Am Freitagabend hatte die Sendung „Phoenix – Der Tag“ top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann zum Thema „Maul- und Klauenseuche“ zugeschaltet. Hier das vollständige Interview.
Anja Charlet: Die Maul- und Klauenseuche, was hat die denn speziell jetzt für Auswirkungen für die Landwirtschaft? Können Sie uns da was schildern, wie es den Bauern geht?
Schulze Steinmann: So eine Maul- und Klauenseuche ist nicht nur für die Tiere, sondern auch für die Tierhalter furchtbar. Und gerade die Betriebe im Sperrbezirk haben gerade eine Menge Probleme. Das ist ein großer psychologischer Druck und auch die wirtschaftlichen Schäden sind immens.
Ich glaube, da dürfen wir auch in Gedanken bei den Menschen sein. Da machen viele gerade einen guten Job, vom Tierarzt bis zu den Verbänden, die versuchen mit der Situation umzugehen. Und aus meiner Sicht sind, glaube ich, zwei Botschaften an der Stelle noch einmal wichtig: Zum einen, die Maul- und Klauenseuche ist nicht gefährlich für die Menschen. Das heißt, die Milchprodukte und die Produkte sind unbedenklich.
Die zweite Botschaft ist, wir müssen jetzt irgendwie die Märkte offen halten, denn Sie können sich vorstellen, ein Landwirt, der Milch produziert, der kann die Milch nicht lange irgendwo lagern, sondern die muss verarbeitet werden. Das heißt, wir sind alle aufgefordert, die Märkte freizuhalten und wir sind aufgefordert, die weitere Ausbreitung zu stoppen, indem wir die Biosicherheit hochhalten.
Ein Jahr nach Bauernprotesten kaum etwas besser
Charlet: Wir können uns ja alle noch an die zahlreichen Bauernproteste überall im Land vor einem Jahr erinnern. Wie ist denn die Situation der Bauern jetzt? Hat sich da was geändert?
Schulze Steinmann: Ja, die Ursachen für die Bauernproteste waren ja weit mehr als der Agrardiesel. Der hat die Landwirte geeint und auf die Straße getrieben. Aber die Ursachen dahinter sind noch viele andere.
Da ist die große Bürokratie, die viele Betriebe lähmt. Und da sind vor allen Dingen die Perspektiven, die an vielen Stellen fehlen, die den Landwirten auch die Freiheit nehmen, ihre Betriebe weiterzuentwickeln. Und da sind wir aufgefordert, endlich diese Themen anzugehen. Leider ist seit dem vergangenen Jahr relativ wenig passiert, trotz aller Ankündigungen. Wir dürfen alle hoffen, dass wir endlich mal in die Puschen kommen, wie wir bei uns in Westfalen sagen.
Landwirte geben Kostensteigerungen weiter
Charlet: Bei der Maul- und Klauenseuche ist jetzt ein Nebeneffekt. Dadurch, dass sie nicht mehr so viel exportieren dürfen, ist mehr Angebot im Inland. Da hieß es heute, die Preise könnten dadurch eventuell sinken. Es ist ja so, dass die Preise für Lebensmittel, egal was ich nehme, ob das Butter ist, Milch, Eier, es ist alles sehr viel teurer geworden. Was oder wie viel kommt denn da überhaupt bei den Landwirten an?
Schulze Steinmann: Das ist ein guter Punkt. Erst mal muss man sagen, die Landwirte geben vor allem die gestiegenen Kosten auch weiter. Denken Sie an die enormen Energiekosten, die gestiegen sind, die Baukosten sind gestiegen. Das heißt, ein Milchviehhalter hat heute höhere Preise. Da sagt man so ein bisschen, 50 ist das neue 30, auch beim Milchpreis. Aber diese Preise muss er weitergeben.
Da kann man schon mal fragen, wo dieses Geld am Ende hängen bleibt. Bei den Landwirten ist es nicht der Fall. Es ist schlimm, wenn wir in diesem Land Menschen haben, denen es schwerfällt, Geld für Nahrungsmittel auszugeben. Aber das ist keine Frage der Agrarpolitik, sondern wir müssen an anderer Stelle Lösungen finden.
Wenn wir ehrlich sind, wenn wir alle mehr Tierwohl wollen, wenn wir Klimaschutz wollen und wenn wir zu Recht uns die Biodiversität anschauen und stärken wollen, dann ist ein Ergebnis davon, dass Preise steigen können. Wir dürfen nicht vergessen, wir leben immer noch im Land mit den teuersten Küchen und den billigsten Lebensmitteln. Und da rate ich ein Stück weit auch zu Gelassenheit.
Mehr Regionale Ware? Da sind wir alle gefordert
Charlet: Aber was sich viele auch fragen, warum kommt denn bei uns so viel aus dem Ausland? Warum setzen wir denn nicht mehr auf Regionalität? Wenn ich zum Beispiel in Sachsen wohne, wieso kriege ich da irgendwie Fleisch aus Holland oder irgendwo anders her? Warum sagt man nicht einfach, wir geben den Bauern vor Ort in der Region eine Chance? Das wäre ja auch sehr viel nachhaltiger.
Schulze Steinmann: Das ist eine gute Frage. Ich kann auch jedem raten, wenn er die Möglichkeit hat, vor Ort beim Landwirt einzukaufen, regionale Produkte zu wählen, dann lassen Sie uns das tun. Ich kaufe selbst mit meiner Familie entsprechend ein, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Gleichzeitig möchte ich jetzt aber auch kein Plädoyer gegen eine vernetzte Wirtschaft und globale Märkte halten.
Ich glaube, es ist gut, wenn wir zusammenarbeiten und uns da die Bälle zuspielen. Wir müssen aber auch mal konstatieren, warum gehen die Selbstversorgungsgrade in Deutschland bei vielen Produkten zurück? Warum haben wir beispielsweise bei Gemüse und bei Obst so niedrige Selbstversorgungsraten? Warum importieren wir so viel aus dem Ausland? Ehrlich gesagt, das machen wir, weil wir uns auch selbst das Leben so schwer machen.
Wir verbieten bewährte Wirkstoffe im Ackerbau, im Pflanzenbau und nehmen den Betrieben die Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Ich würde mir wünschen, dass wir eine starke heimische Landwirtschaft haben und dass wir die Erzeuger stärken, auch in der Region, hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Und da kann ich nur jedem raten, gehen Sie mal über die Grüne Woche. Sie werden begeistert sein, was die deutschen Landwirte da auch dieses Jahr wieder alles zu bieten haben.
Charlet: Ich bedanke mich bei Matthias Schulze Steinmann nach Berlin.