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SBR/Stolbur: Wo steht die Forschung?

Die Schilf-Glasflügelzikade stellt die Zucker- und Kartoffelbranche zur Zeit vor große Herausforderungen. Doch gibt es Licht am Ende des Tunnels?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Schilfglasflügelzikade versetzt nicht nur viele Rüben-, Kartoffel- und Gemüseanbauern in Angst und Schrecken, sondern auch die verarbeitende Industrie. Denn die durch die Zikade ausgelösten Krankheiten SBR und Stolbur können die Zuckerrüben- und Kartoffelwertschöpfungsketten enorme wirtschaftliche Einbußen erwarten, wie
Prof. Dr. Jürgen Gross vom Julius-Kühn-Institut auf einer Online-Pressekonferenz mitteilte - Diese war dem Anfang März stattfindenden JKI-Fachgespräch zu SBR und Stolbur vorgeschaltet.

Das Syndrom niedrieger Zuckergehalte (SBR) trat erstmals in den 1990er Jahren in Burgund (Frankreich) auf. In Folge wurde der Rübenanbau unwirtschaftlich und verschwand aus der Region. "Mit dem Verschwinden der Zuckerrübe verschwand allerdings auch die Zikade wieder", so Gross.

In Deutschland wurden die ersten Schäden etwa 2008 im Süden Deutschlands registriert. Sie haben sich seit dem auf fast alle Bundesländer ausgeweitet. Seit 2022 befällt die Zikade auch Kartoffeln und seit letztem Jahr konnte auch ein Befall in anderen Gemüsekulturen wie z.B. Möhren beobachtet werden. "Im letzten Jahr waren bereits 85.000 ha Zuckerrüben und 22.000 ha Kartoffeln befallen", sagte Dr. Sabine Andert, Leitung des JKI-Fachinstitut Pflanzenschutz im Ackerbau und Grünland.

Die Fruchtfolge ist bislang die wirksamste Maßnahme gegen die Zikade

Nach dem Zuflug der Zikade Ende Mai, Anfang Juni kommt es zur Eiablage und zur Nymphenentwicklung im Boden. "Folgt dann ein Wintergetreide, bleibt die Nahrungsgrundlage der Nymphen im Boden erhalten", so Andert weiter. Deshalb empfiehlt sie, die Zuckerrüben- und Kartoffelfruchtfolgen umzustellen. Im Herbst sollte kein Wintergetreide auf die Kulturen folgen, sondern es sollte möglichst eine Schwarzbrache angelegt und erst dann sollte im Frühjahr Sommergetreide gesät werden.

Ob die Bodenbearbeitung einen Einfluss auf die Zikaden Population hat, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht klar. "Sicher ist aber, dass sich die Insekten nach der Ernte relativ schnell in tiefere Bodenschichten verschwinden, sodass höchstens eine Pflugfurche direkt nach der Ernte einen Effekt zeigen könnte", ist Andert überzeugt.

Für den Einsatz von Insektiziden mit der Indikation Schilf-Glasflügelzikade werden derzeit Notfallzulassungen geprüft. Die Anträge hierfür wurden seitens der UNIKA (Union der deutschen Kartoffelwirtschaft) und der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker gestellt.

Prof. Dr. Gross berichtete außerdem von einer ganz neuen Entwicklung: Pandora cacopsyllae ist ein Pilz, der vor einigen Jahren aus Birnblattsaugern isoliert wurde. Dieser Pilz wurde dann gegen die Schilfglasflügelzikade eingesetzt und verursachte eine hohe Mortatlität der Zikade. Jedoch steht die Forschung noch ganz am Anfang. Zur weiteren Entwicklung braucht es Fördergelder und Fragen wie der Pilz sicher in den Boden gelangen kann, müssen beantwortet werden. Zu klären ist auch, ob der Pilz Nützlinge befallen kann.

SBR/Stolbur - Was ist das überhaupt?

Kurz gesagt: Es sind zwei unterschiedliche Erreger mit unterschiedlichen Symptomen, die jedoch die Gemeinsamkeit haben, dass sie von der Schilf-Glasflügelzikade übertragen werden.

Die Schilf-Glasflügelzikade (Petanstiridius leporinus) ist laut rote Liste Zentrum eigentlich eine gefährdete Art. Doch in den letzten Jahren hat sie sich massenhaft vermehrt und befällt Zuckerrüben, Kartoffeln sowie weitere wirtschaftlich bedeutende Arten. Das Problem ist jedoch nicht die Zikade an sich oder das diese die Nutzpflanzen ansticht, sondern dass sie die Erreger der Krankheiten SBR (Syndrome basses richesses) und Stolbur übertragen.

Das Syndrome basses richesses (SBR), oder zu Deutsch Syndrom niedriger Zuckergehalte, ist eine Bakteriose, die durch das Proteobakterium Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus verursacht wird. Symptomatisch für diese Krankheit sind ältere vergilbte Blätter und die jüngeren Blätter sind asymmetrisch und langzettlich geformt. Sie führt zu deutlich verminderten Zuckergehalten (ca. 2 bis 4 % geringer).

Die Krankheit Stolbur wird vom Stolbur-Phytoplasma Candidatus Phytoplasma solani ausgelöst und kann auch von der Schilf-Glasflügelzikade übertragen werden. Anders als bei SBR führt Stolbur nicht zu geringeren Zuckergehalten. Diese bleiben oftmals stabil oder steigen sogar. Dafür sinken die Erträge erheblich und es kommt zu sogenannten Gummirüben und Gummiknolen, welche die Ernte und weitere Verarbeitungschritte in der Industrie erheblich erschweren können.

Die Zikade wegsingen?

Gross berichtete, dass derweil auch die Gesänge der Zikade erforscht werden, die sie bei der Paarung von sich geben. Der Ansatz der dahinter steht ist folgender: Gibt es mehrere Männchen die um ein Weibchen buhlen, versuchen sie diese durch Rivalitätsgesänge für sich zu gewinnen. Genau diese Rivialitätsgesänge sollen nachgebildet werden. "Das klappt bei der amerikanischen Regen-Zikade tatsächlich so gut, dass dann die Männchen so lange gegeneinander ansingen, bis sie vor Erschöpfung tot vom Blatt fallen, an Erschöpfung, und die Weibchen nicht befruchten", so Gross. Ob das auch für die Schilfglasflügelzikade gilt wird derzeit geprüft.

Was bringen Insektizide?

Insektizide können die Effekte, die durch die Zikade auftreten zwar vermindern, aber nicht abwenden. Denn damit die Zikade Wirkstoff aufnehmen kann, muss Sie ja die Pflanze befallen und in die Pflanze einstechen. Dadurch können die Erreger dann schon an die Pflanze gelangen.

Insektizide können jedoch die Populationsentwicklung der Zikade zum Hauptzuflug kontrollieren. Ob der Einsatz also wirklich auch auf Dauer Ertragsvorteile bringt, bleibt abzuwarten. Erforscht wird derzeit der Einsatz von Acetamiprid und Flonicamid. "Der Pflanzenschutzmitteleinsatz ist aus gesellschaftlicher Sicht aber diskussionswürdig", meint Andert. Deshalb braucht es eine größere Datengrundlage, die derzeit in Streifenversuchen in Süddeutschland erarbeitet werden, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen.

"Der große Strauß an Möglichkeiten steht uns derzeit noch nicht zur Verfügung", meint Jürgen Gross. Er erwartet nicht, dass innerhalb dieser und nächster Saison sichere Bekämpfungs- bzw. Vergrämungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen werden.

Deshalb müssen sich die Landwirte zunächst einmal auf den Integrierten Pflanzenschutz fokussieren. Sind Sie betroffen, sollten Sie Ihre Fruchtfolge möglichst anpassen, auf tolerante Sorten setzen, die Bestände möglichst gut vor anderen Krankheiten schützen und die Bestände möglichst gut ernähren.

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