Anton-Rupert Baumann aus Wangen im Allgäu ist Feuerwehrfachberater, Schadensachverständiger und Prüfer für Biogasanlagen. Er war unter anderem als Gutachter nach dem Großbrand in Alt-Tellin tätig. Wir haben mit ihm über die Brandgefahr von Güllegasen unter Spaltenböden in Schweine- und Rinderställen gesprochen.
Wie hängen der Großbrand im Schweinestall in Alt-Tellinim Jahr 2021 und die Explosion in einem Milchviehbetrieb in Texas, bei der im April 18.000 Rinder getötet wurden, zusammen?
Baumann: In beiden Fällen liegt der Verdacht sehr nahe, dass aufsteigende Güllegase zu einer Verpuffung und als Folge zu einem Brand geführt haben. Denn Güllegase enthalten ein hochentzündliches Gemisch aus Methan (CH4), Schwefelwasserstoff (H2S) und Ammoniak (NH3).
Was spricht beim Brand in Alt-Tellin für diese Vermutung?
Baumann: Die Brandursache ist noch nicht eindeutig geklärt. Fest steht jedoch, dass sich das Feuer innerhalb von Minuten über die insgesamt 18 Ställe ausgebreitet hat. Die Feuerwehreinsatzkräfte konnten den Brand mit Wasser nicht löschen. Das legt den Verdacht nahe, dass ein elektrischer Zündfunke oder eine andere Ursache das Gas-/Luft-Gemisch entzündet hat. Denn brennende Gase lassen sich mit Wasser nicht löschen.
Welche Umstände haben die Ausbreitung des Feuers beschleunigt?
Baumann: Alle Güllekanäle unter den insgesamt 18 Ställen waren miteinander verbunden. Zudem lagerte im 1,1 m tiefen Güllekeller unter den Spalten genügend gärende Gülle. In einigen Ställen waren Kunststoffspaltenböden verlegt. Diese schmelzen bei Hitze und brennen dann wie Schweröl. Die Brandbekämpfung hätte deshalb mit Schaum erfolgen müssen. Aufgrund des mangelhaften Brandschutzkonzepts waren die Einsatzkräfte darauf aber nicht vorbereitet.
Güllekeller unter den Spaltenböden gibt es in vielen Ställen. Warum kommt es nur punktuell zu Unfällen?
Baumann: Unfälle durch aufsteigende Güllegase gibt es viele, sowohl im Rinder- als auch im Schweinebereich. Das Ausmaß reicht vom Ersticken der Tiere über Brände bis zu Explosionen. Ich halte das im wahrsten Sinne des Wortes für eine tickende Zeitbombe. Während Biogasanlagenbetreiber entsprechende Schulungen besuchen und Explosionsschutzzonen ausweisen müssen, wissen Tierhalter oft gar nicht, was unter den Spalten passiert.
Was genau passiert dort?
Baumann: Im Grunde wirkt ein Güllekeller wie eine Biogasanlage. Es entsteht Biogas, also ein Gemisch aus Methan, CO2, Ammoniak und Schwefelwasserstoff – und das nicht erst bei Temperaturen über 40 °C, wie sie in heute üblichen Fermentern herrschen. Die sogenannte psychrophile Vergärung setzt bereits bei 10 °C ein. In beheizten Schweineställen und insbesondere im Sommer sind die Temperaturen im Güllekeller noch höher. Das erleichtert die Vergärung. Fällt im Schweinestall die Lüftung aus, können die Tiere bereits nach 30 Minuten an den toxischen Gasen ersticken. Spätestens beim Aufrühren der Gülle wird es gefährlich. Auch für das Stallpersonal besteht Lebensgefahr!
Welche vorbeugenden Maßnahmen empfehlen Sie?
Baumann: Es ist hilfreich, die Gülle nicht mehr unter den Spalten zu lagern, sondern sie häufiger aus dem Stall zu pumpen, am besten in eine Biogasanlage, um Methanemissionen zu vermeiden. Stallkonzepte mit Kot-Harn-Trennung bzw. Stroheinstreu verringern die Gefahr ebenfalls. Wichtig ist, den Raum unter den Spalten zu be- und entlüften. Beim Aufrühren und Abpumpen der Gülle sollte die Lüftung auf voller Stufe laufen. Besonders gefährlich sind außerdem Schweiß- und Flexarbeiten im Stall. Vor diesen Arbeiten gilt es, die Gülle möglichst abzupumpen und den Spaltenbereich durch Platten oder ähnliches abzudecken.
Manche Tierhalter nutzen den Güllekeller als Lager für Gärreste. Andere separieren Gülle, verkaufen die Festphase an Biogasanlagen und pumpen die Flüssigphase zurück in den Güllekeller. Wie bewerten Sie das?
Baumann: Güllekeller als Lager für Gärreste zu nutzen, halte ich aufgrund der Gefahren und entstehenden Emissionen für einen großen Fehler. Das frühzeitige Separieren kann die Gasbildung in Güllekellern zwar deutlich reduzieren, aber nicht völlig verhindern. Die dünnflüssige Phase wird dadurch nicht steril und gärt munter weiter. Und die Ammoniakemissionen aus dem Harnanteil lassen sich dadurch gar nicht stoppen.