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Auch chemische Mittel bleiben im Integrierten Pflanzenschutz wichtig

Chemische Mittel gelten im Integrierten Pflanzenschutz zwar als letzte Möglichkeit, dennoch sind sie extrem wichtig. Die Anwendung sollte bewusst und durchdacht erfolgen.

Lesezeit: 10 Minuten

So wenig wie möglich, so viel wie nötig“, so lautet die Empfehlung  innerhalb des Integrierten Pflanzenschutzes, wenn es um den Einsatz chemischer Mittel geht. Und ja, natürlich ist jede Maßnahme, die man unterlässt, hilfreich für die Umwelt, den eigenen Geldbeutel und das Resistenzmanagement – wohlgemerkt, die Befallssituation oder der Unkrautdruck müssen einen Verzicht zulassen.

Schnell gelesen

Der chemische Pflanzenschutz gilt im Rahmen des IPS als „letzte“ Möglichkeit. Dennoch ist er ein unerlässlicher Baustein in der nachhaltigen Pflanzenproduktion.

Behandlungsentscheidungen müssen schlagspezifisch erfolgen. Wer z. B. Krankheiten richtig bewertet, kann oft eine Maßnahme einsparen. 

Sinnvoll ist der Ansatz, nur dort zu ­applizieren, wo es auch notwendig ist. Bandspritzung und Spot-Spraying sind geeignete Techniken dafür.

In Deutschland zugelassene Mittel sind sicher – das wird durch ein strenges ­Zulassungssystem gewährleistet.

Sehr häufig ist das aber nicht der Fall. Dann können auch chemische Maßnahmen nachhaltig sein, vorausgesetzt, sie erfolgen zielgerichtet. Das heißt, es kommen  nur Produkte zum Einsatz, die speziell gegen die auftretenden Schaderreger wirken. Zielgerichtet heißt aber auch, auf moderne abdriftmindernde Ausbringtechniken zu setzen. Denn diese gewährleisten, dass das eingesetzte Pflanzenschutzmittel präzise auf der Zielfläche ankommt.

An dieser Stelle sei auch der Einsatz von Saatgutbeizen erwähnt. Sie bieten den Kulturpflanzen einen gezielten Schutz vor samen- und bodenbürtigen Schaderregern, und das mit geringem Wirkstoffaufwand.

Einsparpotenziale heben

Ob eine chemische Pflanzenschutzmaßnahme wirklich erforderlich ist, sollte man schlagindividuell bestimmen. Um die Befallssituation richtig bewerten zu können, ist der regelmäßige Blick ins Feld unerlässlich. Zudem kommt es darauf an, nach Schadschwellen zu arbeiten.

Hilfreich, um die Notwendigkeit einer Behandlung bzw. deren idealen Termin zu bestimmen, können auch Prognosemodelle sein (siehe Beitrag "Bessere Prognosen, präzisere Behandlungen"). Wer danach handelt, wird merken, dass man oft z. B. eine Fungizidmaßnahme im Weizen einsparen kann – vor allem in trockenen Frühjahren. 

Eine Reduzierung über geringere Aufwandmengen ist in der Regel nicht zu empfehlen. Zu groß ist die Gefahr, dass die Maßnahme nicht ausreichend wirkt und im schlimmsten Fall eine weitere folgen muss, mit dem Risiko, mögliche Resistenzen weiter zu fördern. Besser ist der Ansatz, die zu behandelnde Fläche zu verkleinern. Dies kann zum einen geschehen, in dem man Maßnahmen auf Teilflächen begrenzt oder lediglich eine Randbehandlung durchführt (z. B. bei der Kontrolle der Kohlschotenmücke im Raps).

Zum anderen ist es mittels moderner Techniken möglich, eine Fläche nicht ganzflächig zu besprühen, sondern nur dort, wo es notwendig ist. Beispiele dafür sind die Ansätze des Spot-Sprayings oder der Bandapplikation, die wir Ihnen ab Seite 30 genauer vorstellen. Am weitesten verbreitet sind sie bei der Bekämpfung von Unkräutern, es gibt aber auch erste Erfahrungen bei der Blattlausbekämpfung in Rüben.

Wählen Sie das richtige Mittel

Ist eine chemische Pflanzenschutzmaßnahme notwendig, steht die Wahl des richtigen Mittels an. Dabei sollte man neben der Wirkung auch auf andere Eigenschaften achten – bei Insektiziden z. B. auf die Schonung von Nützlingen. Soweit verfügbar, sollte man hier auf Mittel mit spezifischer Wirkung setzen, die weniger Auswirkungen auf Nützlinge haben.

Eine ganz zentrale Rolle beim Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und insbesondere bei der Mittelwahl nimmt das Resistenzmanagement ein. Generell ist es wichtig, möglichst Mittel mit unterschiedlichen Wirkmechanismen einzusetzen.

Als hoch resistenzgefährdet eingestufte Wirkstoffgruppen wie die Strobilurine und die Carboxamide im Getreide, sollte man z. B. nur einmal pro Saison einsetzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, die Auflagen der Mittel zu beachten und die Wirkung der Pflanzenschutzmaßnahmen zu überprüfen. Das können Sie mittels Bestandskontrollen vor und nach der Behandlung oder mithilfe von Spritzfenstern machen. Nachfolgend beschreiben wir Techniken, mit denen sich die zu behandelnde Fläche verkleinern lässt.

Bandspritzung: Chemie und Mechanik Hand in Hand

Bei der Bandspritzung wird lediglich das Band behandelt, in dem eine Reihenkultur, wie z. B. Mais oder Rüben, steht. Wie hoch das Einsparpotenzial für Pflanzenschutzmittel ist, hängt vom Reihenabstand und der Bandbreite ab. Wird das Verfahren zur Unkrautkontrolle eingesetzt, erfolgt in der Regel zwischen den Reihen eine mechanische Unkrautbekämpfung mit einer Hacke.

Zu unterscheiden sind dabei die Ansätze Hacke-Band-Spritzung, bei dem die Spritzeinrichtung auf einer Hacke montiert ist und das absetzige Verfahren, bei dem herkömmliche Pflanzenschutzspritzen mit entsprechenden Gestängen/Düsen ausgestattet sind und die mechanische Unkrautkontrolle in einem separaten Arbeitsgang erfolgt.

Laut Harald Kramer von der Landwirtschaftskammer in Nordrhein-Westfalen kann beim kombinierten Hacken und Spritzen die Wahl des richtigen Termins besonders herausfordernd sein. Während beim Hacken die Böden trocken sein sollten, wirken Bodenherbizide am besten unter feuchten Verhältnissen. Führt man die Arbeiten getrennt voneinander durch, bietet sich mehr Spielraum.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung des getrennten Systems ist aber eine exakte Gestängeführung der Spritze. Des Weiteren tauchen Probleme auf, wenn z. B. mit einer 3 m-Maschine gesät wird und dann eine 27 m breite Spritze folgt. Die Reihen dann genau zu treffen, ist schwierig. Denn in diesem Fall setzt die Sämaschine 9-mal pro Spritzenbreite an. „Kommt es dabei jedes Mal zu einer Ungenauigkeit von nur 2 cm, wird es unmöglich, die Kulturpflanze noch exakt zu benetzen“, sagt Kramer.

Ein Ansatz, um dieses Problem zu umgehen, ist z. B. das RSD-System von Dammann, das einem kameragesteuerten Verschieberahmen gleichkommt. Noch herausfordernder wird es, wenn der Düsenabstand (in der Regel beträgt der 50 oder 25 cm) nicht zum Reihenabstand der Kultur passt.  Das Paradebeispiel dafür ist die Rübe, die häufig auf 45 cm gesät wird.

Diese Punkte zeigen, dass das Verfahren (Hacke-)Bandspritzung kein Selbstläufer ist. Dazu kommt noch, dass jede Überfahrt neben Zeit auch Diesel kostet. Zudem erhöht das Hacken in hängigem Gelände die Erosionsgefahr.

Dennoch: Wer sich für das System entscheidet, kann erhebliche Mengen Pflanzenschutzmittel einsparen. Ein Beispiel aus der Unkrautbekämpfung in Rüben: Flächenbehandlung bei der ersten NAK, Bandbehandlung plus hacken bei der zweiten NAK und ausschließliches hacken zwischen den Reihen statt der dritten NAK. Die Herbizidreduktion liegt hier bei etwa 50 % im Vergleich zu drei NAKs flächig

Aber: Wichtig ist, die unterschiedlichen Anbaujahre zu beachten. In einem feuchten Jahr, in dem die Bodenverhältnisse einen Hackgang nicht zulassen, werden die Einsparpotenziale nahezu null sein. In trockenen Jahren kann die Hacke dagegen vermehrt zur Herbizideinsparung beitragen.

Eine Einsparung pauschal über alle Jahre hinweg, wird es laut Harald Kramer nicht geben können. Generell kommen integrierte Systeme oft nicht an die Wirkung eines rein chemischen Pflanzenschutzes heran. Die maximale Einsparung muss man daher unbedingt an den Bekämpfungserfolg koppeln, damit man nicht in die Falle einer Resistenzbildung tappt.

Spot-Spraying: Auf den Punkt gebracht

Ein noch höheres Einsparpotenzial als bei der Bandspritzung kann im Spot-Spraying liegen. Vor allem dann, wenn die Technik mit einer Einzeldüsenschaltung ausgestattet ist. Das System funktioniert generell aber auch bei der weit verbreiteten Teilbreitenschaltung – mit technisch bedingtem niedrigerem Einsparpotenzial. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Einzeldüsenschaltungen.

Auch beim Spot-Spraying sind zwei Ansätze zu unterscheiden. Zum einen gibt es das „On the go-Verfahren“, bei dem Kameras an der Spritze – meist am Gestänge – die Bodenfläche oder den Bestand scannen und z. B. Krankheiten oder Unkräuter erkennen. Eine andere Variante ist, genau diese Erkennung in einem separaten Arbeitsgang, z. B. mit einer Drohne, durchzuführen. Aus den aufgenommen Bildern muss dann eine Applikationskarte erstellt werden, welche die Feldspritze abarbeiten kann.

Beim „On the go-Verfahren“ entfällt dieser Schritt der Applikationskartenerstellung. Hier wertet eine intelligente Software das Bildmaterial in rasender Geschwindigkeit aus und entscheidet, ob es sich um eine Nutzpflanze handelt oder nicht. Beim Anbieter One Smart Spray, ein Joint Venture von Bosch und BASF, genügt eine mindestens 6 x 6 mm große grüne Fläche, um Unkräuter sicher zu erkennen. Anhand dieser Entscheidung und zuvor definierten Rahmenbedingungen steuert das System die einzelnen Düsen an. So wird das Herbizid nur dort ausgebracht, wo Unkräuter und -gräser bekämpft werden müssen. Saubere Teilflächen bleiben unbehandelt.

Ein weiterer Vorteil dieser Technologie ist, dass durch die Umverteilung der Herbizide resistenzgefährdete Unkräuter durch solide Aufwandmengen sicher ausgeschaltet werden können, ohne mehr Mittel auf der gesamten Fläche auszubringen.

Abhängig vom Hersteller der Spritze, können die Preise variieren. Wie schnell sich solch ein System rechnet, hängt natürlich auch vom Einsparpotenzial ab. Dieses wiederum ist von vielen Faktoren abhängig: dem Unkrautdruck und dem Resistenzstatus, der Kultur, der gewählten intelligenten Sensitivitätsstufe und dem Applikationstermin. Bei der intelligenten Sensitivitätsstufe kann der Nutzer im xarvio One Smart Spray-Modul zwischen drei verschiedenen Stufen wählen, die unterschiedlich sensibel auf Unkräuter reagieren. Die Spanne der Einsparpotenziale bei den Betriebskosten ist somit weit.

Versuch mit Insektiziden: Gleiche Wirkung trotz weniger Insektizide

Dass sich mit Spot- und Bandapplikationen nicht nur Herbizide, sondern auch Insektizide einsparen lassen, belegen Versuche von der LWK Niedersachsen, dem Julius Kühn-Institut und der Uni Göttingen zur Blattlausbekämpfung in Rüben. Die Fragestellung lautete: Wie lassen sich eine wirkungsvolle Schädlingsbekämpfung und eine Reduktion der eingesetzten Insektizidmenge im Sinne der politischen Reduktionsziele vereinbaren?

In dem Versuch wurde an zwei Standorten in Niedersachsen geprüft, ob sich mit einer Bandapplikation und einer Einzelpflanzenbehandlung der Rüben genauso erfolgreich Blattläuse bekämpfen lassen, wie mit einer ganzflächigen Applikation. Die konkrete Zielsetzung bestand darin, die behandelte Nicht-Zielfläche durch den Einsatz einer Band- und Einzelpflanzenbehandlung zu verringern und dabei einen gleichen Bekämpfungserfolg zu erzielen.

Der Versuch: Zur Anwendung kamen für die Flächen- und Bandapplikation eine Parzellenspritze und für die Ein­zelpflanzenbehandlung die Präzisionsfeldspritze ARA von der Firma Ecorobotix. Auf 6 m ist das Gerät mit 156 Präzisionsdüsen ausgestattet. Die ma­ximale Fahrgeschwindigkeit liegt bei 7,2 km/h.

Um den Effekt der einzelnen Maßnahmen bewerten zu können, hat man vor der Insektizidanwendung am 17. Mai 2023 den Ausgangsbefall ermittelt. Hierbei wurde, wie auch bei den drei folgenden Bonituren, fast ausschließlich die Schwarze Bohnenlaus gefunden. 

Die Ergebnisse: Alle drei Applikationstechniken (flächig, Band und Spot) haben zu einer erfolgreichen Blattlausreduzierung beigetragen. Das heißt, dass die beiden Applikationstechniken, die eine Reduktion der eingesetzten Insektizidmenge ermöglichen, mindestens genauso effektiv Blattläuse bekämpfen können, wie eine ganzflächige Applikation.

Bei der Bandapplikation mit einem 20 cm breiten Spritzband reduzierte sich die behandelte Nicht-Zielfläche auf 44 %, wodurch sich ein Einsparpotenzial von 56 % ergab. Bei der Einzelpflanzenbehandlung lag das Einsparpotenzial bei 63 %, da man hier die behandelte Fläche auf 37 % verringern konnte.

Dass der Unterschied zwischen Band- und Einzelpflanzenbehandlung bezüglich des Reduktionspotenzials geringer ist als erwartet, liegt daran, dass die Rüben zum Applikationstermin bereits vier bis sechs Laubblätter hatten. Das Einsparpotenzial der ARA-Spritze hängt von der Spotgröße ab, die wiederum von der Größe der Kulturpflanze abhängt. Das bedeutet, dass bei einer früheren Applikation noch mehr Mittel hätten eingespart werden können.

Zulassungssystem: Sicherer gehts kaum

Obwohl chemische Pflanzenschutzmittel unsere Ernten seit Jahrzehnten sichern, gelangen sie immer häufiger in die Kritik – und das obwohl sie immer sicherer werden. Dafür sorgt in Europa das wohl strengste Zulassungssystem weltweit, welches wir im Folgenden erläutern:

Möchte ein Anbieter für einen Wirkstoff die Zulassung in Europa erwirken, reicht er die dafür erforderlichen Unterlagen bei einem berichterstattenden Mitgliedstaat ein. Dieser erstellt einen Entwurf eines Bewertungsberichts, welcher der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und den anderen EU-Mitgliedstaaten zur Kommentierung vorgelegt wird.

Am Ende der Kommentierung erstellt die EFSA einen zusammenfassenden Bericht und schickt alle Unterlagen an die EU-Kommission. Diese legt dem „Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Nahrungsmittel und Futter“ (­SCoPAFF) ­einen Vorschlag zur Genehmigung oder Nicht-Genehmigung des Wirkstoffs vor. Dieser Ausschuss entscheidet letztlich, ob der Wirkstoff in Europa verkauft ­werden kann. Generell muss eine erste Genehmigung nach zehn Jahren erneuert werden, alle weiteren spätestens nach 15 Jahren.

Um Produkte, die den Wirkstoff enthalten, in einem EU-Land einsetzen zu dürfen, muss der Hersteller zusätzlich Produktzulassungen in den jeweiligen Ländern beantragen. Mit der Einführung der sogenannten zonalen Zulassung durch eine EU-Verordnung können Antragsteller dies für mehrere Mitgliedstaaten einer Zone gleichzeitig tun. Dabei bewertet ein EU-Land das Mittel stellvertretend und die anderen erteilen dann auf dieser Basis die Zulassung in einem verkürzten Verfahren.

Speziell für die Produktzulassung sind in Deutschland vier nationale Behörden zuständig. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­sicherheit (BVL) ist die Zulassungs­stelle für Deutschland. Sie arbeitet mit dem Umweltbundesamt (zuständig für den Naturhaushalt), dem Bundesinstitut für Risikobewertung (gesundheitliche Aspekte) und dem Julius Kühn-­Institut (prüft die Wirksamkeit, den Nutzen und die Nachhaltigkeit) zusammen. Erst nach diesen Bewertungen kann ein neues Pflanzenschutzmittel auf den Markt gelangen.

Das heißt: Die in Deutschland zum Einsatz kommenden Mittel sind aufgrund des Zulassungssystems als ­sicher zu bewerten.

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