Als Beleg für die Handlungsdefizite Deutschlands im Agrarumweltbereich wertet Prof. Friedhelm Taube die Brüsseler Kritik am nationalen Strategieplan Deutschlands zur Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
„In nahezu allen Bereichen wie Wasserschutz, Klimaschutz, Biodiversität und Luftreinhaltung erfüllt die deutsche Landwirtschaft die Zielvorgaben der EU mit den vorgelegten Instrumenten nicht überzeugend“, sagte der Direktor des Kieler Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung.
Dass es im Jahr 2022 in Bundesländern mit intensiver Tierhaltung immer noch ganze Landkreise gebe, die im Mittel nachgewiesenermaßen die Vorgaben der Düngegesetzgebung nicht einhalten, ist für den Wissenschaftler ebenso wenig akzeptabel wie die deutlich zu hohen Stickstoffüberschüsse in vielen Ackerbauregionen der vergangenen Jahre. Letztes werde durch den vom Julius Kühn-Institut vorgelegten Abschlussbericht zum Demonstrationsvorhaben „Indikatoren zur Früherkennung von Nitratfrachten im Ackerbau“ vom vorigen Jahr belegt.
Abbau der Tierbestände notwendig
Taube hält eine weitere Reduzierung der Stickstoffüberschüsse und der Intensität der Tierhaltung allein durch das Klimaschutzgesetz geboten. Zudem erfordere der bisher nicht gestoppte Verlust an Biodiversität in Agrarlandschaften ganz andere Landnutzungssysteme. Aktuelle Forderungen zum Aussetzen der Stilllegungsverpflichtung kritisiert der Institutsdirektor vor diesem Hintergrund als „rückwärtsgewandt und kontraproduktiv“. Vielmehr seien Hybridmodelle zwischen ökologischen und konventionellen Intensitäten in der Lage, gleichermaßen hohe Erträge und deutlich mehr Ökosystemleistungen zu erbringen.
Konsequente „Food-first-Strategie“
So zeigt sich laut Taube am Beispiel der Milcherzeugung, dass Low-Input-Weidesysteme im Gemischtbetrieb nicht nur wesentlich geringere Energie- und Futterkosten durch hohe Selbstversorgungsgrade aus Kleegrasprotein und -energie aufweisen, sondern im Vergleich zu spezialisierten Hochleistungsbetrieben auch monetarisierte Umweltkosten in der Größenordnung von bis zu 500 €/ha vermeiden.
„Die Berücksichtigung dieser Umweltkosten der intensiven Produktion führt vielfach zu deutlich niedrigeren optimalen Intensitäten der Produktion“, erläuterte der Pflanzenbauexperte.
Der Agrarwissenschaftler bekräftigte seine Forderung, den Anbau zur direkten menschlichen Ernährung auszuweiten, auf Kosten von Pflanzen zu Futterzwecken und zur Energieerzeugung. Zu den erforderlichen Maßnahmen zählen für Taube eine Überarbeitung der Klassifikationskriterien für Brotweizen, die Abschaffung der Subventionierung des Fleischkonsums in Form des reduzierten Mehrwertsteuersatzes sowie eine konsequente „Food-first-Strategie“ für alle Ackerflächen.