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ASP: Darum bekommt ein Mäster keinen Cent für seine Schweine

Die Afrikanische Schweinepest stellt die Ferkelerzeuger und Mäster in den Restriktionszonen vor erhebliche Tierschutz- und Vermarktungsprobleme. Viele bangen um ihre Existenz.

Lesezeit: 5 Minuten

"Jede Woche erreichen bei uns rund 80 Schweine die Schlachtreife. Die schwersten wiegen bereits 170 kg. Langsam wird es eng“, schildert Mäster Hartwig Jourdan aus dem südhessischen Wixhausen die Situation in seinem Stall. Der 57-Jährige bewirtschaftet am Stadtrand von Pfungstadt gemeinsam mit Markus Seeger einen Maststall mit 1.700 Plätzen.

Tiere sind nichts mehr wert

Ausgelöst durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in einem Mastbetrieb in Stockstadt, Luftlinie nur sieben Kilometer von Jourdans Stall entfernt, liegt der Betrieb seit Mitte Juli in der Sperrzone III, wo verschärfte ASP-Restriktionen und längere Quarantänezeiten gelten. Zuvor gehörte das Gebiet seit Mitte Juni zur Sperrzone II.

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Seitdem ist es Jourdan per Allge­meinverfügung untersagt, Tiere zum Schlachthof zu bringen. Die Situation spitzt sich immer weiter zu. Normalerweise liefert Jourdan seine Schweine an ein mittelständisches Schlachtunter­nehmen in Schwalmstadt. Von dort geht das Fleisch hauptsächlich an Edeka, Rewe und regionale Metzger. Seit Mitte Juni geht das jedoch nicht mehr. Schweine aus der ASP-Sperrzone II oder III dürfen nur noch mit Ausnahmegenehmigung verbracht und in speziell dafür benannten Schlachthöfen geschlachtet werden.

Das Interesse der Schlachtunternehmen an Schweinen aus ASP-Restriktionszonen ist jedoch gering. Dem Mittelstand fehlen die Kapazitäten für die getrennte Erfassung und Lagerung der Schlachthälften. Und die Großen bangen um ihre Export­lizenzen. Vor allem aber fürchten sie, auf dem Fleisch sitzen zu bleiben. Denn der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) weigert sich, das Fleisch abzunehmen.

Durch Vermittlung des Hessischen Bauernverbandes gelang es schließlich, Tönnies als Abnehmer zu gewinnen. Im schleswig-holsteinischen Schlachthof Kellinghusen, rund 600 km von Pfungstadt entfernt, sollen die Tiere an den Haken gehen. Hier wurden in der Vergangenheit bereits Schweine aus Restriktionszonen im Osten geschlachtet.

Am Telefon stellte der Einkaufsleiter von Tönnies allerdings klar, dass man die Tiere zwar abnehmen, aufgrund der nicht vorhandenen Nachfrage des LEH aber nichts für sie bezahlen könne. Im Gegenteil: Die Mäster müssten die höheren Transportkosten für die weite Reise selbst übernehmen – satte 2.500 € pro Lastzug. Im Nachhinein erklärte sich dann die Hessische Tierseuchenkasse bereit, dafür aufzukommen.

LEH in die Pflicht nehmen

„Es ist eine Sauerei, dass die unverschuldet in Not geratenen Mäster ihr hochwertiges Produkt am Ende verschenken müssen“, entrüstet sich Jourdans Berater Wilfried Brede vom Serviceteam Alsfeld. Schließlich wird das Fleisch ja nicht verworfen, sondern zu Brühwurst oder teurem Hundefutter verarbeitet.

Zudem sei es an der Zeit, den LEH endlich in die Pflicht zu nehmen. „Wenn Aldi, Edeka, Lidl, Rewe und Co. regionales Fleisch und 5 x D wollen, dann müssen sie auch in Krisenzeiten zu den Landwirten stehen“, entrüstet sich Brede. Zumal die Tiere intensivst untersucht wurden und garantiert kein Virus in sich tragen.

In der zweiten Augustwoche war es dann so weit. Nachdem das Veterinäramt die Biosicherheit in Jourdans Betrieb überprüft hatte, wurden montags bei 60 der insgesamt 300 zu liefernden Schweinen Blutproben gezogen. Mittwochs wurden alle Tiere noch einmal klinisch untersucht und am Mitt­wochabend gingen sie in einem verplombten Viehtransporter auf die Reise zum Schlachthof in Schleswig-Holstein.

„Dabei kam uns zugute, dass uns sowohl das Landwirtschaftsministerium in Wiesbaden als auch das Veterinäramt in Darmstadt-Dieburg unterstützen und Brücken bauen, wo immer es geht“, lobt Hartwig Jourdan die Zusammenarbeit mit den Behörden. Das sei aber nicht bei allen Veterinärämtern der Fall, wie er aus Gesprächen mit Berufskollegen erfahren hat.

Inzwischen haben allerdings schon wieder die nächsten Tiere das angestrebte Mastendgewicht deutlich überschritten. Sie kosten nur Futter und ­Arbeit, erlösen aber nichts. „Monatlich fehlen uns 10.000 bis 20.000 € in der Kasse“, beklagt Jourdan. Zum Glück hat er bereits vor Jahren eine Ertragsschadenversicherung abgeschlossen.

Jourdan hat die Versicherung gleich nach der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung informiert. Gemeinsam mit seinem Berater hat er dann die Betriebszweigabrechnungen der letzten drei Jahre kopiert und zusammen mit den letzten zehn Ferkel- und Schlachtabrechnungen an die R + V-Versicherung verschickt. Die will entsprechende Vorauszahlungen leisten, damit der Betrieb liquide bleibt. Die Schlussabrechnung erfolgt später.

Der Versicherungsschutz deckt zumindest die ersten 18 Monate ab. Ob die Vermarktungssperre bis dahin aufgehoben ist, vermag im Moment aber niemand zu sagen. Zumal in sieben ­Kilometern Entfernung vom Hof kürzlich neun ASP-infizierte Wildschweine gefunden wurden. Zwei große Naturschutzgebiete in der Nähe, die Kühkopf-Knoblauchsaue und das Pfungstädter Moor, bieten den Schwarzkitteln ideale Rückzugsmöglichkeiten.

Ställe bleiben vorerst leer

Die frei gewordenen Mastplätze lässt Jourdan erst einmal leer stehen. „Alles andere wäre betriebswirtschaftlicher Selbstmord“, argumentiert er. Sorgen bereitet ihm zudem der Fut­terbezug, denn seine Rationen basieren hauptsächlich auf Nebenprodukten. Dazu gehört Altbrot, ergänzt durch Molke, Malzkeime, Sojaschrot und Mineralfutter. Die ganze Fütterungstechnik ist auf diese Nebenprodukte ausgelegt.

Doch wird er auch nach der ASP weiter Brotabfälle beziehen können? Oder sucht sich sein Lieferant in der Zwischenzeit andere Abnehmer? Das Gleiche gilt für das mittelständische Schlachtunternehmen, an das er bisher seine Tiere lieferte. Entscheidet es sich in der Zwischenzeit womöglich für einen anderen Mäster?

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