische Mittel zurückgreift, ein gangbarer Weg. Noch stärker müsse der Fokus auf bewährte und innovative agrarökologische Praktiken wie biologische Mittel und Nützlinge gelegt werden. Das sei zwar keine Antwort auf alle Probleme, aber man mache es sich zu einfach, wenn man immer nur mehr „nach Mitteln“ schreie.

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