Am 7. März berichteten wir, dass die EU-Kommission das Solarpaket 1 immer noch nicht beihilferechtlich genehmigt hat. Mögliche Konsequenzen führte Thomas Reimers des Agri-PV-Anbieters Metavolt aus. Er sieht das Dilemma, dass die Zeit bis Ende des Jahres nicht ausreichen könnte, um noch eine Agri-PV-Anlage umsetzen zu können, selbst wenn die EU kurzfristig reagieren würde. Und ab 2026 könnte die Vergütung stark sinken.
Kritik an einigen Aussagen
Der Aussage widerspricht Marcel Richter vom Planungsbüro Visioneere aus dem westfälischen Warendorf. Das Unternehmen plant aktuell vor allem Agri-PV-Anlagen im Segment bis 1 MW, also auf den privilegierten 2,5 ha in der Landwirtschaft. Zusammen mit den Planungsbüros axess solar, wir.solar und wme Service hat Visioneere nach eigenen Angaben in den letzten 13 – 15 Monaten über 100 Bauanträge für diese Anlagen gestellt. Richter selbst hat derzeit 29 Bauanträge im nördlichen Nordrhein-Westfalen und im südlichen Niedersachsen auf dem Tisch. „Wir arbeiten seit über zwei Jahren an dem Thema. Aufgrund der Erfahrung muss ich feststellen, dass entscheidende Passagen in der Meldung nicht stimmen“, bemängelt er.
Richter: „Wir lesen das Gesetz anders“
Die grundsätzliche Kritik, dass es mit der beihilferechtlichen Genehmigung so lange dauert, sei richtig. „Wie Sie richtig schreiben, setzen sich ja sogar bereits CDU-Politiker für eine Lösung des Problems ein, die das Gesetz nicht einmal beschlossen haben.“ Allerdings kritisiert er die Angstmache, dass nur noch in 2025 eine Vergütung in Höhe von 9,36 ct/kWh geben würde. „Natürlich aktiviert man damit Unentschlossene, sich jetzt bei den Projektierern solcher Anlagen zu melden. Wir lesen das Gesetz allerdings anders“, sagt er.
In § 48 Abs. 1b im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) steht: „Der anzulegende Wert nach den Absätzen 1 und 1a erhöht sich für besondere Solaranlagen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a bis c, die bei ausschließlich senkrecht ausgerichteten Solaranlagen insgesamt mit einer lichten Höhe von mindestens 0,80 Metern und sonst insgesamt mit einer lichten Höhe von mindestens 2,10 Metern aufgeständert sind, und für besondere Solaranlagen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe d bis f um die Differenz zwischen dem jeweils im vorangegangenen Kalenderjahr im Untersegment für besondere Solaranlagen nach § 37b Absatz 2 geltenden Höchstwert und dem anzulegenden Wert nach Absatz 1.“
Kurz zusammengefasst: Die Erhöhung der Vergütung für Agri-PV-Anlagen mit 1 MW berechnet sich aus der Differenz des geltenden Höchstwertes in den Ausschreibungen aus dem Vorjahr und dem fest anzulegenden Wert für Standard Freiflächenanlagen bis zu 1 MW.
Beispiel der Vergütungskalkulation
Was das im Klartext heißt, erläutert Richter wie folgt:
Der Höchstwert für das Untersegment besondere Solaranlagen (z.B. Agri-PV) wird in den ersten drei Ausschreibungen bei 9,5 ct/kWh liegen, erst danach wird dieser Höchstwert angepasst, also frühestens 2026. 2025 ist er also noch bei 9,5 ct.
Der anzulegende Wert für „Standard“-Freiflächenanlagen ist mit 7 ct festgelegt und sinkt seit 1.2.2024 halbjährlich um 1%, aktuell ist er also 6,79 ct (Degression laut EEG). Ob für die Differenzbildung der angepasste Wert von aktuell 6,79 ct oder 7 ct herangezogen wird, ist noch nicht rechtssicher geklärt. Es sind aktuell also 9,5 minus 7ct oder 9,5 minus 6,79 ct, also 2,5 ct oder 2,71 ct/kWh. Zusammen mit dieser Differenz beträgt die Vergütung also 6,79 ct plus 2,5 ct oder 2,71 ct, also gesamt 9,29 ct oder 9,5 ct pro kWh.
Zwei unterschiedliche Kunden von Richter haben bei ihren Netzbetreibern die Vergütung angefragt, weil sie diese für eine Finanzierung gesichert wissen mussten und haben jeweils 9,5 ct/kWh für 2025 mitgeteilt bekommen (vorausgesetzt, die beihilferechtliche Genehmigung kommt). Die Netzbetreiber waren Gelsenwasser und Westfalen Weser Netz.
Die oben erklärte Differenzbildung bezieht sich auf den im Vorjahr geltenden Höchstwert, der ist 2025 mit 9,5 ct / kWh festgelegt, gilt also auch für 2026. Damit steht für Richter fest: Es bleibt auch im Jahr 2026 noch Zeit, die Anlagen ohne signifikante Änderungen in der Vergütung ans Netz zu bringen, wenn die Politik das EEG nicht ändert.
Zeit schon für 2025 zu knapp
Und noch aus einem anderen Grund sieht Richter einen künstlichen Zeitdruck kritisch: „Selbst wenn sich ein Landwirt jetzt entschließt, das Projekt anzugehen, dann schafft er es wahrscheinlich gar nicht mehr in diesem Jahr zu bauen, wenn er nicht hohe Risiken eingeht.“ Nach den Erfahrungen von Visioneere aus über 100 Bauanträgen im privilegierten Verfahren nach § 35 Abs.1 Nr. 9 dauert es im allerbesten Fall drei Monate, realistisch aber eher sechs Monate bei den Behörden. Vorher muss der Antrag vorbereitet werden. „Und nachher muss eine Firma mit der Umsetzung beauftragt werden, die ja auch nicht am Tag nach der Baugenehmigung beginnt, sondern bestimmt 2 – 3 Monate Vorlaufzeit hat“, weiß er aus Erfahrung.
Dazu kommen Netzvoranfragen, die mindestens 8 bis 12 Wochen dauern. Und auch die Planung und Umsetzung des richtigen landwirtschaftlichen Konzepts unter der PV-Anlage sei wichtig, damit die Landwirte am Ende auch wirklich die gewünschte gute Vergütung bekommen. Das muss ein Gutachter bestätigen, der ebenfalls Zeit benötigt.
EU-Genehmigung im Frühjahr unwahrscheinlich
Der Zeitpunkt der beihilferechtlichen Genehmigung sei zudem weiter völlig offen. „Hier kann man sich auf keine Aussage verlassen. Wir hatten über die letzten zehn Monate schon mehrfach die Aussage ‚Es steht kurz bevor‘ und die hat sich nie erfüllt, egal aus welcher Quelle sie kam“, sagt er. Die EU-Kommission und das Wirtschaftsministerium würden sich mit einer Aussage ganz klar zurückhalten, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.
Genau wie Marcel Richter hat sich auch Axel Pustet von axess solar geäußert, einem Planungsbüro aus dem bayerischen Sinzing bei Regensburg. „Wir arbeiten seit Juni 2022 ausschließlich im Thema Agri-PV und müssen Herr Reimers in ein paar Punkten widersprechen“, sagt er und führt wie folgt aus:
„Es ist nicht richtig, dass die Vergütung ab 2026 erheblich absenken wird. Nach dem Mechanismus im Gesetz ist das erst 2027 der Fall.“
„Eine belastbare Netzaussage nach wenigen Tagen gibt es nur bei Energieversorgern, die diese Informationen online abrufbar machen. Allerdings zeigt die Praxis, dass diese Tools oft sehr fragwürdige Ergebnisse liefern. Was wir damit sagen wollen: die Zeiten bis zur Genehmigung sind trotz unserer Erfahrung mit über 100 Bauanträgen deutlich länger.“
"Auch wir haben (unbestätigte) Informationen erhalten, dass die EU in der Sache keine Bedenken hat, aber dem Solarpaket 1 aus rechtlichen Gründen nicht zustimmen kann. Es ist aber keine einfache Korrektur eines Formfehlers im Antrag, sondern es ist eine Nachbesserung im EEG erforderlich, vermutlich auch dem EnWG. Wie lange das Gesetzgebungsverfahren dauert, ist nicht absehbar, aber eine Zustimmung im Frühjahr ist leider schwierig zu realisieren.“
Pustets Resümee: „Es macht keinen Sinn, jetzt Panik zu schüren: ohne weitere Gesetzesänderungen werden die Vergütungen auch 2026 noch ausreichen, wenn man jetzt anfängt, wird es bei den meisten Projekten in der Regel nicht mit dem Bau 2025 klappen.“
Als besonders betroffenes Beispiel nennt Pustet das Projekt des Bürgervereins Beuren e.V., das auf die beihilferechtliche Zustimmung der EU wartet. „Wir haben mit der Planung daran nach der Verabschiedung des Solarpakets 1 im Kabinett im August 2023 begonnen. Im Mai 2024 trat das Gesetz in Kraft. Jetzt ist die Anlage fast fertiggestellt, aber die Inbetriebnahme kann nicht gemeldet werden, weil die Vergütung immer noch nicht gesichert ist. Nicht auszumalen, wenn dadurch der Bürgerverein seine Aktivitäten im sozio-kulturellen Bereich einstellen müsste.“