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„Westfleisch sucht 500.000 Mastplätze in Haltungsform 3“

Westfleisch macht Tempo beim Thema Tierwohl und sucht dringend HF3-Betriebe. Mit individueller Beratung und Verträgen soll die Investitionsbremse endlich gelöst werden.

Lesezeit: 8 Minuten

Insbesondere die beiden großen Discounter Aldi und Lidl wollen ihr Angebot an HF3- und 4-Schweinen weiter ausbauen und fordern von ihren Lieferanten entsprechende Ware. Können die Fleischverarbeiter die Wünsche des Handels erfüllen? top agrar sprach mit Dr. Wilhelm Uffelmann, CEO Westfleisch, und Michael Schulze Kalthoff, COO-Pork bei Westfleisch.

Gute Perspektive für höhere Haltungsformen

Dr. Uffelmann, Tierwohl ist in aller Munde. Insbesondere die Discounter wollen bis 2030 in mehreren Produktsegmenten komplett auf Fleisch aus den Haltungsform 3 und 4 umstellen. Wie blicken Sie auf die Entwicklung?

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Uffelmann: Einzelne Händler versuchen gerade, das gesellschaftliche und politische Ziel der Transformation unserer Nutztierhaltung voranzutreiben. Nach Frischfleisch wird jetzt auch das Umstellen erster Wurstsortimente anvisiert. Wir bei Westfleisch sehen bei den höheren Haltungsformen grundsätzlich eine gute Perspektive und stehen als Lieferant bereit.

Gesamtwirtschaftlich hat sich zu der Zeit, in der die Entscheidung getroffen wurde, eine Menge getan: Viele Konsumenten haben ihren Kompass neu ausgerichtet und setzen andere Prioritäten bei limitierter Kaufkraft. Zudem ist klar: Eine Steuerfinanzierung der Transformation wird es nicht geben, die Borchert-Kommission ist gescheitert. Beides spricht dafür, die Ziele neu zu bewerten, denn es kann nicht sein, dass die Kosten für diese gesellschaftliche Forderung bei uns oder unseren Bauern hängen bleiben.

Sie meinen also, man müsste den Käufermarkt jetzt neu bewerten? Welche Marktanteil für HF3- und 4-Ware halten Sie denn in Deutschland mittelfristig für realistisch?

Schulze Kalthoff: Wir taxieren die Absatzchancen für HF 3 und 4 mittelfristig auf bis zu 15 % des deutschen Fleischabsatzes. Das betrifft den Gesamtmarkt inklusiv Außer-Haus-Verzehr und Verarbeitung, den Löwenanteil machen dabei die Verkäufe über den LEH aus.

Welche Folgen hätte das für die Initiative Tierwohl?

Uffelmann: Keine, weil die Initiative Tierwohl (ITW) künftig auch HF 3-Betriebe managed und als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Wir stellen bei der Aufpreisbereitschaft eher generell fest, dass große regionale Unterschiede bestehen, genauso wie sich Kaufentscheidungen in Städten und auf dem Land stark unterscheiden. Dort, wo Kaufkraft mit dem Bewusstsein für mehr Tierwohl zusammengeht, wird es funktionieren, wie beispielsweise in München, Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg oder am Prenzlauer Berg. In strukturschwachen Gebieten haben die Menschen andere Sorgen. Das hat auch die Europawahl gezeigt.

„Keinem Nutztier auf der ganzen Welt geht es besser als bei uns in Deutschland“

Sie gehen also davon aus, dass etwa 80 bis 85 % aller deutschen Schlachtschweine konventionell bleiben, also in HF1- oder HF2-Ställen gemästet werden?

Uffelmann: Davon gehe ich aus. Und das ist auch in Ordnung. In meiner Zeit als Berater habe ich zahlreiche Premiummodelle in allen maßgeblichen Ländern weltweit analysiert. Und ich kann Ihnen versichern: Keinem Nutztier auf der ganzen Welt geht es besser als bei uns in Deutschland – und das bereits unter den Vorgaben von QS, also in HF 1.  

Wir liefern sozusagen in der „Pflicht“ bereits hohe Tierwohlstandards. Wie viel „Kür“ möglich ist, hängt einzig und allein davon ab, ob die Konsumenten bereit sind, den Mehrwert auch wertzuschätzen und mit einer höheren Zahlungsbereitschaft zu honorieren.

Schulze Kalthoff: Und wir sollten nicht vergessen: Höhere Haltungsstufen sind – neben der Finanzierung und Fragen des Baurechts – auch in Sachen Umweltrecht noch nicht ganz zu Ende gedacht. Tierwohlställe, insbesondere Strohställe, produzieren deutlich mehr CO2. Da müssen noch Lösungen gefunden werden. Und das muss auch in Richtung Politik und Konsument noch sehr viel deutlicher kommuniziert werden.

Wir bei Westfleisch sind kundenorientiert.

Wenn die höheren Haltungsformen Nischenmärkte bleiben, warum beschäftigt sich Westfleisch trotzdem so intensiv mit dem Thema HF3 und 4?

Uffelmann: Wir bei Westfleisch sind kundenorientiert. Der Handel bekommt bei uns genau das, was er bestellt – in der gewünschten Menge, in der definierten Qualität, im gewünschten Zeitfenster. Nur das zahlt die Löhne und Gehälter unserer Mitarbeitenden und nur das bringt das Geld auf die Höfe unserer Landwirte und sichert dort die Zukunft der Tierhaltung.

Wir sehen uns als Partner zwischen diesen beiden Marktbeteiligten – den Erzeugern auf der einen Seite und dem Handel, den Großverbrauchern und Verarbeitern auf der anderen. Wir geben jeden Tag unser Bestes, um die Interessen bestmöglich aufeinander abzustimmen. Dazu gehört auch, dass der Handel mehr HF3-Ware will. Das packen wir an.

Werden wir konkret: Wie viele Mastplätze haben Sie bei HF3 und 4 derzeit unter Vertrag und wie viele Mastplätze brauchen Sie?

Schulze Kalthoff: Das ist eine ganz einfache Rechnung: Nach dem aktuellen Westfleisch-Marktanteil und den eben genannten Prognosen der Absatzmöglichkeiten brauchen wir rund 500.000 Mastplätze für HF3-Tiere. Aktuell sind wir davon noch ein gutes Stück entfernt.

Da müssen wir jetzt mit Hochdruck ran – und können, dank unserer besonderen Position als genossenschaftliches Unternehmen der Bauern, dabei Vorreiter sein. Die Gespräche auf den Höfen dazu laufen sehr vielversprechend. Und wenn die Perspektiven stimmen, die Planungshorizonte passen und wir tatkräftig unterstützen, dann sollte das Ziel gut erreichbar sein.

„Westfleisch bietet ein erfahrenes Kompetenzteam HF3“

Blicken wir auf die Bauern. Viele wollen nicht umstellen, weil sie finanzielle Einbußen befürchten. Andere können nicht umstellen, weil sie keine Genehmigungen für Tierwohlställe bekommen. Wie will Westfleisch „Schützenhilfe“ leisten?

Schulze Kalthoff: Die eben genannte tatkräftige Unterstützung ist ein ganz wesentlicher Punkt, um weiter gemeinsam voranzukommen. Deswegen haben wir ein „Kompetenzteam HF 3“ aufgestellt. Dort bekommen alle, die sich für ein Umstellen interessieren, Unterstützung für ihren individuellen Businessplan – sei es im Bau- oder Genehmigungsrecht, bei Förderungsanträgen oder Finanzierungsfragen oder in Sachen Tiergesundheit, Auditvorbereitung oder Veterinärfragen. Wo unser eigenes Know-how und die eigenen Kapazitäten an ihre Grenzen kommen, vermitteln wir kompetente Partner an unserer Seite.

Übrigens: Am 26. Juni findet eine Online-Veranstaltung dazu statt. Um 19 Uhr geht’s los, eine Anmeldung ist nicht notwendig. Am Veranstaltungstag kann sich jeder einfach auf www.westfleisch.de einloggen.


Auf vielen Höfen muss nicht viel verändert werden

Jeder Betrieb ist anders gelagert. Wollen Sie einzelbetriebliche Beratung anbieten?

Schulze Kalthoff: Ja genau! Jeder Betrieb hat seine individuellen Stärken. Bei unseren ersten Besuchen waren wir überrascht, auf wie vielen Höfen gar nicht so viel verändert werden muss, um die Kriterien zu erfüllen. Da ist auf jeden Fall viel Potenzial und man spürt gleichzeitig eine positive Bereitschaft mitzumachen.

 

Das heißt aber auch, dass Betriebsleiter, die einen neuen Stall auf die grüne Wiese setzen würden nicht zu Ihrer Zielgruppe zählen, oder?

Schulze Kalthoff: Doch, auf jeden Fall! Jeder, der jetzt neu baut, sollte das zukunftsorientiert machen. Dazu gehört besonders der kritische Blick auf die Haltungsbedingungen. Es ist nicht zu erwarten, dass man nach vorne gerichtet wieder unter die jetzt definierten Kriterien zurückgeht. Also wenn neu, dann gleich richtig.  

„Wer mit uns einen Vertrag macht, dem winkt ein Bonus“

Bleibt die Frage der Honorierung von mehr Tierwohl. Wie sieht ihr Abrechnungskonzept aus?

Uffelmann: Klar ist: Unsere Bauern müssen Geld verdienen – sonst haben wir morgen keine mehr. Wir prüfen gerade unterschiedliche Konzepte und rechnen sie durch.

Bereits klar ist eine Zahlung für eine rasche und verbindliche Zusage mitzumachen – ein klassischer Vertragsbonus. Ob es darüber hinaus noch eine Mehrerlösmöglichkeit geben wird, wenn alles schnell umgesetzt wird und wir die ersten HF 3-Tiere zügig geliefert bekommen, wird noch diskutiert.

Ein heikles Thema sind immer auch die Vertragslaufzeiten. Was stellt sich Westfleisch diesbezüglich vor?

Schulze Kalthoff: Wir machen gerade selbst ganz neue Erfahrungen in dieser Hinsicht. Da gibt es diejenigen, die gern die Sicherheit von mehrjährigen Vereinbarungen mitnehmen. Aber es gibt auch immer mehr Erzeuger, die sagen: „Erst mal einen Jahresvertrag, dann sehen wir weiter.“

Wir alle erinnern uns an die Zeiten, als das Gas knapp war und die Versorger uns gern in „Sicherheitsverträge“ mit teilweise fragwürdigen Preisgestaltungen gelockt haben. Und nur wenige Monate später war die Welt schon wieder eine andere. Insofern würde ich sagen: Unsere Aufgabe ist es, für jeden Mäster die passende Lösung zu finden.

Landwirte schreiben Investitionen aber eher über 15 bis 20 Jahre ab, wie passt das zusammen?

Uffelmann: In der aktuellen Rollenverteilung ist der Landwirt ein freier Unternehmer. Und als Unternehmer muss man Entscheidungen treffen, zum Beispiel für oder gegen Investitionen. Das gibt es für niemanden ohne Risiko. Mit uns, mit „seiner“ Genossenschaft an der Seite, kann sich jeder Landwirt sicher fühlen. Wir sind für jeden Lieferanten da, auf den wir uns verlassen können.

Warum gelingt es nicht, den LEH stärker in die Pflicht zu nehmen? Der Handel verlangt mehr Tierwohl, dann solle er auch dafür verlässlich und langfristig zahlen. Oder ist das naiv?

Schulze Kalthoff: Nicht der Handel muss dafür zahlen, sondern derjenige, der es fordert, also am Ende des Tages der Konsument. Der LEH versucht lediglich, den zeitgeist-, politik- und gesellschaftsgetriebenen Wunsch nach durchgreifenden Änderungen in der Nutztierhaltung umzusetzen. Das ist ein hehres Ziel, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verbraucher zwar mehr Tierwohl fordern, aber nicht dafür bezahlen zu wollen. Ganz neu ist dieses Dilemma nicht. Deswegen helfen wir dabei nach besten Kräften.

Angebot gemeinsam entwickeln

Nehmen wir an, die produzierte Menge und der Absatz an Tierwohlfleisch bleiben geringer als von Ihnen erwartet. Was machen wir dann?

Uffelmann: Genau deshalb „fahren wir auf Sicht“ in der aktuellen Situation. Alles andere wäre ein zu großes Risiko für unsere Bilanz. Das heißt, wir entwickeln unser Angebot gemeinsam mit Kunden und Lieferanten so, dass es zur Zahlungsbereitschaft der Konsumenten passt.

 

Was ist, wenn das Gegenteil eintritt? Wenn wir es nicht schaffen, ausreichend deutsche HF3 und 4-Ware für den LEH zu produzieren. Was meinen Sie, wie der Handel dann reagieren wird?

Uffelmann: Die Mengen, die der LEH in Deutschland zum entsprechenden Preis absetzen kann, lassen sich mit Sicherheit hierzulande in 5xD-Qualität produzieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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