Für Samstag 10 Uhr ist vor dem Brandenburger Tor eine Großdemonstration gegen die Bundesregierung angemeldet. Dazu ist auch ein Korso von Traktoren und Spediteuren durch das Berliner Regierungsviertel geplant.
Von der Landwirtschaft geht diese Demo allerdings nicht aus. Aufgerufen hat der in Bayern registrierte Verein „Hand in Hand für unser Land“. Und da ist unter den Initiatoren der Demo nur ein einziger Landwirt! Dennoch erwarten die Anmelder in Berlin 10.000 Teilnehmer und 1.000 Fahrzeuge. Auf Telegram und TikTok finden sich zahlreiche Aufrufe.
Wofür steht der Verein „Hand in Hand für unser Land“?
Auf seiner Homepage schreibt die Gruppe, dass der Verein viel effektiver vor der Politik auftreten und mit ihr auf Augenhöhe kommunizieren will. Man wolle „wirkungsvolle Aufklärungsarbeit leisten“ und sich bundesweit vernetzen.
Auf Anfrage des Tagesspiegels beklagt der Verein, dass die Politik immer weniger auf die „Belange und Nöte der Mittelschicht“ eingegangen sei. Sie habe die „Probleme und Wünsche der Bürger aus den Augen verloren“.
Ideologe und Fake-Newsverbreiter am Rednerpult
Bei der Rednerliste fällt dem Tagesspiegel besonders der Name Anselm Lenz auf. Er ist Verschwörungsideologe und Chefredakteur von „Demokratischer Widerstand“; die Publikation vor allem für die Verbreitung von Falschinformationen bekannt.
Lenz forderte in der Vergangenheit eine „Revolution“ und nannte die Bundesregierung „faschistoid“, schreibt die Zeitung weiter. Zur Demo am Samstag spricht er von einem „umfassenden Sieg“, den man erreichen wolle.
Außerdem dabei soll der Unternehmer Axel Turck sein, der die Corona-Impfung als „Genozid“ bezeichnete. Laut Handelsblatt verbreitet er zudem nach klassischem rechtsextremen Narrativ falsche, zu hoch gerechnete Opferzahlen in Bezug auf die alliierte Bombardierung von Dresden im Februar 1945. Ebenso gebe es antisemitische Verschwörungserzählungen.
Bauernverbände distanzieren sich
Der Deutsche Bauernverband (DBV) und die meisten Landwirte distanzieren sich daher klar von der Demo. Die Aktion habe nichts mit den Forderungen der Branche, wie etwa der Agrardieselrückerstattung zu tun.
Der DBV setzt laut Präsident Joachim Rukwied stattdessen jetzt auf den Dialog mit den Entscheidungsträgern in Berlin. Nach den Neuwahlen im Februar und der Regierungsbildung werde man „zügig mit den jeweils neuen Ministerinnen und Ministern in den politischen Austausch gehen“, kündigte Rukwied im Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“ an.
„Für uns besteht aktuell kein konkreter Anlass, auf die Straße zu gehen und diffus gegen irgendwas zu demonstrieren“, ist auch vom Landesbauernverband Brandenburg auf Tagesspiegel-Anfrage zu hören. „Sie sind irgendwie gegen alles. Ich sehe keine Sachforderungen“, sagte Vize-Präsident Christoph Plass der „Märkischen Oderzeitung“ zuvor. Auch von den verschiedenen Brandenburger Kreisbauernverbänden ist keine nennenswerte Mobilisierung auszumachen.
Traktoren rollen durch Thüringen
Dennoch fühlen sich einige Landwirte von den Ideen abgeholt. So berichtet der MDR, dass es im Land zu Verkehrsbehinderungen durch Traktorkolonnen kommen kann, die nach Berlin fahren. Der Sender spricht fälschlicherweise von geplanten „Bauernprotesten“ und sieht einen Zusammenhang mit den laufenden Demos von Bauern in Frankreich und Großbritannien. Dort gehen die Berufskollegen aber wegen ganz anderer Dinge auf die Straße.
Die Polizei informiert parallel, dass Fahrzeug-Konvois in den Landkreisen Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen und Gotha unterwegs sind. In Erfurt sei ein Zwischenstopp geplant, wo Donnerstagabend eine Kundgebung stattfinden soll.