Die Futter- und Lebensmittelbranche steht vor einer Flut neuer Eiweißquellen, sogenannter alternativer Proteine. In der Schweine- und Rinderfütterung zum Beispiel ersetzen vermehrt Süßlupinen importiertes Soja. In der menschlichen Ernährung findet man pilzbasierte Schnitzel, Laborfleisch aus Zellkulturen oder Kekse mit Insektenmehl.
Damit einher gehen neue potenzielle Gesundheitsrisiken für Verbraucher und Nutztiere. Welche das sein können, wie sie erkannt und wissenschaftlich bewertet werden können, erklärten Experten des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kürzlich in einem Pressegespräch.
Aus Verbrauchersicht ersetzen oder ergänzen alternative Proteine die traditionellen Proteinquellen Eier, Fleisch, Joghurt oder Käse. Das kann verschiedene Hintergründe haben, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Gesundheit oder ethische Gründe.
Keine neuen Risiken durch alternative Proteinquellen
Besonders mit dem Aspekt Gesundheit beschäftigt sich Prof. Dr. Bernd Schäfer von der Fachgruppe Lebensmitteltoxikologie. Er fasste im Pressegespräch zusammen: „Die gesundheitlichen Risiken sind erst einmal keine anderen, als bei den traditionellen Lebensmitteln.“ Das heißt: Es sind bislang keine neuen Gefahren hinzugekommen.
Allergiker sollten bei Insektenprotein aufpassen
Bei Insekten wirft das BfR allerdings einen besonderen Blick auf die Allergene. Menschen, die gegen Hausstaubmilben, Krebstiere oder Weichtiere allergisch sind, sollten hier besonders vorsichtig sein. Denn der Verzehr von Insektenprotein kann eine allergische Kreuzreaktion auslösen, da sie sich in der Struktur sehr ähneln.
In der EU sind aktuell vier Insektenarten in Lebensmitteln zugelassen. Das sind:
Gelber/Großer Mehlwurm/ Mehlkäfer-Larven (Tenebrio molitor)
Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria)
Hausgrille/Heimchen (Acheta domesticus)
Kleiner Mehlwurm/Getreideschimmelkäfer-Larven
Risiken in der Nutztierfütterung
Das BfR schreibt in einer Pressemeldung weiterhin: „Zudem können auch neue Allergien auftreten und ein möglicher „Carry-Over“-Effekt entstehen. Das heißt, dass potenziell allergene Proteine durch Futtermittel in tierische Produkte gelangen und dadurch Allergien bei Menschen auslösen, die diese verzehren.“ In der Futtermittelindustrie sind aktuell acht Insektenarten im Einsatz. Dort landen sie im Trog von Schweinen und Geflügel.
Der Transfer von Stoffen aus dem Tierfutter in Lebensmittel kann zudem bei der Fütterung von Lupinen auftreten. Rückstände der Bitterstoffe fanden sich beispielsweise in der Milch von Kühen. Neben der Gesundheit für die Verbraucher, beschäftigt sich Dr. Robert Pieper von der Fachgruppe für Futtermittel und Futtermittelzusatzstoffe mit den Risiken für die Nutztiere selbst. Im Pressegespräch war ihm wichtig zu betonen, dass die alternativen Proteinquellen zudem verfügbar und finanziell leistbar sein müssen, um in der Landwirtschaft Anklang zu finden.
Weitere bekannte Risiken: Toxine, Bakterien, Viren
Das BfR teilt weiterhin mit: „Einige neue Proteinquellen könnten Toxine enthalten, die noch nicht ausreichend erforscht oder bekannt sind. Dies gilt besonders für exotische Pflanzen oder neu entdeckte Mikroorganismen.“ Wichtig ist hierbei: Auf den Markt darf ein Lebensmittel erst kommen, wenn alle Sicherheitsbedenken ausgeräumt wurden. Daher bestehe laut der Expertenrunde des BfR keine Gefahr.
Getrocknete Algen können zum Beispiel das Spurenelement Jod in toxischen Mengen enthalten. Neben Toxinen könnten die neuen Eiweißquellen mit gesundheitsschädlichen Stoffen kontaminiert sein. Darüber hinaus sind Risiken durch Bakterien oder Viren möglich, wenn z. B. Hygienemängel oder falsche Temperaturen bei der Lebensmittelkette auftreten. Neue Krankheitserreger, die mit alternativen Proteinquellen assoziiert sind, seien dem BfR nicht bekannt.
Was sind alternative Proteine und zu was sind sie überhaupt eine Alternative?
Die EU Basisverordnung regelt grundsätzlich den Markt der traditionellen Lebensmittel. Neuartige Lebensmittel hingegen, zu denen auch alternativen Proteinquellen gehören, sind per Definition solche, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU verzehrt wurden. Vor der Zulassung durchlaufen sie eine Risikobewertung bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Sie werden durch die sogenannte „Novel Food“-Verordnung geregelt.
Das sind alternative Proteinquellen:
Pflanzliche Eiweißquellen wie Süßlupinen oder Nutzhanf
Pilze bzw. Mykoproteine und Bierhefe
Makroalgen, z. B. Seetang, und Mikroalgen
Insekten
Zellkulturbasierte Fleischersatzbestandteile, auch Laborfleisch oder in-vitro Fleisch genannt – solche sind in der EU noch nicht zugelassen.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Die Bewertung der Lebensmittelsicherheit ist die Kernkompetenz des BfR. Dazu berät es die Bundesregierung und die Bundesländer. Ein Ziel ist es, die sichere Verfügbarkeit neuartiger Lebensmittel für eine wachsende Weltbevölkerung zu gewährleisten.