Das Interesse an alternativen Proteinen ist da. Der Grüne Saal war auf der DLG Wintertagung ordentlich besucht. Wer allerdings vorgefertigte Wege in den recht neuen Markt erwartete, wurde enttäuscht. Noch müssen einige Rahmenbedingungen geschaffen und Hürden aus dem Weg geräumt werden, damit die heimische Landwirtschaft vom Trend der pflanzlichen Proteine und Fleischersatzprodukte mitprofitieren kann. Unter anderem wurde deutlich: Die Akteure der Wertschöpfungskette müssen (endlich) miteinander reden!
Simone Poppe, NewFood Consulting GmbH, Frank Peters von Crespel & Deiters GmbH & Co. KG und Stefan Beuermann von der UFOP (Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen e.V.) diskutierten, welche Hürden es gibt, und wo Chancen liegen.
Proteinpflanzen: Chancen mit Problemen
Stefan Beuermann (UFOP) machte den Aufschlag und plädierte dafür, Hülsenfrüchte flächendeckend in die Rapsfruchtfolge zu integrieren. Pflanzenbaulich hätte dies immense Vorteile. Beuermann sagte: „Wenn wir Hülsenfrüchte in die Fruchtfolge bekommen würden, zusätzlich zum Raps als zweite Blattfrucht, dann würden viele Probleme, die wir auf den Äckern haben, gar nicht stattfinden. Dann könnten wir Reduktionsziele ohne regulatorische Eingriffe erreichen."
Allerdings zählte er auch drei Probleme auf, die mehr Hülsenfrüchten auf deutschen Äckern noch im Wege stehen:
Erstens sei problematisch, dass die Zahlungsbereitschaft in Sachen Proteinpflanzen im Vergleich zum Bedarf nur klein sei. Vor allem, wenn es um geringe Abgabemengen geht. „Die Preise entsprechen überhaupt nicht dem Wert der Ware", so der Fachmann. Landwirtinnen und Landwirte hätten am besten als Teil einer Erzeugergemeinschaft die Chance, bessere Preise zu erzielen. Erzeugergemeinschaften bieten Abnehmern nach Beuermanns Erfahrung einen gemeinsamen Ansprechpartner sowie eine verlässliche Qualitätssteuerung. Nicht zuletzt ließen sich beim gemeinsamen Einkauf von Saatgut und Dünger Kosten einsparen.
Zweitens nannte Beuermann die schlechte Verarbeitungsinfrastruktur in Deutschland als Problem. „Die meisten Verarbeiter sind weit weg von den Erzeugern", sagte er. Wenn beispielsweise Soja mit dem LKW von A nach B transportiert würde, „verdient nur der Spediteur".
Drittens bemängelte der Pflanzenbaufachmann eine „sehr verzettelte Förderkulisse" in Deutschland. Noch erkenne er keine wirkliche Proteinstrategie der Politik, die sich etwa in gleichen Förderbedingungen in allen Bundesländern zeige.
„Soja ist Regenwaldvernichter Nr. 1"
Stefan Beuermann plädierte danach vehement dafür, sich für mehr heimische Hülsenfrüchte und mehr deutsches Soja stark zu machen. „So schön sich plant-based anhört, die große Baustelle ist die Regenwaldvernichtung", so Beuermann. „Soja ist der Regenwaldvernichter Nr. 1". Er fragte, wieso wir die Vernichtung des Regenwaldes durch Sojaimporte mitfinanzieren, anstatt hier in Deutschland nachhaltig und regional selbst einen Markt aufzubauen.
Um das möglich zu machen, brauche es einheitliche Förderbedingungen in ganz Deutschland, mehr und geeignetes Saatgut sowie höhere Qualitätsstandards für Importware.
Fleischersatz gesünder machen, interdisziplinär zusammenarbeiten
Frank Peters vom Stärkeproduzenten Crespel & Deiters betonte, wie wichtig der Blick auf Verbrauchertrends im Markt für alternative Proteine sei. "Zuletzt hat sich der plant-based Markt gut entwickelt und hatte viel Aufmerksamkeit", sagte der Lebensmittelexperte. "Aber jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir auch Flexitarier und andere Konsumenten erreichen müssen." Dafür sei es essentiell, gesunde und schmackhafte Fleisch- und Milchersatzprodukte auf den Markt zu bringen. Entsprechend sei es nötig, jetzt nicht "Standarderbsen" zu vermehren, sondern hoch funktionelle Sorten mit Eigenschaften, die den Trend zum "well-being" (zu dt. Wohlfühlen) bedienen.
"Um die Revolution auf den Acker zu bringen, müssen die Akteure der Kette miteinander reden", sagte Frank Peters. Man dürfe nicht nur in seinem Silo denken, sondern müsse Brücken zu anderen Akteuren der Wertschöpfungskette bauen, so Peters. Dazu gehöre auch, sich nicht allzu sehr auf die Politik zu verlassen, sondern im Austausch miteinander selbst zu erfahren, was die Anforderungen des anderen sind und diese dann zu erfüllen.
Peters plädierte nicht zuletzt ebenfalls für eine praxisnahe Förderung im Anbau auf dem Acker. Vor allem vor dem Hintergrund eines potenziellen USA-Kanada-Handelskonflikts könnten neue Warenströme den Weg in die EU finden, so dass kanadische Konkurrenz den Bereich Hülsenfrüchte treffen könnte.
Alternative Proteine: Eine Riesenchance
Simone Poppe kam als dritte Rednerin an die Reihe - und betonte am meisten von allen dreien die großen Chancen, die sie im Bereich alternative Proteine sieht. Poppe ist seit mehr als 30 Jahren in verschiedenen Funktionen der Milch- und Fleischindustrie tätig, baute bei der PHW Gruppe den Bereich alternative Proteinquellen mit auf und arbeitet heute viel mit Start-ups zusammen. Poppe wurde die Einstiegsfrage gestellt, ob der Hype der alternativen Proteine nun vorbei sei - und sie stellte klar: "Es handelt sich hier nicht um eine Blase. Wir sehen einen ganz normalen Lifecycle einer Innovation und befinden uns derzeit im Status, dass wir damit zwar noch kein Geld verdienen, weil wir sie noch nicht skaliert haben. Aber das ist keine Blase, sondern ein Wandel. Ich messe diesen Entwicklungen ganz viel Potenzial zu."
Poppe begleitet als Unternehmensberaterin unterschiedlichste Unternehmen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette. Sie machte den Anwesenden bewusst, dass der Einstieg in neue Märkte das Bewusstsein erfordert, dass die Wertschöpfungsketten unterschiedlich funktionieren und man deshalb besonders viel und interdisziplinär miteinander sprechen müsse. Sie sagte: "Wenn ich zum Beispiel eine Molkerei bin und in den Markt für Hafermilch einsteigen will, dann brauche ich neue Ansprechpartner von der Erzeugung bis in den Handel." Die Molkerei dürfe verstehen, dass sie nicht mehr länger nur immer dieselben Lieferanten und Anlagenbauer habe, sondern nun neue Partner suchen müsse.
"Was wir nicht gebrauchen können, ist altes Denken: Das war schon immer so und so war es gut", so Poppe.