Rund 50 Interessierte informierten sich am Donnerstag (16. Januar) auf der Biogasanlage „LipperLandEnergie“ im ostwestfälischen Dörentrup über die aktuelle Lage der Biogasbranche. Unter den Besuchern waren Vertreter von Politik, Landwirtschaftskammer, Landwirtschaft und Gemeinden. „Wir merken, dass sich mittlerweile nicht nur Biogasanlagenbetreiber, sondern auch Kommunen oder Gewerbebetriebe Sorgen um die Zukunft der Anlagen machen. Denn was passiert, wenn eine Anlage stillgelegt wird und plötzlich die Wärmeversorgung für ein ganzes Dorf oder einen Industriebetrieb wegbricht?“, fragt Biogasberater Dr. Christian Riessen von der GBB Unternehmensberatung aus Hamburg.
Die LipperLandEnergie ist einer von vier Initiatoren der Kampagne „Biogas ist Zukunft, die mit Veranstaltungen wie dieser auf die Misere im Biogasbereich aufmerksam machen will.
Fünffach überbaute Anlage
Die Biogasanlage der LipperLandEnergie mit vier Satellitenstandorten hat 1,8 MW Dauerleistung und 5,6 MW installierter Leistung, ist also fünffach überbaut. Wichtigstes Merkmal ist der kugelförmige Biogasspeicher mit knapp 27.000 m3 Volumen, einer der größten in ganz Deutschland. Dazu kommen ein Wärmepufferspeicher mit 1.000 m3 am Anlagenstandort sowie drei mit je 500 m3 an drei der Satellitenstandorten. Damit hat die Anlage ein Verschiebungspotenzial von 60 Stunden. Das bedeutet: Bei Stromüberschüssen wie z.B. an vielen Wochenenden kann das BHKW 60 Stunden ruhen, während die Gasproduktion weiter läuft. „Die Anlage ist extrem zukunftsfähig aufgestellt und für die Herausforderungen im Stromnetz sehr gut gerüstet“, sagt Riessen.
Auch bezüglich Substratzusammensetzung hat Geschäftsführer Henning Schoof die Hausaufgaben gemacht: Lag der Maisanteil der im Jahr 2011 in Betrieb gegangenen Anlage wie damals üblich bei 70 % (30 % waren Gülle), konnte Schoof ihn bis heute auf knapp über 30 % senken. „Wir setzen heute andere Rohstoffe wie Zuckerrüben, Ganzpflanzensilage und Mist ein“, sagt er.
Zu große Konkurrenz
Doch all das sorgt nicht dafür, dass er sich jetzt ruhig zurücklehnen und auf das Ende der ersten Förderperiode im Jahr 2031 warten kann. Denn er ist überzeugt: „Genau wie wir haben auch viele andere zukunftsfähige Biogasanlagen gute Wärmekonzepte und eine starke Überbauung. Sie kämpfen jetzt alle um einen Zuschlag.“ Damit macht er deutlich: Auch vermeintlich gut aufgestellte Anlagen werden angesichts des zu geringen Ausschreibungsvolumen auf der Strecke bleiben und könnten stillgelegt werden.
Vor diesem Hintergrund unterstreichen Riessen und Schoof die von der Biogaskampagne vorgeschlagene Erhöhung des Flexibilisierungszuschlags von heute 65 auf 120 €/kW. „Diese Investitionsförderung wäre auskömmlich, um die Flexibilisierung auch bei bestehenden Anlagen umzusetzen und somit diese Anlagen zukunftsfähig zu machen“, rechnet Riessen vor.
Dagegen ist das vom Fachverband Biogas vorgeschlagene Ausschreibungsvolumen von 1.800 MW wahrscheinlich nicht oder nur knapp ausreichend, da zusätzlich zu den jetzt neu ans Förderende kommenden Anlagen auch diejenigen dazukommen, die seit zwei Jahren auf einen Zuschlag warten. Hier wird es insbesondere in den nächsten zwei Jahren einen massiven Nachfrageüberhang geben. „Alternativ könnte man auch festlegen, dass mit den 1.800 MW nicht die installierte, sondern die durchschnittliche Leistung, also die Bemessungsleistung gemeint ist. Dann würde es auch passen“, schlägt Riessen vor. Dann würde eine Biogasanlage, die heute 500 kW hat und 2 MW zubaut, nicht mit 2,5 MW in die Ausschreibung gehen, sondern mit der geplanten zukünftigen Leistung in Höhe von 500 kW.
Was noch nötig wäre
Weitere Forderungen:
Bereits überbaute Anlagen sollten noch ein weiteres Mal flexibilisieren können. „Es ist tatsächlich so, dass die teuersten 1.000 Stunden des Jahres einen deutlich höheren Marktwert haben als die 2.000 teuersten Stunden. Daher sind Überlegungen zur zehnfachen Überbauung aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant“, erklärt Riessen.
Das Ausschließlichkeitsprinzip sollte wegfallen. Nawaro-Anlagen müssen auch Getreideabputz, Kartoffelschalen usw. einsetzen dürfen.
Netzverknüpfungspunkte sollten sich überbauen lassen, sodass der Anschluss an das Stromnetz der Flexibilisierung nicht im Wege steht. „Was spricht dagegen, an einem ausgereizten Netzverknüpfungspunkt noch eine flexible Biogasanlage aufzunehmen? Diese speist in Stunden hoher Wind- oder Solareinspeisung ohnehin nicht“, erläutert der Berater.
„Wir wollen mit unserer Kampagne aber deutlich sagen, dass wir nicht einfach nur die Hand aufhalten und ein Weiter-so wollen. Wir machen der Politik ein Angebot, das zwar Geld kostet, aber eindeutig viel günstiger ist als die angedachten neuen fossilen Gaskraftwerke“, sagt Schoof.
Wärmekunden alarmiert
Aus diesem Grund sind mittlerweile auch viele Kommunen und andere Wärmeabnehmer alarmiert. Erste Anlagen haben die Wärmelieferverträge zum Ende des Jahres 2025 gekündigt. „Deutschland steht ein Sterben von Wärmenetzen bevor, wenn sich jetzt nicht schnell etwas ändert“, sagt Riessen.
Das Problem ist, dass die Biogasanlagen viele Wärmenetze selbst gebaut haben. „Wenn die Anlage stillgelegt wird, kann die Kommune die Netze nicht einfach übernehmen und mit einer Hackschnitzelheizung betreiben“, sagt Riessen. Werden sich Betreiber und Kommune nicht einig, müsste das Netz neu gebaut werden – ein erheblicher Kostenfaktor. Zudem ist die Biogaswärme im Vergleich zu den Alternativen sehr günstig, klimafreundlich und nachhaltig. „Das ist für viele Kommunen spätestens seit der Gaskrise 2022 ein wichtiges Plus“, sagt Schoof.
Darum hoffen die Initiatoren der Kampagne, dass wegen des drohenden Wegfalls der Wärmeversorgung auch Gemeinden, Städte und Landkreise Druck auf die Länder und die Bundespolitik ausüben. „Der Wärmemarkt ist viel größer als der Strommarkt. Das muss endlich in die Köpfe der Politik!“, fordert Schoof.
Weitere Hemmnisse
Auf unserer heutigen Meldung "Nur noch 12 Tage: Welche Zukunft hat Biogas?" zum "Energiedialog 2025" haben wir von unserem Leser Frank Wolf folgende Rückmeldung erhalten. Er beklagt den fehlenden Netzanschluss und weitere Hürden, die einer weiteren Flexibilisierung im Wege stehen:
"Für mich als Biogasanlagenbetreiber ist das Kernproblem beim aktuellen Entwurf, dass ich nicht (weiter) flexibilisieren kann, weil das Stromnetz derart voll ist, dass ich nicht einspeisen darf. Vom Netzbetreiber wurde ein Zeitkorridor von 8 bis 10 Jahren in den Raum gestellt, bis der Netzengpass behoben ist. Bis dahin ist "die Messe gelesen"! Die Politik muss zuerst einmal mit den Netzbetreibern über die Netzkapazitäten sprechen und in Erfahrung bringen, ob nennenswerte Flexibilisierungen möglich sind.
Dann kommen noch weitere Hemmnisse aus dem Genehmigungsrecht (privilegiert, Sondergebiet, StörfallVO) hinzu. Und auch der Maisdeckel ist ein Thema. Wenn man kostengünstigen Strom aus Biomasse will, dann muss man die Verwendung von Mist und Gülle fördern und den Maiseinsatz nicht beschränken. Hat dieser doch neben günstigen Kosten auch einen sehr niedrigen CO2-Fußabdruck im Vergleich zu anderer Anbaubiomasse."