Immer wieder fiebrige, kranke und auch tote Tiere, Aborte, Fruchtbarkeitsprobleme, Lahmheiten, Milchleistungsverlust und eine arbeitswirtschaftliche sowie emotionale Belastung: So erging es vielen Rinderhaltern 2024, als die Blauzungenkrankheit von West nach Ost durch Deutschland zog.
Anfang letzten Jahres war die Hoffnung noch groß, dass das Blauzungenvirus Serotyp 3 (BTV3) bei Rindern nur für schwache Symptome sorgt.
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Blauzunge sorgte im letzten Jahr mit dem Serotyp 3 (BTV3) für massive Gesundheitsprobleme in Rinderherden.
Lebensschwache Kälber treten aktuell vermehrt auf und es wird vermutet, dass dies eine weitere Nachwirkung der Viruserkrankung des Muttertiers sein könnte.
Die Impfung ist der einzige wirksame Schutz gegen BTV3, wenn die Immunisierung vollständig abgeschlossen ist.
Die Zeit drängt, denn die Grundimmunisierung benötigt mindestens sechs Wochen und sollte spätestens im Mai (vor Beginn der Gnitzen-Aktivität) abgeschlossen sein.
Blauzunge und seine Folgen
Doch das sollte sich nicht bestätigen, als im Juli und August die Fallzahlen in die Höhe schnellten. Die Symptome fielen verschieden stark aus. Blauzunge wirkt wie ein Brennglas, berichten Tierärzte: Es verstärkt Schwachstellen der Tiergesundheit. Eine noch unveröffentlichte Studie des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) unterstreicht dies: Ab Juli stieg die Mortalitätsrate von Rindern laut HIT-Daten deutlich an, vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
In den kühlen Monaten hat sich die Ausbreitung des Virus verlangsamt, doch die Folgen dauern an. Darüber hinaus berichten Milch- und Mutterkuhhalter aktuell von lebensschwachen Kälbern. Die Vermutung ist, dass die Infektion des Muttertiers Auswirkungen hat.
Virus kommt zurück
Parallel dazu wirft die kommende Saison ihre Schatten voraus. Prof. Carola Sauter-Louis vom Institut für Epidemiologie des FLI erklärt: „Es ist davon auszugehen, dass sich die Krankheit auch dieses Jahr stark ausbreitet, weil das Virus z. B. in Eiern der Vektoren und möglicherweise in noch immer infizierten Tieren überwintern kann und gleichzeitig die Impfabdeckung relativ gering ist.“
So waren im Oktober 2024 laut HIT-Daten in Deutschland 1,1 Mio. Rinder auf 9.095 Betrieben geimpft – bei einem Rinderbestand von rund 10 Mio. Tieren. Gründe für die Zurückhaltung waren u. a. Unsicherheiten zu den Impfstoffen und der Impfung in bereits infizierten Herden.
Nur Impfung schützt
Wie lange der Schutz nach einer Infektion bzw. nach einer Impfung anhält, ist noch nicht geklärt. Sicher ist, dass sich das Virus ca. 100 Tage lang im Blut von Rindern nachweisen lässt und so lange aktiv ist. Forscher betonen, dass eine natürliche Infektion keinen sicheren Schutz bietet. Auswertungen aus den Niederlanden zeigen, dass nur ca. 50 bis 60 % der Tiere einer Herde nach einer Infektion mit dem Feldvirus schützende Antikörper aufweisen.
Nur 50 bis 60 % der Tiere sind nach einer natürlichen Infektion der Herde gegen BTV3 immun."
Welche Vorteile die Impfung hat, zeigen beispielhaft die Auswertungen von Dr. Tobias Grottendieck von der Tierarztpraxis Bramsche in Niedersachsen (s. Übersicht): Beide Betriebe liegen im südwestlichen Niedersachsen, sind ähnlich strukturiert und waren von BTV3 betroffen. Der erste Betrieb hatte im Juni und Juli geimpft und stellte kaum Symptome fest. Der zweite Betrieb impfte nicht. Die Folgen: Die Wiederkauzeiten sanken im Schnitt um 50 min/Tag, die Zahl der Melkungen reduzierte sich von 2,7 auf 2,4 und die Milchleistung ging um ca. 9 l/Tier und Tag zurück.
Tierarzt Tobias Grottendieck betont: „Die einzige wirksame vorbeugende Maßnahme gegen die Blauzungenkrankheit ist die Impfung.“ Derzeit stehen dafür drei Impfstoffe zur Verfügung, die noch nicht offiziell zugelassen sind, deren Einsatz aber weiterhin offiziell gestattet ist.
Das Ziel der BTV3-Impfung sollte ein vollständiger Schutz bis Mai und damit vor dem Weidestart bzw. vor der zunehmenden Aktivität der Gnitzen sein, die das Virus übertragen. „Für eine Grundimmunisierung sind zwei Impfungen mit einem Zeitabstand von drei bis vier Wochen nötig. Erst ca. drei Wochen nach der zweiten Impfung haben die Tiere eine belastbare Immunität“, so der Tierarzt.
Impfempfehlungen für 2025
Das genaue Impfvorgehen sollte immer auch mit dem Hoftierarzt besprochen und geplant werden. Laut Impfstoff-Hersteller gilt:
Tiere, die 2024 doppelt geimpft und damit die „Grundimmunisierung“ bekommen haben, sollten im Frühjahr (März/April) eine erneute, einmalige Booster-Impfung erhalten. Die Hersteller gehen davon aus, dass die Immunität ca. zwölf Monate anhält. Danach ist ein sog. Booster nötig, der das Immunsystem aktiviert. Um auf Nummer sicher zu gehen und um das Impfen im Sommer bei Hitzestress zu vermeiden, ist der Booster am Jahresanfang sinnvoll.
Wenn einzelne Tiere einer Herde, wie z. B. das Jungvieh, noch nicht geimpft wurde, sollten diese bald möglich eine Grundimmunisierung (zwei Impfungen mit Zeitabstand) erhalten: Impfbeginn ab Januar/Februar.
Gleiches gilt für Rinderherden, die noch nicht geimpft, aber nachweislich oder möglicherweise an Blauzunge erkrankt waren: Weil nie alle Tiere einer Herde mit dem Virus in Kontakt kommen, widerspricht dies dem Grundsatz der Herdenimmunität. Einen sicheren Schutz bietet nur die zweifache Impfung bzw. Grundimmunisierung.
Was noch beachten?
Als Mindestalter für das Impfen von Kälbern machen die Impfstoffanbieter verschiedene Angaben: Während Boehringer die Impfung ab einem Alter von einem Monat empfiehlt, sind es bei Ceva zwei Monate und bei Virbac zwei bzw. drei Monate, wenn das Muttertier immunisiert war.
Grundsätzlich sollten nur gesunde Tiere mit gutem Allgemeinzustand geimpft werden. Gerade die Impfung von tragenden Rindern scheuen viele Landwirte. Tobias Grottendieck meint: „Gesunde Tiere können unabhängig von ihrem Trächtigkeitsstadium geimpft werden. Negative Auswirkungen auf die Konzeption und den Besamungserfolg wurden uns bisher nicht zugetragen.“
Der Tierarzt betont, dass die Verträglichkeit der Impfung gut ist: „Wir hatten sehr wenig lokale Impfreaktionen (Abszesse, Schwellungen) und sehr wenig systemische Impfreaktionen (Fieber, Fressunlust etc.).“
Gesunde Tiere können unabhängig von ihrem Trächtigkeitsstadium geimpft werden."
Vor allem im Süden Deutschlands sowie der Schweiz und Österreich sind neben BTV3 auch die Serotypen 4 und 8 verbreitet. Für diese ist ein Kombiimpfstoff verfügbar. Hier empfiehlt die StIKo Vet ebenfalls eine Impfung, um die weitere Ausbreitung dieser Blauzungenvarianten zu begrenzen.
Darüber hinaus trat im Oktober 2024 erstmals der Serotyp 12 in den Niederlanden auf. Dazu erklärt Carola Sauter-Louis: „Für Tiere, die gegen BTV3 immun sind, besteht kein Schutz. Doch BTV12 scheint sich weniger schnell zu verbreiten. Die Bedrohung schätzen wir weniger groß ein.“