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Beef on Dairy: Gewinn für Kuh und Kalb

Milcherzeuger setzen Fleischrinder-Sperma ein, um Kreuzungskälber für die Mast zu produzieren. Zum Großteil ist das die Rasse Weißblaue Belgier. Rechnet sich der Einsatz und gibts Alternativen?

Lesezeit: 7 Minuten

Schnell gelesen

  • Kühe, deren Nachzucht Milchkuhhalter nicht für die eigene Herde benötigen, werden oft mit Fleischrassen belegt.

  • Je nach Rasse steigt der Kälbererlös. Jedoch wächst oftmals auch das Risiko für schwerere Geburten.

  • Es gibt wenig belastbare Daten, wie die Geburt von Kreuzungskälbern auf Leistung und Gesundheit der Kuh wirkt.

Schwere Kälber, die bei der Geburt Probleme bereiten können, weniger Milch zum Laktationsstart und frühzeitige Abgänge: Würden Sie als Milchkuhhalter einen Bullen einsetzen, der diese Merkmale mit sich bringt? Vermutlich nicht.

Und trotzdem: Rund 61 % aller eingesetzten Fleischrassen fielen 2023 auf Weißblaue Belgier (WBB). Das zeigt eine Auswertung der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung in Übersicht 1. Mit großem Abstand folgen Fleckvieh und Inra95. Die WBB locken vor allem mit hohen Kälbererlösen von aktuell rund 7 €/kg bei 80 kg Lebendgewicht und sind damit rund 300 € teurer als vier Wochen alte Holsteinbullen.

Die enorme Fleischleistung haben WBB unter anderem dem Myostatin- bzw. Doppellender-Gen zu verdanken. Erste Länder wie Norwegen verbieten ab 2029 jedoch den Einsatz von Tieren, die dieses Gen tragen, um die Reinzucht der schwerkalbenden Rasse nicht weiter zu fördern. Auch in Deutschland ist dieser Trend nicht unwahrscheinlich. Erste Landwirte berichten, dass einzelne Tierwohlprogramme den Einsatz von Weißblauen Belgiern ausschließen.

Studien zeigen immer wieder, welche Folgen die hohen Geburtsgewichte der Tiere für die Kuh haben. Stefan Borchardt von der Uni Berlin macht deutlich: „Der Einsatz von weiblich gesextem Sperma bei Erstkalbinnen ist gelebter Tierschutz. Ihr Becken ist noch deutlich schmaler als das von älteren Kühen.“ Wie wirtschaftlich sind also Weißblaue Belgier bei Beef on Dairy-Anpaarungen bei älteren Kühen tatsächlich und welche alternativen Rassen gibt es?

150 kg weniger Milch in 305 Tagen

Wie sich die belgische Rasse im Vergleich zu anderen Fleischvererbern verhält, zeigt eine Auswertung der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei (LFA) aus Mecklenburg-Vorpommern. Ein Team hat Daten von 114 Holsteinbetrieben aus dem Testherdenprogramm der Rinderallianz gesammelt und z. B. die 305-Tageleistung, die Abgangsrate der Kühe und den ­Anteil Lebendgeburten ausgewertet. In die Betrachtung sind Kreuzungen mit Weißblauen Belgiern, Angus und Uckermärkern im Vergleich zu reinrassigen Holsteins eingeflossen.

Die Ergebnisse in Übersicht 2 zeigen: Bekommt eine Kuh ein reinrassiges Holsteinkalb, ist die 305-Tageleistung mit 10.970 kg im Durchschnitt am höchsten. Die Abgänge sind mit 7,4 % verhältnismäßig gering. Anders ist das bei Intensivmastrassen, wie z. B. den Weißblauen Belgiern. Die Milchleistung liegt ca. 150 kg unter dem Niveau von Holsteingeburten und die Abgänge sind mit 13,5 % fast doppelt so hoch.

Kü­he, die Uckermärker- und Anguskreuzungskälber geboren haben, erreichen nur wenig geringere Milchleistungen als bei reinrassigen Geburten, dafür unterscheiden sich die Abgangsraten: Während Kühe, die mit Uckermärker besamt wurden, mit 17 % den schlechtesten Abgangswert haben, gehen nur 6,1 % der mit Angus besamten Kühe ab.

Angus rechnet sich

Für die Wirtschaftlichkeit ist nicht nur der Kälbererlös relevant, sondern auch die Milchleistung und der Remontierungsbedarf. Wie schneiden die Rassekreuzungen im Vergleich ab? Übersicht 3 zeigt, dass die höhere Milch­leistung und der geringere Bedarf für die Remontierung bei reinrassigen Holsteins die besseren Kälbererlöse von Kreuzungstieren ausgleichen.

Die Werte geben das Saldo in €/Kuh an. Dabei haben Angus mit 3.804 € die Nase vorn. „Anguskreuzungskälber erzielen bessere Preise als Holsteinbullen. Die Kälbererlöse sind höher als die von reinrassigen Holsteins und dennoch sind sie beim Geburtsverlauf vergleichbar mit reinrassigen Tieren“, sagt Dr. Ariane Boldt von der LFA, die die Auswertung betreut hat. Letztlich liegen zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert weniger als 100 €/Kuh.

Milchkuhhalter sollten bei der Wahl der Rasse zuerst nach dem Wohl der Kuh schauen.“
Dr. Ariane Boldt

„Es ist nicht nötig, eine Intensivmastrasse einzusetzen, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Betrachtet man alle Kosten, schneidet die Kombi aus Milchleistung der Kuh und Kälbererlös bei Holstein- und Anguskälbern ähnlich gut oder sogar besser ab“, erklärt Ariane Boldt und weiter: „Milchkuhhalter sollten bei der Wahl der Rasse zuerst nach dem Wohl der Kuh schauen.“

Drei Rassen gleichzeitig

Wer sich dennoch nicht entscheiden kann, für den gibt es seit knapp drei Jahren die Möglichkeit, nicht nur auf eine Rasse bei der Besamung zu setzten. Unter anderem hat die Rinder-Union West (RUW) einen Rassemix entwickelt, bei dem Sperma von drei Fleischrassebullen gleichzeitig in einer Portion versamt wird.

„Es gibt das biologische Phänomen, dass die Besamung plötzlich funktioniert, wenn man die Rasse wechselt. Diesen Effekt soll das sogenannte Fermax-Sperma verstärken“, sagt Dr. Ulrich Janowitz, Stationstierarzt bei der RUW. Das Prinzip ähnelt dem Heterosiseffekt, da die Spermasorten in Konkurrenz treten. Laut einer schweizer Auswertung soll die Befruchtungsrate des Rassemix um 5 % steigen. Es eigne sich daher insbesondere für Nachbesamungen und Problemkühe.

Weißblaue Belgier befinden sich aktuell nicht in der Portion, dafür Limousin, Piemonteser und Blonde d’Aquitaine oder Angus, Limousin und Speckle Park. „Damit ein Bulle in den Mix kommt, muss sein Kalbeverlauf geprüft und die Befruchtung überdurchschnittlich sein. Das schließt die Weißblauen Belgier meist aus“, erklärt Janowitz. Zudem setzt die RUW auf reinerbige Hornlosgenetik bei diesen Spermaportionen. Für die Dateneingabe bei der Besamung gibt es eine Erkennungsnummer, die der Herdbuchnummer gleicht.

Das, was das Kalb mehr bringt, verliert die Kuh.“
Dr. Ulrich Janowitz

Welches Sperma sich letztlich durchsetzt, lässt sich nur schwer überprüfen. „Manchmal erkennt man die Tiere anhand der Zeichnung, aber nicht immer“, so der Tierarzt, der eine klare Meinung zur belgischen Rasse hat: „Ich frage mich, warum Landwirte so stark Weißblaue Belgier einsetzen. Sie befruchten im Mittel schlechter als andere Rassen und dennoch bemängelt das kaum jemand. Auch der Kalbeverlauf bzw. die Geburtsgewichte belasten das Muttertier stärker. Das, was das Kalb mehr bringt, verliere ich bei der Kuh.“

Mäster sind skeptisch

Während Milcherzeugerinnen und -erzeuger sich vermehrt nach anderen Kreuzungsrassen umsehen, zeigt sich bei Mästern ein anderes Bild: „Weißblaue Belgier sind noch immer das Mittel der Wahl und genießen große Akzeptanz bei den Fresseraufzüchtern und Mästern“, so der Eindruck von Dr. Holger Mathiak von der Raiffeisen-Vieh-Zentrale aus Rietlingen (Baden-Württemberg). Zumindest dann, wenn keine reinrassigen Fleckviehkälber verfügbar sind. „Aktuell sind Kälber knapp – egal von welcher Rasse“, stellt der Kälberhändler fest. Fleckvieh-Mäster würden aktuell auf Kreuzungstiere ausweichen, um ihre Ställe auszulasten. Kreuzungen aus Holstein x WBB schätzt er in der Mast durchaus als konkurrenzfähig zu reinrassigen Fleckviehkälbern ein, die durch ihr Mehr an Rahmen und Mastendgewicht Sicherheit bieten.

Speckle Park

Eine in Deutschland noch wenig verbreitete Rasse ist Speckle Park. Sie stammt ursprünglich aus Kanada und ist reinerbig hornlos. Die Tiere besitzen eine gute Anpassungsfähigkeit und bringen vitale Kälber mit hohen Zunahmen zur Welt. Ihr Fleisch soll feinfaserig, zart und gut marmoriert sein. „Die Geburten verlaufen ähnlich leicht wie beim Einsatz von Angus. Auch die Fleischqualität ähnelt dieser Rasse“, sagt Heiko Grob vom Zuchtverband Qnetics. Daraus ergibt sich möglicherweise eine Einschränkung in der Praxis: „Einigen Mästern sind die Speckle Park-Kreuzungen zu kompakt und mittelrahmig“, so Grob.

Bislang ist die Zahl der geborenen F1-Tiere noch zu klein, um belastbare Ergebnisse zu liefern. Dennoch finden Bullen ­bereits in der Besamung und im Regio Rind-Projekt Berücksich­tigung.

Dass Mäster sich einheitliche Gruppen beim Ein- und Ausstallen wünschen, weiß auch Lukas Nüßing, Kälbervermarkter bei Westfleisch: „Kälber von Weißblauen Belgiern bleiben homogen während der Aufzucht- und Mastperiode.“ Doch auch Inra95-Kreuzungen sind gefragt, da sie ähnlich hohe Tageszunahmen wie WBB erreichen. Holsteinbullen hingegen landen in der Regel in der Kälbermast, Anguskreuzungen entweder in der Kälbermast oder in regulären Mastställen. „Anguskälber bleiben zu klein und streuen zu viel, deshalb sind sie bei Bullenmästern eher nicht gefragt“, ergänzt Mathiak.

Wertschöpfung für alle

Es braucht also Kälber, die leichte Geburten und holsteinähnliche Gewichte mitbringen, sich andererseits aber auch als frohwüchsig und mastfähig ent­puppen mit guter Fleischqualität und ausgeprägten Edelteilen. Ein regionales Projekt, das alternative Fleischrassen für die gesamte Wertschöpfungskette aufzeigen soll, ist ‚Regio Rind‘ – initiiert von der FH Südwestfalen, Westfleisch, der RUW, zwei Milcherzeugern und dem Förderverein Bioökonomieforschung. Bei 270 Anpaarungen wollen sie die Rassen Blonde d’Aquitaine, Limousin und Speckle Park männlich gesext bewerten. Besamungsstart soll im Februar sein.

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