Unser Autor: Friedrich Arends, Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Eine Rieseninvestition – und nur noch 21 Monate Zeit, um sie umzusetzen. Eine Abluftreinigungsanlage (ARA) ist für große Schweineanlagen mit mehr als 2.000 Mastplätzen verpflichtend, die dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und der Industrie-Emissionsrichtlinie unterliegen. Das gilt für Neuanlagen seit gut drei Jahren. Bestandsanlagen sind ab Dezember 2026 dazu verpflichtet.
Die Abluftreinigung stellt nach Auffassung des Gesetz- und Vorschriftengebers den Stand der Technik in der Schweine- und Geflügelhaltung dar, um Ammoniakemissionen aus zwangsbelüfteten Stallanlagen zu verringern. Was viele Betroffene nicht wissen: Die Frist zum 30.11.2026 gilt nicht für den Baubeginn, sondern für die Inbetriebnahme der ARA.
Schnell gelesen
Bis zum 30.11.2026 müssen große BImSch-Bestandsanlagen eine Abluftreinigungsanlage nachrüsten und in Betrieb nehmen.
Die Abluftreinigungsanlage muss eignungsgeprüft sein und die Ammoniakemission um 70 % reduzieren.
Die Nachrüstpflicht gilt nur, wenn die Installation der Abluftreinigungsanlage verhältnismäßig ist.
Zentrale Abluftführung spricht dafür, dass die Verhältnismäßigkeit gegeben ist.
Ist die Verhältnismäßigkeit nicht erfüllt, müssen die Ammoniakemissionen um 40 % gemindert werden.
Mit Hilfe der Abluftreinigung sollen die Minderungsziele der EU auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Bei großen genehmigungsbedürftigen Anlagen sollen so mindestens 70 % der NH3-Emissionen gemindert werden.
Bei Bestandsanlagen unterliegt die Nachrüstungsverpflichtung explizit dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Damit kann sie nicht um jeden Preis eingefordert werden. Die Rahmenbedingungen des schweinehaltenden Betriebes spielen dabei eine entscheidende Rolle. Insbesondere technische Aspekte fallen ins Gewicht.
Um die Verhältnismäßigkeit zu beurteilen, gibt es keine fertige Vorlage. Weder auf Seiten der Genehmigungsbehörden noch bei den Anlagenbetreibern liegen bewährte Prozeduren vor, wie diese Aufgabe im Einzelnen zu bewältigen ist. Und das, obwohl bei Umsetzung der Filtererlasse auf Länderebene bereits genug Erfahrungen gesammelt werden konnten. Der in Übersicht 1 skizzierte Weg stellt daher keine umfassende „Blaupause“ dar, sondern kann nur als roter Faden dienen. Die Entscheidungskaskade setzt an vier Punkten an:
Größe der einzelnen Ställe,
Alternative Außenklimastall,
Abluftführung und Statik,
Nachrüstkosten
Im Einzelfall aber gilt: Wenn sich Anlagenbetreiber und Genehmigungsbehörden nicht einig werden, können nur Gerichte Klarheit bringen.
Eine Anlage, viele Ställe
Betriebswirtschaftlich macht es einen großen Unterschied, ob die Abluftreinigung an einen bestehenden Stall angeschlossen wird oder an einen Neubau. Bei kleineren Stallanlagen macht die Nachrüstung einer Abluftreinigung mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit keinen Sinn, wie das Umweltbundesamt in einer Arbeit festgestellt hat. Daher ist die Größe der einzelnen Bestandsställe einer BImSch-Anlage von Bedeutung.
Grundsätzlich kommen Einzelställe mit weniger als 1.500 Mastplätzen wegen der hohen Investitions- und Betriebskosten einer ARA nicht in den Bereich der Wirtschaftlichkeit. Gleiches gilt für Einzelställe bis 560 Sauen- oder 4.500 Ferkelaufzuchtplätze. Das gilt aufgrund der Baukostenentwicklung bei durchschnittlich erfolgreichen Betrieben für Neubauten. Eine Nachrüstung bei Bestandsställen unterhalb dieser Größe ist von vornherein unwirtschaftlich und unverhältnismäßig.
Alternative Außenklima?
Lohnt es sich für Mastbetriebe angesichts der Nachrüstpflicht überhaupt, über eine Investition in ein zwangsbelüftetes Stallsystem nachdenken? Die Alternative ist ein sogenanntes qualitätsgesichertes, nachweislich dem Tierwohl dienendes Haltungsverfahren. Solch ein Frischluftstall ist nicht zur Nachrüstung einer ARA geeignet. In diesem Fall reicht eine Emissionsminderung um 33 %, wie Übersicht 2 zeigt.
Diese Frischluftställe müssen als qualitätsgesichertes Verfahren anerkannt sein. Dazu hat die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) detaillierte Vorgaben gemacht, die wir in einer späteren Folge erläutern. Zudem ist ein Umbau nur möglich, wenn die Schutzvorschriften der TA Luft erfüllt sind und die Immissionsbehörden zustimmen.
Abluft: zentral oder einzeln?
Die Lüftungstechnik des Bestandsstalles ist das nächste Kriterium. Eine vorhandene zentrale Abluftführung ist eine gute Voraussetzung für eine ARA.
Bei einer dezentralen Lüftungsanlage muss die Abluft zusammengefasst werden, bevor sie der ARA zugeführt wird. Der Einbau eines zentralen Abluftkanals ist jedoch nicht möglich, wenn die Dachkonstruktion dies konstruktiv oder statisch nicht zulässt. Gleiches gilt, wenn die Statik des Stalls nicht auf das Gewicht einer ARA ausgelegt ist.
Einbaukosten zu hoch?
Bestehende Ställe müssen nachträglich an den Anbau einer ARA angepasst werden. Zwar sind die Investitionskosten der eigentlichen ARA nicht relevant, um die Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Berücksichtigung finden aber die Zusatzkosten, die durch den nachträglichen Einbau entstehen. Das hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht festgelegt bei Umsetzung des Niedersächsischen Filtererlasses (OVG Lüneburg; AZ.: 12 LB 113/19).
Die Nachrüstkosten steigen, wenn die Dachkonstruktion verändert werden muss. Oder wenn vorhandene Lüfter durch neue, druckstabile Ventilatoren ersetzt werden müssen. Hinzu kommen indirekte Kosten wie der Produktionsausfall während der Bauphase. In dieselbe Kategorie gehört der Erlösausfall, wenn die PV-Anlage im Zuge der Nachrüstung ganz oder teilweise deinstalliert werden muss, sowie der Aufwand für den Ab- und Aufbau.
Bei einigen Genehmigungsbehörden in Niedersachsen hat sich aktuell ein Wert von 20 % der Investitionskosten der ARA etabliert. Wird diese Schwelle überschritten, werden die Zusatzkosten und damit die Nachrüstung einer ARA als unverhältnismäßig beurteilt. Dieser Wert lehnt sich an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt an (Az.: 2 L 246/09, Beschluss vom 16.12.2010) und wird auf die Nachrüstung nach TA Luft übertragen.
Den Anteil der Installation muss der Betrieb durch Kostenvoranschläge nachweisen: Zum einen von Abluftreinigungsfirmen für die Kosten einer eignungsgeprüften ARA, zum anderen von Bauunternehmen und Lüftungsfirmen für die erforderlichen Umbaumaßnahmen. Aktuell erarbeiten Sachverständige und Beratungsorganisationen Hilfestellungen zu diesen Kostenpositionen.
Minimum 40 % Minderung
Wenn die Nachrüstung einer ARA unverhältnismäßig ist, müssen Ställe in großen genehmigungsbedürftigen Anlagen Geruchs- und Staubemissionen nicht mindern. Doch hat die Verpflichtung zur Ammoniakminderung weiterhin Bestand. Aber sie sinkt auf ein Niveau von 40 % gegenüber dem Referenzwert aus Übersicht 2. Dies soll durch Maßnahmen nach Anhang 11 der TA Luft erreicht werden, die wir im nächsten Teil der Serie vorstellen. Jedoch endet die Frist, um die 40%ige Ammoniakreduktion umzusetzen, ebenfalls am 30.11.2026.
Lesetipp
Ein gute Orientierung zu dieser Problematik gibt der „Leitfaden zur Umsetzung der Anforderungen der TA Luft zur Altanlagensanierung – Nr. 5.4.7.1 Buchstabe h) Abluftreinigung“. Er enthält eine umfangreiche Checkliste zur technischen Umsetzbarkeit und Verhältnismäßigkeit. Der Leitfaden kann auf der Internetseite des Kuratoriums für Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) kostenlos heruntergeladen werden.