Zumindest in den öffentlichen Medien hat die Landwirtschaft ein Imageproblem. Oft geht die Kritik auf Versäumnisse und Missstände in den 70er- und 80er-Jahren zurück – und der Branche gelingt es nicht, ihre heutigen Lösungen zu kommunizieren. Woran hakt es, und was bräuchte es? WDR-Moderatorin Steffi Neu hat in der dritten Talkshow von top agrar, unterstützt von Claas und Fendt, mit Insidern aus der Branche eine Bestandsaufnahme gemacht.
Video top-Talk
Christoph Gröblinghoff, Vorsitzender der Geschäftsführung von AGCO/Fendt, sagte gleich zu Beginn der Sendung: „Aus meiner Sicht besteht die Schwierigkeit darin, die Komplexität der Branche zu erklären. Im Gegensatz zu früher sind viele Menschen heutzutage urban aufgewachsen und haben keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft.“
Zur Entfremdung von Lebensmittelerzeugern und Verbrauchern äußerte sich auch Jan-Hendrik Mohr, CEO von Claas: „Jeder berührt täglich Landwirtschaft – und zwar mit der Zunge. Und trotzdem beschäftigt sich der Verbraucher selten mit Fragen wie: Wie wird mein Salat angebaut oder mein Fleisch produziert? Und wer tut das eigentlich?“
Eine Aufgabe für alle
Und dennoch: Sich als Landwirt nur zu beklagen, helfe nicht weiter. „Wer jammert, kann niemanden begeistern“, warf die Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbands, Susanne Schulze Bockeloh, ein. Über die großartigen Leistungen und Entwicklungen in der Branche zu berichten, sei Aufgabe für alle. Außerdem müsse man die Berührungspunkte zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern stärker hervorheben, gab Jan-Hendrik Mohr zu bedenken.
Landwirtin Birgit Blömer aus Rhede, NRW, tut das beispielsweise im Zuge ihrer Direktvermarktung: „Wenn die Kunden extra aus der Stadt kommen, um bei uns Milch und Eier für das Sonntagsfrühstück zu kaufen, erfahren wir 100 Prozent Zustimmung.“ Auch bei Hofbesuchen von Schulklassen etwa versuche sie, den Menschen Landwirtschaft näherzubringen.
Ebenso hob Christoph Gröblinghoff die vielen lokalen Initiativen hervor, die der Branche ein Gesicht und eine Stimme geben wollen. Gleichzeitig bemerkte er: „Wir müssen größer denken und noch mehr Leute erreichen. Wenn jeder Landwirt zum Beispiel 5€/Jahr/ha über 10 Jahre für Marketing/ Kommunikation aufwenden würde, sprechen wir über rund 80 Mio. EUR. Damit könnte man eine nachhaltige und professionelle Kommunikation inklusive Aufklärungskampagnen bezahlen.“
Susanne Schulze Bockeloh pflichtete ihm bei: „Direktkontakte sind großartig. Aber: Wir sind 250.000 Landwirte zu über 80.000.000 Einwohnern in Deutschland. Wir brauchen ein Dach obendrüber, um eine Marke und ein Image aufzubauen – und das zusammen mit Marketing-Experten.“ Dabei sei es natürlich nicht leicht, die Landwirte, die sich auch als Einzelunternehmer verstehen, unter einen Hut zu bekommen. „Wenn wir aber mit einer Stimme sprechen, dann sind wir nicht zu überhören“, war sich Schulze Bockeloh sicher. Dazu gehöre auch, so Jan-Hendrik Mohr, offen mit schlechten Nachrichten umzugehen, die den Menschen naturgemäß länger im Gedächtnis bleiben.
Landwirtin Birgit Blömer jedenfalls würde eine übergeordnete Imagekampagne für die Branche unterstützen – und merkte darüber hinaus an: „Bildung ist aus meiner Sicht ein weiterer Schlüssel. Als Landwirte können wir natürlich erwarten, dass wir gefragt werden. Wir können uns aber auch anbieten und im Zuge von Hofbesuchen etc Wissen vermitteln.“