Der Umstieg auf regenerative Landwirtschaft bringt den Landwirten nach etwa 6 Jahren Ertragssteigerungen und Klimaresilienz. Die Kombination von regenerativer Landwirtschaft und Agri-PV kann dagegen helfen, die anfänglichen Minderträge zu kompensieren und die Rentabilitätslücke beim Übergang von der konventionellen auf regenerative Landwirtschaft zu schließen.
Das ist das Ergebnis einer Studie der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) in Zusammenarbeit mit der BayWa r.e. Die Studie erklärt, wie Agri-PV den Wechsel zur regenerativen Landwirtschaft unterstützen kann.
Wie regenerative Landwirtschaft den Wandel unterstützt
Die Idee der regenerativen Landwirtschaft zielt darauf ab, die Bodengesundheit zu verbessern, die Artenvielfalt zu erhöhen und die Klimaresilienz zu erhöhen. Die Umstellung von konventioneller zu regenerativer Landwirtschaft bringt daher langfristig große finanzielle Vorteile für Landwirte, heißt es in der Studie:
Sie höht die Widerstandsfähigkeit der heimischen Lebensmittelerzeugung und reduziert erheblich den Klima- und Umwelteinfluss des Agrarsektors. Weitere Vorteile seien geringere Kosten für Betriebsmittel wie Düngemittel, niedrigere Betriebskosten für Kraftstoff und Arbeit, stabilere Erträge aufgrund gesünderer Böden und eine verbesserte Widerstandsfähigkeit gegen Dürren und Überschwemmungen.
Langfristige Vorteile regenerativer Landwirtschaft
Darüber hinaus könne die regenerative Landwirtschaft zu einer widerstandsfähigeren Lebensmittelversorgung, insbesondere in trockenen Jahren, und zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen. Zudem verbessere sie die Effizienz der Wassernutzung und fördere die biologische Vielfalt, was dem Agrarsektor, der Umwelt und der Gesellschaft insgesamt zugute käme. Trotz aller Vorteile erfolgt die Umstellung laut BCG in einem zu geringen Tempo, da Landwirte kurzfristige Gewinneinbußen durch nötige Investitionen in Maschinen, Knowhow, usw. befürchten.
Vorteile der Agri-PV
Die Nutzung von Agri-PV auf einem Teil der Betriebsfläche ist für Landwirte eine sinnvolle Ergänzung zur Reg Ag Umstellung und bietet nach Angaben der Studienautoren zahlreiche Vorteile:
Stabile Erträge durch Agri-PV, etwa in Form von fixen Pacht- & Service-Einnahmen stabilisieren die finanzielle Situation und wirken Umstellungsrisiken entgegen.
Agri-PV Systeme lassen sich sehr gut in Systemen der regenerativen Landwirtschaft integrieren. Die Modulreihen wirken dabei ähnlich wie Hecken auf den Feldern und schützen den Boden vor Wind-Erosion, reduzieren Wasserverdunstung – direkt unter den Modulen entstehen zudem Flächen erhöhter Biodiversität auf denen Wildblumen und Insekten ein Zuhause finden.
Solarstrom als Ergänzung
Die Studie basiert auf drei landwirtschaftlichen Modellbetrieben: klein, mittel und groß. Folgende zusätzlichen Gewinne haben die Autoren ermittelt:
Kleiner Betrieb: 15.000 € bis 17.000 € pro Jahr,
mittlerer Betrieb: 55.000 € bis 75.000 € pro Jahr,
großer Betrieb: 175.000 € bis 235.000 € pro Jahr.
Im Folgenden haben wir die Ergebnisse der Studie mit Dr. Stephan Schindele, dem Verantwortlichen für das Thema „Agri-PV“ bei der BayWa r.e., besprochen, der ebenfalls als Autor an der Studie beteiligt war.
"Neuer Schwung für die regenerative Landwirtschaft"
Wie ordnen Sie die Ergebnisse der Studie allgemein ein?
Schindele: Ich bin seit 2012 im Bereich Agri-Photovoltaik tätig und habe auch in diesem Bereich promoviert. Darum beobachte ich die Entwicklung der Agri-PV seit über zehn Jahren. Diese Studie ist ein wirklicher Meilenstein. Denn sie zeigt Möglichkeiten für eine mögliche Neuausrichtung der Landwirtschaft in Richtung Kreislaufwirtschaft, Bodenschutz und Artenvielfalt auf, auch im Sinne der EU-Ziele, z.B. bei der Farm-to-Fork-Strategie. Gleichzeitig erklärt sie, wie auf der Fläche auch Energie produziert werden kann und welche Synergien sich aus beiden Ansätzen ergeben. Wir brauchen in der Land- und Energiewirtschaft viel mehr interdisziplinäres Denken und Handeln. Das führt in beiden Sektoren zu mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung, aber auch bei den Landwirten.
Die Teilhabe der Landwirte und Landeigentümer an der Energiewende sorgt dafür, dass etwaige kurzfristige Mindererträge während der Umstellungszeit der Betriebsflächen kompensiert werden. Dafür müssen wir allerdings darauf achten, dass sich die Auswirkung unserer Erneuerbaren-Energien-Projekte nicht auf die Projektfläche beschränkt, sondern sollten den Bedarf und zukünftige Ausrichtung des Gesamtbetriebs berücksichtigen und ein gesamtheitliches Entwicklungskonzept umsetzen. So könnten sich die Agrar- und Energiewende gegenseitig stärken und der Klimaschutz und die Klimaanpassung gemeinsam angepackt werden. Im Übrigen schützt die regenerative Landwirtschaft auch die Energieerzeugung.
Inwiefern?
Schindele: Beispielsweise führt eine Zunahme der Bodenqualität zu einer besseren Regenwasserinfiltration und schützt somit die umliegende Infrastruktur bei Hochwasserereignissen. Denn auch Wind- und Solarparks, Trafostationen oder Umspannwerke können unter Hochwasser leiden. Genauso kann unbewachsener Boden im Winter vom Wind weggeweht werden und Module verstauben. Da würde es nichts bringen, wenn man nur die umzäunte Projektfläche aufwertet, die 900 ha da herum aber nicht.
In der Studie sind drei Modellbetriebe zugrunde gelegt. Welche Betriebsflächen und Anlagengrößen haben Sie dabei betrachtet?
Schindele: Der kleine Betrieb hat 50 ha. Bei diesem sehen wir die privilegierte Agri-PV-Anlage auf 2,5 ha für sinnvoll an. Das wären 5 % der landwirtschaftlichen Fläche. Der Landwirt wäre selbst Investor und Betreiber. Der mittelgroße Betrieb mit 300 ha nutzt bei unseren Annahmen eine Anlage, die er gemeinsam mit dem Projektentwickler auf 30 ha baut, also auf einem Zehntel der Betriebsfläche. In diesem Bereich sehen wir vor allem Kühe, Schafe und Heuproduktion, also die Grünlandbewirtschaftung. Wir nennen das Cow-PV, also Kuh/Heu-PV-Anlage. Bei den Großbetrieben mit 1000 ha würden wir auch 10 % für die Agri-PV-Anlage vorsehen, also 100 ha. Das wäre dann eine Crop-PV-Anlage, die Solarstrom kombiniert mit Ackerbau, da Großbetriebe oftmals nur wenig Grünland und keine Viehhaltung betreiben. Nichtdestotrotz können auch in einer Crop-PV-Anlage Rinder temporär zum Einsatz kommen.
Warum denn bei den mittleren Betrieben Cow- und bei den großen Crop-PV? Müsste die Frage, was geeigneter ist, nicht eher vom Standort als von der Betriebsgröße abhängen?
Schindele: Wir müssen im Modell mit verschiedenen Annahmen arbeiten. Die Betriebsgröße gibt häufig Auskunft über die Art der Landwirtschaft. Aber natürlich spielt auch der Standort eine Rolle. Große Betriebe sind oftmals reine Ackerbaubetriebe und haben kein Vieh und kein Grünland in deren Bewirtschaftung, daher steht hier Crop-PV im Vordergrund.
Wie funktioniert Cow-PV?
Schindele: Die Kühe weiden hier auf einem Teilbereich unter den Modulen und werden nach gewisser Zeit umgeweidet, damit sie sich gleichmäßig über die Fläche verteilen. Die Tiere liefern dabei gleichzeitig Wirtschaftsdünger für die Pflanzen. Darum gehen wir davon aus, dass die Rinderhaltung in Verbindung mit Agri-PV zunehmen wird. Damit die Tiere den Dung möglichst gleichmäßig verteilen und der Arbeitsaufwand für den Landwirt gering bleibt, möchten wir in Zukunft mit virtuellen Zäunen im Agri-PV-Projekt arbeiten. Die Tiere tragen Halsbänder mit Transpondern. Wenn sie mit diesen über eine definierte Grenze kommen – nämlich genau dort, wo die PV-Module in die Horizontalstellung gefahren werden – erklingt ein Ton und sie erhalten einen elektrischen Impuls wie beim Elektrozaun. Nach einer gewissen Konditionierung reicht der Ton aus, um sie im virtuell umzäunten Bereich zu halten.
Welche Anlagentypen haben Sie in der Studie eingeplant?
Schindele: Bei allen Anlagen haben wir Trackersysteme angenommen, die dem Stand der Sonne einachsig von Ost nach West folgen können. Bei der kleinen Anlage wäre 1 MW auf 2,5 ha möglich, beim mittleren Betrieb wären das 20 MW. Hier haben wir 9,0 m zwischen den Trackerreihen als Arbeitsbreite angenommen. Beim Großbetrieb kämen wir auf 53 MW mit 12 m Arbeitsbreite. Beim Solarertrag sind wir von Erträgen aus Mitteldeutschland mit 1240 kWh/kWp für die Crop-PV-Anlage ausgegangen, die andere liefert 1187 kWh/kWp. Denn wegen der engeren Trackerreihen wäre hier die gegenseitige Beschattung höher. Bei allen Anlagen haben wir ähnliche Rahmenbedingungen in Bezug auf Netzanbindung und Topographie angenommen, sodass wir generell von einer Flächenpacht von durchschnittlich 2000 €/ha und Jahr ausgegangen sind.
Die Pacht ist also geringer als sonst üblich bei Freiflächenanlagen?
Schindele: Generell können wir bei Crop- und Cow-PV mit Tracker nicht die gleiche Leistung je Fläche wie bei herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen installieren und deswegen wird die Pacht bei Agri-PV auch etwas geringer ausfallen. Zusätzlich sind auch die Marktbedingungen für große PV-Projekte herausfordernder geworden, z.B. durch höhere Kapitalkosten, höhere Transport- und Lohnkosten, aber auch niedrigere Stromabnahmepreise aufgrund von Abschaltungen und Überproduktion in der Mittagsstunde. Die Rentabilität der Projekte ist demnach unter Druck. Daher gehen wir davon aus, dass die Zeiten von steigenden Pachtpreisen generell vorbei sind und ein Gegentrend einsetzt.
Inwieweit steigert die Agri-PV-Anlage jetzt die Wirtschaftlichkeit?
Schindele: Hier hat BCG gemeinsam mit NABU im vergangenen Jahr eine Studie erstellt mit dem Ergebnis: Die regenerative Landwirtschaft lohnt sich für den Landwirt auch ohne Energieerzeugung, aber erst nach einer Umstellungszeit von über 6 Jahren. Erst dann hat sich laut Studie der Betrieb an die neue Bewirtschaftungsform angepasst. Die Erträge bleiben zwar etwas geringer als bei der konventionellen Bewirtschaftung. Dafür gibt es weniger Ausgaben für Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger. Mit der Agri-PV-Anlage werden die Mindererträge dagegen ab dem ersten Jahr ausgeglichen und die Umstellungskosten teilweise über das Projekt mitfinanziert Und was die Studie noch nicht voll berücksichtig hat, sind weitere Einnahmensteigerungen etwa durch Low-Carbon Premiums oder professionalisiertem Emissionshandel.
Wie funktioniert das?
Schindele: Viele Unternehmen in der Lieferkette der Lebensmittelbranche oder in der Modebranche wie z.B. Unternehmen zur Verarbeitung von Wolle, Leder oder Leinen, wollen oder müssen aufgrund der Lieferkettenvorgaben ihren CO2-Fußabdruck senken. Dazu kaufen viele auf dem freiwilligen Markt Emissionszertifikate. Es zeigt sich, dass das Vertrauen in diese Zertifikate größer ist, wenn sie im Inland generiert werden und die emissionssenkenden Maßnahmen gut überwacht und berichtet werden können. Wenn Landwirte über die regenerative Landwirtschaft mit Humusaufbau CO2 speichern oder anderweitig für Negativemissionen sorgen, können sie Zertifikate erhalten und verkaufen. Gleichzeitig werden Landwirte als Teil der Lieferkette immer häufiger verpflichtet, auch emissionsarme Produktionsmethoden anzuwenden. Auch das ist aus unserer Sicht mittelfristig ein Treiber für die Kombination von Agri-PV und Landwirtschaft. Hier entstehen neue Partnerschaften, Geschäftsmodelle und langfristige Verbindungen, bei denen Landwirte als Lieferanten von Agrarprodukten und Energie, etwa in Form von Power Purchase Agreements (PPA), eine größere Bedeutung für ihre Kunden in der Wertschöpfungskette erlangen.