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Direktvermarkter testen Vertical Farming - Überzeugt das Anbausystem?

Anne Vrochte lässt Obst und Gemüse ohne Erde wachsen. Nach über einem Jahr mit der Pflanzentheke zieht sie Bilanz. Liegt hier für Landwirte ein Einstieg in die Welt des Vertical Farming?

Lesezeit: 7 Minuten

Keine Erde, nur eine Steckdose und einen Wasseranschluss. So beschreibt Anne Vrochte die notwendigen Bedingungen für das neuartige Anbausystem, das seit August 2023 auf Hof Vrochte steht: Eine hydroponische Vertical Farming-Anlage. Was scheinbar wenig mit der traditionellen Landwirtschaft zu tun hat, weckte das Interesse der 23-Jährigen, die damit das Direktvermarktungssortiment am elterlichen Hof weiter ausbaut. Inzwischen reihen sich sattgrüner Kopfsalat, Mangold, Zitronenbasilikum und Rucola in sieben Regalreihen übereinander. Die Reihen werden in der Mitte durch Stahlträger verbunden – das ganze Gerüst sieht aus wie der Buchstabe „A“.

Schnell gelesen

  • Für die Direktvermarktung baut Familie Vrochte ihr Blattgemüse vertikal an. Das erste System kostete sie knapp 5.000 €. Das zweite zusätzliche 3.000 €.

  • Die Kunden schätzen besonders die Sauberkeit und Frische der Produkte. Die Vermarktung läuft.

  • Für Anne Vrochte ist die Pflanzentheke eine gelungene Mischung aus Hightech und Praxisnähe.

Annes Eltern Thomas und Reinhild Vrochte bewirtschaften in Sassenberg (NRW) 34 ha Grün- und Ackerland, während Anne an der Hochschule Osnabrück ihren Master in angewandten Nutztier- und Pflanzenwissenschaften macht. Nebenbei packt sie zu Hause mit an. Vor zehn Jahren stellte die Familie, den Betrieb grundlegend um. Die Schweinehaltung, lange das zentrale Standbein, wurde aufgegeben. Stattdessen liegt der Fokus heute auf der Direktvermarktung.

„Wir haben mit einem Schuhschrank als Verkaufsraum angefangen,“ erzählt die Studentin. Inzwischen verkauft die Familie ihre Produkte über den eigenen Hofladen und drei Automaten. Neben den Eiern ihrer 900 Legehennen, Kartoffeln und eigenem Gemüse, bietet die Familie auch zugekaufte Produkte wie Joghurt, Fleischwaren oder Müsli an – und seit August 2023 ergänzt Blattgemüse aus vertikalem Anbau das Sortiment.

Wie Familie Vrochte zur Pflanzentheke kam

Bei einem Besuch auf der Bundesgartenschau in Mannheim stießen Anne Vrochte und ihre Mutter zum ersten Mal auf das 2022 gegründete Unternehmen Pflanzentheke GmbH aus Lorsch in Südhessen. Die vier Gründer Michael Müller, Julia Dubowy, Lasse Olliges und Leon Welker haben es nach praktischer Anwendung, Forschung und Entwicklung zur Marktreife gebracht. Die Theke ist bundesweit bei Landwirten im Einsatz. Ihre Idee: Vertical Farming leicht zugänglich machen und Verbraucher mit regionalem Gemüse versorgen. Ihre Zielgruppe ist breit, denn die sogenannten „A-Frames“ lassen sich unkompliziert skalieren – so sprechen sie Direktvermarkter, Gärtnereien und Lieferanten von Großmärkten gleichermaßen an.

Die Idee vom Salatanbau ohne Unkrautjäten, ohne bodenbürtige Schaderreger und ohne die üblichen Regulierungen der Düngeverordnung überzeugte uns.“
Anne Vrochte

„Salate kamen für uns eigentlich nie infrage,“ sagt Anne. Der Aufwand sei zu groß dafür, dass ein Salatkopf am Ende 1 € abwerfe. Deshalb war sie überrascht, als ihre Eltern direkt Begeisterung für die Pflanzentheke aufbrachten. „Die Idee vom Salatanbau ohne Unkrautjäten, ohne bodenbürtige Schaderreger und ohne die üblichen Regulierungen der Düngeverordnung überzeugte uns“, sagt sie.

Denn im sogenannten hydroponischen Anbau wachsen die Kulturpflanzen in Wasser, das mit Nährstoffen angereichert ist. Dank dieses Prinzips sollen Landwirte und Gartenbauer Düngemittel einsparen und die Umweltbelastung verringern. Dadurch, dass das Wasser nicht mehr ungenutzt in der Erde versickert, sondern im System verbleibt, gilt die Anbauform außerdem als wassersparend.

Eineinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass das Pflanzentheke-Team das erste System auf den Hof brachte. Familie Vrochte entschied sich zum Testen für die „Newcomer“-Variante, bestehend aus einem drei Meter breiten Anbaugestell, der Mess- und Regeltechnik sowie der Bewässerungstechnik. Mit dem Düngecomputer, den Pumpen, dem Aufbau und der Inbetriebnahme zahlten sie insgesamt 4.700 €. Nach der Suche des perfekten Standortes und einer Einführung in die technischen Feinheiten, werden bereits die ersten Jungpflanzen gesetzt. Das zweite System kostete rund 3.000 €, da es als Erweiterung an die vorhandene Technik angeschlossen werden kann.

So funktioniert das Anbausystem

Die Pflanzen wurzeln in Kokos-Torf-Substratwürfeln, die etwa 10 Cent pro Pflanze kosten. Das kompakte Substrat hat den Vorteil, dass es nicht ausgewaschen wird. Alternativ sind auch Jungpflanzen aus klassischen Erdpresstöpfen möglich. Ein spezielles Saatgut ist nicht nötig, deshalb ziehen Vrochtes ihre Jungpflanzen selbst. Bei Erscheinen der ersten Blätter, wandern sie vom Fluttisch in den vertikalen Anbau. Im März bestücken sie einmal alle 224 Plätze. Geerntet wird je nach Bedarf und es wird peu à peu nachgepflanzt. Dass verschiedene Kulturen in einer Anlage wachsen, sei kein Problem, solange es z. B. nur Blattgemüsearten mit ähnlichen Ansprüchen sind.

Die Steuerung des Systems befindet sich in einem Schaltschrank. Hinter einer transparenten Platte sitzt ein Display mit einer Hand voll Knöpfen, zwei Mehrfachsteckdosen, aufgerollten Kabeln und zwei 2,5 Liter Kanistern mit Dünger und Schwefelsäure. Die Lösungen ordert Anne Vrochte regelmäßig bei der Pflanzentheke nach.

Der pH-Wert und die elektrische Leitfähigkeit (EC-Wert) sind die wichtigsten Messwerte in der Hydroponik. Ist der EC-Wert hoch, sind mehr Nährstoffe in der Nährlösung vorhanden. Das Computersystem passt beide Werte ständig an den Bestand an, indem es dem Kreislauf die Lösungen aus den Kanistern hinzufügt oder sie verdünnt. Dabei gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Im 20-Minuten-Takt treibt eine Pumpe dann die angepasste Nährlösung für zehn Minuten durch die Pflanzrinnen. Die Wurzeln nehmen über den Wasserfilm auf, was sie brauchen. Überschüssiges Wasser landet in einem Umlaufbecken von 80 l, in dem zwei Messgeräte die neuen Werte wieder an den Computer vermitteln. Das alles passiert automatisch. Das Wasser sollte alle drei Monate ausgetauscht werden. Wichtig ist, das System im Anschluss neu zu kalibrieren. Anne erklärt, was passiert, wenn der pH-Wert nicht passt: „Im Freiland puffert der Boden, doch hier kriegen die Wurzeln alles ab und können Schaden nehmen.“

Für die Schädlingsbekämpfung setzt sie sowohl im Frucht- und Feldgemüse, als auch im vertikalen Anbau, Nützlinge ein. Dieses Jahr verpasste ihnen Mehltau einen Dämpfer – davor schützt auch die beste Technik nicht.

Eine weitere Aufgabe ist die Reinigung. Besonders hartnäckige Algen und Düngerablagerungen in den schmalen Rinnen bereiteten Probleme. „Ich mache das mit einem Hochdruckreiniger und die Rinnen mit einer kleinen Bürste, das ist eher umständlich,“ berichtet Anne. Der Hersteller bietet hier eine spezielle Reinigungsstation, um den Aufwand zu minimieren.

Der Folientunnel ist ein Muss

Die Anlage zeigte schnell ihr Potenzial: Die Pflänzchen wuchsen schneller und die Qualität stimmte. Doch im Freiland aufgebaut, setzten Wind und Regen den empfindlichen Pflanzen zu. Das System wanderte also in den Folientunnel. Der steht, für Vorbeifahrende gut sichtbar, neben einem großen Plakat mit der Aufschrift: „Vrochte goes Vertical“. Kein Wunder, dass viele Leute halten und die Köpfe in den Tunnel stecken. Genau das will Anne. „Gerade weil Viele auf die Landwirtschaft schimpfen und Lebensmittel zu selbstverständlich geworden sind“, sagt sie. „Ich will zeigen, dass die Landwirtschaft weiterdenkt und ihre Probleme angeht.“

Ich will zeigen, dass die Landwirtschaft weiterdenkt und ihre Probleme angeht.“
Anne Vrochte

Die Kunden mögen besonders, dass die Produkte sauber und verzehrfertig sind. Im Wurzelballen bleiben sie außerdem eine Woche frisch. Und wenn der Salat abends doch noch im Automaten sitzt und die Blätter hängen lässt, wandert er zurück in das vertikale System und sieht am nächsten Tag wieder frisch aus. Skeptische Kunden nimmt Anne mit in den Folientunnel, erklärt, dass die Lebensmittel „ganz natürlich“ sind. Das zeigt sich auch im Preis – einen Aufschlag für das Produkt nimmt die Familie nicht. Die Preise liegen bei 1,00 € bis 1,50 € pro Salatkopf. Eine Mangoldpflanze mit Ballen gibt es ebenfalls für einen Euro, einen Basilikummix für 1,50 €.

Ist das noch Landwirtschaft?

Das System ist nicht so technisiert, dass Umweltbedingungen wie Temperatur und Licht künstlich erzeugt werden. Doch hier liegt auch ein Vorteil. Denn die im Zusammenhang mit Vertical Farming genannten Energiekosten spielen kaum eine Rolle. In einem Praktikum in Dänemark besuchte Anne Vrochte autonome Indoorfarmen, die sie nur mit Haarnetz und Schutzanzug betreten durfte. „Wenn man vom Acker kommt, wirkt das sehr fremd. Bei uns kommt noch echtes Sonnenlicht auf die Pflanze“, sagt sie.

Anne, die plant, ein drittes Gestell für den Hof anzuschaffen, ordnet ein: „Natürlich kann nicht jeder Landwirt Lebensmittel vertikal und indoor anbauen. Weizen macht hier noch wenig Sinn.“ Die Pflanzentheke biete jedoch einen Mittelweg, Lebensmittelerzeuger an Vertical Farming heranzuführen. Auch, wenn Familie Vrochte so noch nicht ganzjährig produzieren kann. Im November, als top agrar sie besuchte, ist das Sortiment in der Theke deutlich ausgedünnt. Um das ganze Jahr über zu kultivieren, bräuchte es dann doch ein beheizbares Gewächshaus.

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