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topplus Interview

Krawczyk: "Die Stoffstrombilanz muss weg und wir müssen die GAP entschlacken"

Der sächsische Bauernpräsident Torsten Krawczyk ist seit Kurzem auch DBV-Vizepräsident. Im top agrar-Interview skizziert er seine Meinung zur Agrarpolitik, zur Lage im Osten und zur Verbandsarbeit.

Lesezeit: 10 Minuten

Torsten Krawczyk ist seit 2019 Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB) und wurde in der vergangenen Woche auf dem Bauerntag in Cottbus mit knapp 97 % der Delegiertenstimmen zum Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV) gewählt. top agrar hat mit ihm über seine agrarpolitischen Ziele, seine Meinung zur Ampel und über seinen Betrieb im sächsischen Westewitz gesprochen.

Wir müssen eine andere Tonart finden

Herr Krawczyk, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes. Sie haben vom Start weg das beste Ergebnis geholt. Wie erklären Sie sich das?

Krawczyk: Ich hatte natürlich auf ein hohes Votum gehofft, bin aber völlig überrascht gewesen, wie groß der Zuspruch am Ende ausfiel. Vielleicht hat das mit meiner Antrittsrede zu tun. Die politischen Botschaften hatte Joachim Rukwied auf dem Bauerntag schon zurecht gesetzt. Die teile ich auch. Mir war aber wichtig, den Delegierten zu zeigen, was ich für ein Mensch bin und für welche Werte ich stehe. Und ich denke, das hat viel zu meinem guten Wahlergebnis beigetragen.

Dafür bin ich dankbar, aber auch demütig. Denn ich glaube, dass bei unseren Mitgliedern der Wunsch besteht, den Verband weiterzuentwickeln. Das kann ich aber nicht allein, dafür müssen wir gemeinsam mit der Basis anpacken.

Welche Themen bringen Sie in die neue Rolle ein?

Krawczyk: Ich bin sehr dafür, dass wir unsere Kernkompetenzen als Landwirte wieder mehr nach vorne rücken. Denn Vater Staat ist meiner Überzeugung nach überfordert von den aktuellen Herausforderungen und – gefühlt – pleite.

Vater Staat ist meiner Überzeugung nach überfordert von den aktuellen Herausforderungen und – gefühlt – pleite.

Für mich heißt das: Wir müssen mehr unternehmerische Freiheit einfordern, auch um uns an die schwierigen neuen Rahmenbedingungen anpassen zu können. Das bedeutet ebenfalls, dass wir nicht jeden gesellschaftlichen Wunsch erfüllen können, ohne dass es eine adäquate Entlohnung dafür gibt.

Ökonomische Nachhaltigkeit gehört zwingend in die Diskussion um die Ausgestaltung der Agrarpolitik hinein. Wenn diese wirtschaftliche Beinfreiheit politisch nicht gewollt ist, dann müssen die Programme hinreichend finanziert werden. Und das sehe ich derzeit nicht. Wir sind einen stark „ökologisierten“ Weg gegangen und jetzt fehlt schlicht das Geld. Deshalb müssen die Prioritäten neu sortiert werden.

Wir sind einen stark „ökologisierten“ Weg gegangen und jetzt fehlt schlicht das Geld. Deshalb müssen die Prioritäten neu sortiert werden.

Gibt es andere Aspekte, die Ihnen in der Verbandsarbeit wichtig sind?

Krawczyk: Wir haben 2002 auf unserem Betrieb schwere Hochwasserschäden davongetragen. Damals konnte ich im besten Sinn erleben, was Solidarität auf Verbandsebene bedeutet. Dieser solidarische Gedanke, dass ein Verband auch für die kleinen Agrarbetriebe da ist, trat nach meinem Empfinden danach zu weit in den Hintergrund.

Wir haben innerverbandlich lange vorrangig auf klare Mehrheiten gesetzt. Das birgt die Gefahr, dass Minderheitenmeinungen auf der Strecke bleiben. Ein Beispiel: Wir diskutieren fast 35 Jahre nach der Wende immer noch über große und kleine Strukturen oder die Gegensätze von Familienbetrieben und juristischen Personen. Ich finde, das müssen wir ablegen, denn alle landwirtschaftlichen Produktionsformen haben ihre Berechtigung. Wir dürfen uns auch nicht von der Politik in diese Debatte hineintreiben lassen, denn so etwas spaltet und schwächt den Berufsstand nur.

 

Sind die Belange der ostdeutschen Agrarbetriebe im Bundesverband ausreichend berücksichtigt oder würden Sie sich an einzelnen Stellen andere Akzente wünschen?

Krawczyk: Nach den Bauernprotesten zu Jahresbeginn und mit dem Agrarpaket der Ampel haben sich neue Probleme gezeigt. Das Maßnahmenpaket bringt für die ostdeutschen Großbetriebe kaum etwas. Ich fürchte, dass sich viele Landwirte im Osten deshalb abgehängter fühlen als zuvor. Dieses Gefühl ist aber nicht allein ein ostdeutsches Phänomen. Ich nehme das auch in Gesprächen mit Kollegen aus dem westdeutschen Bundesländern wahr. Dem müssen wir stärker entgegentreten, nicht zuletzt um die Solidarität im Verband zu erhalten und noch zu vertiefen. Das nehme ich für mich als Aufgabe ins Amt als DBV-Vizepräsident mit.

Wie haben Sie persönlich und politisch den Deutschen Bauerntag 2024 erlebt?

Krawczyk: Für mich ist der Deutsche Bauerntag jedes Mal eine Form von „berufsständischer Ladestation“.

Für mich ist der Deutsche Bauerntag jedes Mal eine Form von „berufsständischer Ladestation“.

Man fährt dorthin, hört politische Statements, kraftvolle Reden und hat auch Spaß. Der Bauerntag erinnert mich selbst immer daran, weshalb ich im Ehrenamt tätig bin und warum ich für den Verband kämpfe. Es geht auch ein stückweit darum, sich als Berufsstand einfach mal selbst zu feiern. In diesem Sinn haben wir gerade in diesem Jahr in Cottbus unheimlich viel Energie tanken können.

 

Sagen die Bauern in ausreichendem Maße, was sie wollen? Oder liegt der Fokus zu stark auf dem, was sie nicht wollen?

Krawczyk: Spannende Frage. Ausgerechnet als Sachse sage ich, wir müssen eine andere Tonart finden und als Berufsstand vielleicht etwas unberechenbarer auftreten. In der agrarpolitischen Debatte wird von allen Seiten ständig Bekanntes wiederholt. Damit sind wir für die Politik verlässlich, aber auch kalkulierbar.

In der agrarpolitischen Debatte wird von allen Seiten ständig Bekanntes wiederholt. Damit sind wir für die Politik verlässlich, aber auch kalkulierbar.

Um aus diesen verkrusteten Diskussionen auszubrechen und echte Veränderungen anzuschieben, müssen wir ein frisches Element hineinbringen. Das hat nichts mit Extremismus zu tun.

Wir haben in der Ampel einen Wettbewerb um das „bessere Weltuntergangsszenario“

Initiativen wie der Zukunftsbauer rücken derzeit etwas aus dem Blickfeld, weil sich vieles um den Agrardiesel und das Agrarpaket kreist. Was halten Sie davon?

Krawczyk: Ich finde es bedauerlich, dass das Thema Zukunftsbauer gerade etwas in den Hintergrund gerät. Denn dabei geht es aus meiner Sicht nicht um irgendein Leitbild. Vielmehr soll der Zukunftsbauer ein echtes Angebot sein, gemeinsam positive gesellschaftliche Perspektiven für die Zukunft zu erarbeiten.

Wir haben doch in der Ampel einen regelrechten Wettbewerb um das „bessere Weltuntergangsszenario“. Dem setzen gerade wir Bauern als konservative Branche ein optimistisches Szenario entgegen. Das geht über die Landwirtschaft hinaus und schließt auch Handwerk und ländlichen Raum mit ein. Deshalb halte ich den Zukunftsbauern für eines unserer wichtigsten Projekte.

Was ist mit dem Vorsatz, als Verband „jünger und weiblicher” zu werden. Ist der Bauernverband hier schon am Ziel?

Krawczyk: Ich glaube, es gibt in diesem Punkt eine regional unterschiedliche Wahrnehmung. Frauen haben in den ostdeutschen Bundesländern wegen der anderen Unternehmensstrukturen seit jeher eine größere Rolle in den Betrieben gespielt. Nicht immer an der Spitze, aber doch wahrnehmbar und unverzichtbar. Im Westen sah das wegen der dominierenden Familienbetriebe und familiären Hintergründe lange anders aus.

Bei der Jugend ist es genau andersherum: Das sind wir im Osten eindeutig schwächer aufgestellt. Ich finde das extrem schade, auch in puncto Berufsnachwuchs. Wenn wir auf diesen beiden Feldern in Ost und West jeweils aufholen könnten, dann hat der Bauernverband schon viel erreicht.

Dann muss man sich nicht wundern, wenn extrem gewählt wird

Bereits im September stehen im Osten drei wichtige Landtagswahlen an. Was erwarten Sie von den Wahlen?

Krawczyk: Ich habe große Bauchschmerzen. Gleichzeitig kann ich nachvollziehen, warum die Bevölkerung so frustriert ist. Deshalb fehlt mir jedes Verständnis, wenn die Ampelkoalitionäre selbst nach dieser für sie desaströsen Europawahl keine Selbstkritik zeigen und einfach so weitermachen. Dann muss man sich nicht wundern, wenn extrem gewählt wird. Das geschieht nach meiner Einschätzung auch nicht aus Überzeugung, sondern aus der Enttäuschung breiter Wählerschichten.

Ich warne deshalb in Berlin auch davor, die ostdeutschen Bürger einfach als „nicht demokratiefähig“ abzustempeln. Im Gegenteil: Es ist zutiefst demokratisch, an die Wahlurne zu gehen und dort seine freie Wahlentscheidung zu treffen. Selbst, wenn es den etablierten Parteien nicht gefällt.

Bereitet Ihnen der Aufstieg der AfD Sorgen? Wie werden Sie sich als Berufsstand positionieren, sollte die AfD in Sachsen gewinnen?

Krawczyk: Ich bleibe da vorerst auf Distanz. Da bin ich ehrlich. Mir fällt gerade schwer, damit umzugehen. Ich setze noch darauf, dass es nach der Wahl eine Mehrheit der demokratischen Mitte gibt. Wenn es Realität werden sollte, dann werde ich mich damit auseinandersetzen.

Können Sie uns ein paar Worte zu Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb sagen? Was zeichnet den landwirtschaftlichen Unternehmer Torsten Krawczyk aus?

Krawczyk: Wir bewirtschaften in Mittelsachsen 350 ha, davon sind 70 ha Grünland. Ansonsten haben wir im Ackerbaubereich eine fünfgliedrige Fruchtfolge. Das Grünland wird mit einer Mutterkuhherde bewirtschaftet. Wir haben noch eine kleine geschlossenen Schweineproduktion. Alle Mutterkühe und alle Schweine die bei uns geboren, gemästet und gezüchtet werden, werden auch bei uns in der eigenen Metzgerei geschlachtet, verarbeitet und direktvermarktet.

Der Wolf gehört extrem reguliert

Bei Sachsen und Mutterkühen denkt man automatisch an Wölfe. Wie funktioniert das bei Ihnen?

Krawczyk: Das ist ein ziemliches Problem. Obwohl wir die meisten Wölfe in Ostsachsen haben, ist es tatsächlich auch bei uns auf dem Betrieb zu Wolfsrissen gekommen. Das trifft einen hart, wenn man ein gerissenes Kalb sieht.

Wie ist die Meinung des Rinderhalters Krawczyk zum Umgang mit dem Wolf?

Krawczyk: Ganz klar: Der Wolf gehört extrem reguliert. Die Obergrenze sollte da liegen, wo es für die Erhaltung eines gesunden Bestands ausreicht.

Ein Forum auf dem Bauerntag drehte sich um das Thema Bürokratieabbau. Sie sagten dort sinngemäß, dass sowohl für Landwirte als auch für Verwaltungen der Kipppunkt gekommen ist. Was sind für Sie besonders absurde Fälle von Auflagen und oder Bürokratie?

Krawczyk: Der Kipppunkt ist definitiv erreicht, wenn Landwirte und Verwaltung beiderseits überfordert sind. Beispiel Gemeinsame Agrarpolitik (GAP): Wir haben die Komplexität gerade in diesem Bereich so weit nach oben getrieben, dass nicht einmal die Programmierer noch hinterherkommen.

Und ein weitere Punkt: Ich bin wirklich ein hochtoleranter Mensch und ich schätze jeden nach seiner Fasson.

Ich kann nicht verstehen, dass ich 20 Minuten darauf vergeuden muss, mein Geschlecht in den Antrag zur Agrarförderung einzugeben.

Aber ich kann nicht verstehen, dass ich 20 Minuten darauf vergeuden muss, mein Geschlecht in den Antrag zur Agrarförderung einzugeben und da unter vier oder fünf Geschlechtern wählen darf. Ich habe in den letzten 20 Jahren noch nie einen Landwirt erlebt, der sich darüber beschwert hat, bei der Agrarförderung nicht mit dem richtigen Geschlecht identifiziert zu werden.

Wo würden Sie zuerst ansetzen, um die Landwirte vom Schreibtisch wegzubekommen?

Krawczyk: Die Stoffstrombilanzierung muss weg und wir müssen die GAP entschlacken. Die ist viel zu komplex geworden. Auch die starre Ausrichtung der GAP auf Dienstleistung und Gemeinwohl hat in finanzielle und bürokratische Sackgassen geführt. Die Agrarförderung muss in Zukunft einfacher werden und eine starke Einkommenskomponente enthalten.

Und wir müssen aufhören, ständig neue Auflagen und Meldepflichten zu erfinden. Das hätte auch positive Folgen für den Arbeitsmarkt, denn im Moment werben Ämter und Verwaltung oft Fachkräfte vom Markt ab, die auch in der Landwirtschaft gebraucht werden.

Wo wäre der bessere Hebel für Bürokratieabbau: In Brüssel oder Berlin?

Krawczyk: In Brüssel hat der Bürokratieabbau ja im Ansatz schon begonnen. In Berlin sehe ich das noch nicht, im Gegenteil. Hier drohen mit der Pflanzenschutzanwendungsverordnung und mit dem Tierschutzgesetz ja schon die nächsten Aktenberge.

 

Die Ernte hat in Sachsen begonnen. Wie sieht es auf ihren Flächen aus? Im Gegensatz zu den meisten westdeutschen Regionen war es zwischen Dresden und Leipzig ja auch in diesem Jahr meist nicht zu nass.

Krawczyk: Wir rechnen mit einer durchschnittliche Ernte und wären damit schon zufrieden, wenn die Marktpreise nicht so drastisch zurückgefallen wären.

Ein ganz anderes Problem ist bei uns aktuell die Knappheit an Lagerkapazitäten beim Agrarhandel. Das ist bundesweit kein großes Thema, beschäftigt uns hier im grenznahen Raum aber schon. Es ist nämlich so, dass die aufnehmende Hand deutlich mehr Getreide aus dem letzten Jahr auf Lager hat. Ich fürchte, das liegt auch an der ukrainischen Ware, die zollfrei nach Deutschland gelangt. Die landet natürlich als allererstes im Osten und wandert oft nicht weiter. Das spüren wir gerade mehr als die Naturalerträge vor Ort.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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