„Wir müssen nicht die ganze Fläche behandeln, um den gleichen Bekämpfungserfolg zu erzielen“, erklärt Robin Mink und meint damit das sogenannte Spot-Spraying: Herbizide kommen dabei nur an der Stelle zum Einsatz, wo sie nötig sind. Das spart Kosten für den Landwirt und erfüllt gesellschaftliche und politische Anforderungen an ökologische Nachhaltigkeit.
Damit das auch in der Praxis klappt, hat Mink gemeinsam mit Alexander Linn das Start-up SAM-DIMENSION gegründet. SAM steht für Smart Areal Mapping, was auf Deutsch „clevere Luftbildkartierung“ bedeutet. Entsprechend bietet das Team eine Kameradrohne, die mit künstlicher Intelligenz Unkraut auf dem Feld erkennen und eine passgenaue Applikationskarte bauen kann. Seit Ende 2024 ist die Kamera auf dem Markt.
Spot-Spraying auch im Grünland möglich
Die Technologie namens SAM-CAM AI funktioniert in Getreide, Zuckerrüben, Mais, Raps, Soja, Sonnenblumen, Karotten und Zwiebeln. Vereinfacht gesagt, filmt die Drohne alle Pflanzen auf dem Acker. Sie unterscheidet erwünschte Kulturen und Unkräuter. Die daraus erstellte Applikationskarte kann an die Spritze gesendet werden, so dass diese entsprechend ihrer Teilbreiten- oder Einzeldüsenschaltung Herbizide nur dort ausbringt, wo sich ein Unkraut befindet.
„Allgemein kann die SAM-CAM AI Gräser und Dikotyle unterscheiden. Aber auch artspezifisch kann sie manche Gewächse erkennen, wie zum Beispiel Durchwuchskartoffeln oder Disteln“, so Mink. Nicht nur über den Acker, auch im Grünland fliegt die Drohne. Dort erkennt das System beispielsweise Ampfer und ermöglicht eine selektive Behandlung. Was für Laien einfach klingen mag, gilt als Herausforderung beim Training einer bilderkennenden KI: Die SAM-CAM AI kann nicht nur „grün auf braun“, also Pflanzen auf dem bearbeiteten Ackerboden, sondern auch solche in einem wachsenden Bestand („grün auf grün“) unterscheiden. Einzig einzelne Gräser im Weizen stellen noch eine Herausforderung dar.
Kamera, KI-Chip und Drohne: Die SAM-CAM AI
Herzstück der Lösung ist die SAM-CAM AI, eine Kameraeinheit mit sechs hochauflösenden Sensoren, die auf einer Drohne montiert wird. Die Kamera erreicht eine Auflösung von 1,6 mm pro Pixel und kann damit selbst kleinste Unkräuter identifizieren. Während des Flugs verarbeitet ein NVIDIA KI-Chip die Bilder direkt in 60 m Flughöhe. So identifiziert die Drohne jeden Unkrautkeimling auf jedem Quadratzentimeter des Feldes. Die klassifizierten Zielunkräuter werden mit ihrer Geoposition verknüpft und in eine Applikationskarte übertragen, sodass innerhalb von drei Stunden nach dem Flug eine fertige Karte vorliegt. Landwirte können diese herunterladen und auf das Terminal ihrer Spritze übertragen. Die Leistung soll nach Angaben des Start-ups bereits jetzt elfmal schneller sein als mit einer klassischen Drohne.
„Unser Ziel ist es, diesen Prozess weiter zu beschleunigen“, sagt Mink. In Zukunft soll die Karte in Echtzeit zur Verfügung stehen – eine Entwicklung, die vor allem für wetterabhängige Pflanzenschutzmaßnahmen entscheidend ist.
Technische Voraussetzungen für Landwirte
Im Einsatz läuft das Ganze dann so: Ein Pilot startet die Drohne und schaltet den Autoflug ein. Die Drohne fliegt nach einem vorher erstellten Flugplan ihre Fläche ab und landet eigenständig wieder. „Noch kann man die Karte nicht direkt von der Kamera auf das ISOBUS-Terminal der Spritze laden“, sagt Mink. „Dazwischen liegt die Qualitätssicherung, also ein Austausch dieser vom Chip vorprozessierten Daten mit unseren Servern, wo das Ergebnis erneut kontrolliert wird. Dann wird eine Simulation der Applikation erstellt“, so der Gründer. Durch die Simulation erhält der Betrieb neben der Applikationsfläche eine vollständig berechnete Angabe der Applikationsfläche entsprechend der Teilbreitenschaltung der Spritze. So kann bereits vor dem Einsatz die exakte Menge des benötigten Mittels angemischt werden.
Vor dem Download der Karte wählt der Kunde in einem Onlineportal gegen welche Unkräuter er vorgehen will. Nur die Gräser, nur die Ackerkratzdistel, alle Dikotyle oder alles gemischt? Im nächsten Schritt wählt er das Format der Karte passend für sein Terminal und lädt sie herunter. Das System funktioniert unabhängig vom Landmaschinenhersteller. Jedoch gibt es technische Mindestanforderungen. Für präzises Arbeiten sind ein RTK-GPS-System und eine Teilbreitenschaltung unter 3 m erforderlich. Der Gründer erklärt: „Mit 3 m Teilbreitenschaltung in der Spritze kann ich Disteln im Getreide oder der Rübe behandeln. Auch eine Grünlandfläche mit ganz wenig Ampfer ist möglich. Für mehr Präzision, die zum Beispiel die gezielte Behandlung von dikotylen Unkräutern in Zuckerrüben oder im Getreide erfordert, brauche ich schon eine Einzeldüsen-Schaltung. Noch besser ist ein PWM-System - pulsweiten-modulierte Düsen.“
Zielgruppe: Großbetriebe, Maschinenringe und Lohnunternehmen
Die Mindestfläche für eine Kartierung liegt bei rund 20 ha. Landwirte können mehrere Flächen bei der Flugplanung zusammenlegen, Mink bringt ein Beispiel aus dem Allgäu, wo ein Kunde 150 ha auf 70 Schlägen an einem Tag hat überfliegen lassen. Bis zu 80 ha in der Stunde schafft die 25 kg schwere Drohne – zumindest unter top Bedingungen.
SAM-DIMENSION bietet die SAM-CAM AI seit Ende 2024 für eine Summe im oberen fünfstelligen Bereich zum Kauf an. Der Kauf eines solchen Hochleistungskartierungssystems kommt für Großbetriebe, Maschinengemeinschaften, Lohnunternehmen und Maschinenringe infrage. Diese können die Kartierungsdienstleistung in ihrer Region schneller an den Landwirt bringen und besser betreuen, weshalb sich SAM-DIMENSION selbst immer weiter aus der aktiven Kartierungsdienstleistung zurückzieht. Interessant könne das z. B. als ergänzendes Angebot zu bestehenden Dienstleitungen wie Mähdrusch oder der Maisernte sein, um auch in der Pflanzenschutzsaison Aufträge zu erhalten.
Die Preise für den Endkunden
Die Kosten für Landwirte liegen zwischen 15 und 35 €/ ha. Sie hängen vom Preismodell des Anbieters und dem Einsparpotenzial in der jeweiligen Kultur ab. Weil die Pflanzenschutzmittel beispielsweise in der Zuckerrübe hochpreisiger sind, liegt die Kartierung bei 25 € aufwärts. Bei vielen Aufträgen in einer teuren Kultur soll sich die Kamera im Kaufmodell nach ca. 2.600 ha amortisieren. In Zuckerrüben können 70 bis 95 % der Fläche unbehandelt bleiben – das senkt die Kosten pro Hektar inklusive des Überfluges und der Erstellung der Karten im Schnitt um über 20 €/ha. Das andere Extrem bildet der Weizen ab. Weil die Mittel dort sehr viel günstiger sind, lohne sich Spot-Spray kaum, so Mink. Als Anbieter könne man hier selten mehr als 15 €/ ha verlangen, weshalb die Kartierungsgeschwindigkeit der Drohne eine entscheidende Rolle spiele.
Zukünftige Entwicklungen: Potenzial von Agrardaten
Das 2020 gegründete Unternehmen aus Stuttgart hat sich mit seiner Technologie einen Namen gemacht. Seit der Listung bei der BayWa, aber auch durch die nach eigenen Angaben gute Kooperation mit den Spritzenherstellern steigt die Nachfrage rasant. „Der Innovationspreis Moderne Landwirtschaft hat uns einen zusätzlichen Schub gegeben“, berichtet Mink.
Für 2025 plant das Unternehmen, seine Drohnen-Kartierung mit einer direkten Anbindung an die digitalen Maschinenplattformen weiterzuentwickeln. Auch die Agrardaten werden künftig noch eine größere Rolle spielen: „Wir könnten z.B. eine zusätzliche Auflaufbonitur und Biomasseinformation mitliefern“, so Mink. „Nach jedem Flug haben wir pro ha mehrere Gigabyte Daten produziert, in denen weiteres Potential zur Anbauoptimierung liegt.“