Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Ausgabe 47/24.
Ihr Alltag ist durchaus ungewöhnlich: Mal hüpft sie auf ihrer spanischen Pferdedeckenwaschmaschine durch eine Lagerhalle. Mal lotst sie einen 16-Tonner durch ein viel zu enges Wohngebiet. Carina Windau ist da ganz pragmatisch: „Mein Leben erfordert viele kreative Lösungen."
Die 31-jährige Münsteranerin ist Seriengründerin, Lehrerin sowie Coachin, Moderatorin und Vortragsrednerin mit Fokus auf KI-Themen – und zweifache Mutter. Langeweile, so sollte man meinen, kommt im Hause Windau selten auf. Und tatsächlich: „Ich brenne so arg für meine Themen, dass ich ununterbrochen daran arbeite", sagt sie. „Wenn die Kinder im Bett sind, legen andere die Füße hoch. Ich arbeite. Für mich ist das meine Art der Freizeitgestaltung. Wie ein gut bezahltes Hobby."
Deckenpost: Der erste Streich
Doch von vorn. Die Idee zu ihrem ersten Unternehmen, einem Wasch- und Lieferservice für schmutzige Pferdedecken, kam Windau zur Zeit der Corona-Lockdowns. „Ich habe immer aus einem persönlichen Bedarf heraus gegründet", sagt sie. Der konkrete Bedarf im Fall der schmutzigen Pferdedecken war – wenig überraschend – schmutzige Pferdedecken. „Beim Waschen gibt es zwei Optionen", sagt die passionierte Reiterin. „Entweder, du machst dir die Mühe und wäschst die Decke zu Hause in der Waschmaschine. Falls sie da überhaupt reinpasst, hast du aber auch drei Wochen lang Fellschlüpper. Oder du bringst die Decken zur Reinigung ins Fachgeschäft."
Letzteres hat auch Carina Windau lange Zeit gemacht. Bis ihr Mann eines Tages die Autotür aufriss und mit den Worten „Oh Himmel, was stinkt denn hier so?" direkt wieder zuschmiss. „Ich habe ihm dann erklärt, dass wir alle losmüssen, um unsere Pferdedecken reinigen zu lassen – und sie im Anschluss wieder einsammeln." Die Reaktion ihres Mannes – „Wahnsinn! Und das machen alle Reiter?" – war es schließlich, die den Stein ins Rollen brachte. Wäre es, so Windaus Überlegung, nicht viel schlauer, die Decken gemeinsam direkt am Hof abzuholen? Sie zu waschen und wieder auszuliefern? „Deckenpost" war geboren.
Ein Problem? Eine Lösung!
Mit der Idee in der Tasche startete Carina Windau relativ blauäugig: „Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Vertrieb oder Logistik. Geschweige denn davon, wie man überhaupt eine Pferdedecke wäscht." Trotzdem war sie sich sicher: „Die Idee wird einschlagen!" Als erste Amtshandlung legte Windau einen Tag für ihre Firmengründung beim Notar fest. „Ich wollte so Verbindlichkeit in die Planung bekommen", sagt sie. Dann ging es Schritt für Schritt weiter: Eine Lagerhalle wurde angemietet, um dort die Wäscherei aufzubauen. Eine riesige Pferdedeckenwaschmaschine wurde gesucht, gefunden und angeliefert – aus Spanien. "Das war schon kurios", sagt Windau. "Irgendwann stand das Ding tatsächlich vor der Halle."
Zur Vorfreude gesellte sich allerdings auch eine Reihe an Problemen: Die Frage, wie die Maschine "um Himmels Willen" denn überhaupt in die Lagerhalle manövriert werden könne. Oder, wie man sie an den Starkstrom angeschlossen bekäme. Doch mit jedem Problem kam auch eine kreative Lösung. Wie für dieses: Eigentlich hätte die Waschmaschine einbetoniert werden müssen. Die Möglichkeit dazu bestand anfangs jedoch nicht. Sobald die Maschine anfing, zu schleudern, wurden kurzerhand alle Anwesenden zusammengetrommelt, um sich obendrauf zu setzen. „Das sind Dinge, über die ich mir im Vorfeld so überhaupt keine Gedanken gemacht habe", sagt Carina Windau. „Zum Glück! Wenn ich gewusst hätte, was alles passieren kann, hätte es mich vielleicht abgehalten."
Gemeinsam arbeiten statt fernsehen
Seriengründerin, Physik- und Geschichtslehrerin in Teilzeit, Coach, Moderatorin, KI-Expertin und zweifache Mutter – wie geht das? "Ich bin wahnsinnig gut strukturiert, sonst würde das nicht klappen", sagt Carina Windau. Ihre beiden Söhne besuchen seit dem zweiten Lebensjahr die Kita, die Care-Arbeit teilt sie sich mit ihrem Mann gleichermaßen auf. "Mein Mann ist auch selbstständig und hat eine ähnlich Haltung wie ich." Statt wie andere abends gemeinsam den Tatort zu schauen, tauschen sich beide über ihre Arbeit aus. "Das Thema KI begeistert mich gerade so sehr, dass ich da total gerne abends dran sitze", sagt sie.
Und: Carina Windau macht klare Ansagen: "Jeder, der mit mir Zeit verbringen möchte", so die Gründerin, "muss akzeptieren, dass ich es manchmal nicht pünktlich schaffe. Die Planung, die hinter meinem Leben steckt, ist einfach wahnsinnig groß." Immer hat sie e inen Plan B in der Tasche, für den sie vor allem auf ihre Familie zurückgreifen kann. Denn: "Den allerbesten Plan kann ein krankes Kind innerhalb von fünf Minuten zunichtemachen."
Für Windau ist es wichtig, die eigene Komfortzone zu verlassen. So kann ich spüren, was möglich ist." Und: "Es ist total gut möglich, eine gute Mutter zu sein und gleichzeitig arbeiten zu gehen." Als Mentorin möchte sie genau das auch anderen Frauen zeigen: Vereinbarkeit kann klappen.
Der Bedarf an Deckenpost entpuppte sich letztlich tatsächlich als so groß, wie angenommen: „Wir wurden überrannt von der Nachfrage", sagt Windau. „Das Unternehmen ist sehr schnell gewachsen." Nachdem sie zu Beginn selbst mit einem Bulli die Höfe anfuhr und die Wäsche einsammelte, läuft heute alles optimiert. Für große Teile von Nordwest-Deutschland und den Niederlanden gibt es feste Routen. Heißt: Die Decken können bei Sammelstellen direkt auf dem Hof abgelegt, von dort abgeholt und innerhalb einer Woche wieder sauber ausgeliefert werden. Für Gebiete, die noch nicht in den Routen erfasst sind, bietet Deckenpost einen Postservice. In diesem Jahr wurden schon 33.000 Wäschestücke gereinigt. „Und die Saison fängt jetzt erst richtig an", sagt Windau zufrieden. Zusätzlich zum Waschservice bietet Deckenpost mittlerweile auch einen Onlineshop mit Produkten rund ums Pferd.
Der zweite Streich
Euphorisiert von ihrer Gründungsgeschichte legte Carina Windau zwei Jahre später noch mal nach: Sie gründete "Mammy Box", eine Überraschungsbox für Schwangere und frisch gebackene Eltern. Auch diese Unternehmensidee entsprang einem konkreten persönlichen Bedarf. "Wenn du das erste Kind bekommst, brauchst du noch viele Kinderprodukte", so Windau. "Beim Zweiten ist das schon anders, dann bekommst du die 13. Rassel und den 15. Body." Ihre Idee: Eine Überraschungsbox mit Verbrauchsgütern, also mit Dingen, die frisch gebackene Eltern wirklich benötigen. Dabei hatte Windau direkt zwei Zielgruppen im Sinn: Die Box sollte einerseits als Geschenk für Eltern dienen, andererseits sollte sie Unternehmen durch Produktplatzierung die Möglichkeit bieten, ohne Streuverluste in ihrer Zielgruppe zu werben. Der angenehme Nebeneffekt: zwei Einnahmequellen.
Auch hier ging Windau wieder so pragmatisch wie enthusiastisch vor. „Ich bin einfach mal gestartet und habe versucht, Unternehmen zu überzeugen, ihre Produkte in der Box zu platzieren." Mit Erfolg. Die ersten Lieferungen von Fläschchen und Co. trafen ein und überstiegen Windaus provisorische Lagerkapazitäten im Untergeschoss ihres Münsteraner Wohnhauses bei Weitem. „Die Lkw-Fahrer haben ganz schön geflucht, wenn ich ihre 16-Tonner in unser enges Wohngebiet gelotst habe."
Wie mit Deckenpost scheint die junge Gründerin auch mit Mammy Box einen Nerv getroffen zu haben: „Die Leute haben sich gefreut, für kleines Geld ein hochwertiges Geschenk zu bekommen. Und die Unternehmen über eine passgenaue Platzierung in ihrer Zielgruppe."
Mittlerweile steht das Unternehmen auf drei Standbeinen: Neben den Geschenkeboxen hat Windau eine Krankenhaus- sowie eine Unternehmensbox entwickelt. „Wir verschenken die Boxen zum einen an Krankenhäuser, die sie wiederum an frisch gebackene Eltern weiter verschenken. Andererseits können Unternehmen ihren Mitarbeitern, die in Elternzeit oder Mutterschutz gehen, eine individuelle Box als Geschenk mitgeben." Dies nutzt unter anderem eines der weltweit größten Modeunternehmen.
Der Zauber des Anfangs
Carina Windau hat sich heute aus dem operativen Geschäft beider Unternehmen zurückgezogen. Bei Deckenpost ist sie Gesellschafterin, den größten Anteil von Mammy Box hat sie verkauft. „Für mich ist es wahnsinnig spannend, ein Unternehmen aufzubauen. Wenns dann läuft, freue ich mich, es guten Gewissens in andere Hände weiterzugeben." Sie habe einfach eine große Schaffenslust. Davon zeugt auch Folgendes: Theoretisch könnte sie von ihren beiden Unternehmen leben. „Aber das würde mich sehr unglücklich machen", sagt Windau. „Mich bereichert die Erfahrung viel mehr, als das Kapital, das ich aus den Unternehmen ziehe." Und, na klar, Windaus nächstes Unternehmen steht schon in den Startlöchern.