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topplus Flexibler Stromverbrauch

Bundesnetzagentur plant Reform der Netzentgelte für Industrie

Industrie und Gewerbe sollen reduzierte Netzentgelte zahlen, wenn sie in Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen und umgekehrt.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Bundesnetzagentur will die Regelung zu den Netzentgelten für Industrie- und Gewerbekunden weiterentwickeln. „Die alten Netzentgeltrabatte entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines Stromsystems, das von hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung geprägt ist. Wir wollen zukünftig systemdienliches Verbrauchsverhalten der Industrie besonders anreizen,“ sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA).

Industrie und Gewerbe sollen reduzierte Netzentgelte zahlen, wenn sie in Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen. Andersherum erhalten sie auch dann eine Reduktion der Netzentgelte, wenn sie in Zeiten eines knappen Stromangebots weniger Strom verbrauchen. Als Regelgröße sieht die BNetzA den Börsenstrompreis.

Regionale Ausnahmen und Übergangsregelungen

In Regionen mit einer geringen dezentralen Einspeisung aus Erneuerbaren entstehen Engpässe eher aufgrund der Nachfrage. Hier können Reaktionen auf das Marktsignal mitunter auch engpassverschärfend wirken. Insofern möchte die Bundesnetzagentur diskutieren, ob und wie regionale Ausnahmen geschaffen werden können, bis der Netzausbau einen Stand erreicht, der eine Stärkung des Marktsignals bundesweit ermöglicht.

Bestehende Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte sollen nicht unmittelbar ihre Wirkung verlieren. Es ist vorgesehen, den Unternehmen Übergangsfristen zu gewähren, die eine Umstellung der Produktion und die Realisierung von Flexibilitätspotentialen ermöglichen.

Hintergrund Industrienetzentgelte

Die Stromnetzentgelte beinhalten verschiedene Privilegierungstatbestände für Industrie und Gewerbe, die ein bestimmtes Verhalten anreizen. Bei der sogenannten atypischen Netznutzung zahlen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher ein reduziertes Entgelt, wenn ihre Jahreshöchstlast von der Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz abweicht. Hierdurch sollte die erforderliche Netzdimensionierung begrenzt werden.

Dagegen hat die Bandlast den Zweck, eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher anzureizen.

Durch die Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV erzielen im Jahr 2024 rund 400 Bandlastkunden und rund 4200 atypische Netznutzer in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur insgesamt Netzentgeltreduzierungen von über 1 Mrd. €. Die den Netzbetreibern in der Folge entgehenden Erlöse werden durch eine Umlage an alle Netznutzer gewälzt. Diese beträgt im laufenden Jahr 0,643 ct/kWh.

Durch die Energiewende verändert sich die Stromerzeugerlandschaft eklatant. Dies führt unweigerlich auch zu veränderten Erfordernissen im Netzbetrieb. Dementsprechend ist eine Neubewertung der Anreize erforderlich, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden.

Die Bundesnetzagentur sucht den intensiven Austausch mit der Branche, um die genannten Ziele zu erreichen. Das Eckpunktepapier ist unter www.bundesnetzagentur.de/eckpunkte-industrie veröffentlicht. Die Konsultation erfolgt bis zum 18.09.2024. Die Regelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Bewertung der Branche

„Mit dem Eckpunktepapier hat die BNetzA einen ersten Schritt in Richtung variabler Netzentgelte gemacht. Neben dem zügigen Ausbau von Wind- und Solarenergie sind Anreize für eine Flexibilisierung des Verbrauchs eine der nächsten großen Aufgaben der Energiewende“, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE).

Hier setze das Papier der BNetzA an: Mit den Netzentgelten sollen Signale an industrielle Verbraucher gesendet werden, sich marktdienlich und systemisch zu verhalten. Das sei sehr zu begrüßen. „Mit dem Vorschlag könnten Preisschwankungen am Strommarkt reduziert, die Netze entlastet und Kosten gesenkt werden. Somit werden die Vorteile, die die Erneuerbaren Energien der Industrie und Volkswirtschaft bringen, deutlich sichtbarer“; sagt sie.

Bewertung der Wissenschaft

Prof. Dr. Andreas Löschel, Professor am Lehrstuhl für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, begrüßt das Eckpunktepapier ebenfalls, berichtet das Science Media Center (SMC):

„Netzentgelte spielen eine immer größere Rolle und sollten so ausgestaltet sein, dass sie das nachhaltige Energiesystem der Zukunft unterstützen und Lasten gerecht verteilen. Mit Blick auf den Einsatz von Flexibilitätsoptionen ist dies in der aktuellen Ausgestaltung nicht mehr der Fall.“ Deshalb sei es gut, dass die Privilegierung für eine konstant gleichbleibende Stromnachfrage durch stromintensive Unternehmen rasch auslaufen soll.

Diese Regelung habe die Anreize für ein systemdienliches Nachfrageverhalten als Antwort auf schwankende Strompreise auf den Strommärkte in der Industrie gehemmt.

So beurteilt Löschel die weiteren Regelungen:

  • Der Vorschlag für variable und dynamischen Netzentgelte sei grundsätzlich sehr begrüßenswert. So könne in den Zeiten hoher lokaler Stromeinspeisung oder hoher Stromnachfrage ein wichtiger Anreiz zur Flexibilitätsbereitstellung in Form niedriger beziehungsweise sogar negativer oder hoher Netzentgelte gesetzt werden.

  • Das vorgeschlagene Sondernetzentgelt ziele zurecht darauf ab, Stromverbräuche in die Zeiten zu verlagern, in denen viel günstige Erzeugung zur Verfügung steht. Hier werde richtigerweise auf das Marktsignal und die angestrebte Stärkung des Marktsignals hingewiesen.

Zusammenspiel mit Stromgebotszonen

Hier wird laut Löschel ein zentrales Problem des Vorschlags zur Neuregelung der Netzentgelte für die Industrie deutlich: „Augenblicklich gibt es keine sinnvolle Preissignale im deutschen Strommarkt, vielmehr werden regionale Unterschiede bei Stromangebot und -nachfrage ignoriert. Notwendig sind aber lokale Preise, um die Flexibilitäten – auch die industriellen Flexibilitäten – netzdienlich einzusetzen.“

Gäbe es diese lokalen Preise, könnten dynamische Netzentgelte relativ einfach als Hebel genutzt werden. Ist dies nicht der Fall, dann braucht es einen komplexeren Ansatz, der auf Bürokratieaufwand und potenzielle Fehlanreize für den Strommarkt zu prüfen ist. Wenn in diesem Kontext systemdienliches Verhalten und Netzentgeltprivilegierung an (falschen) Preissignalen gemessen würden, kann der – an sich gute Vorschlag – zu den Sondernetzentgelten nicht seine volle Wirkung entfalten.“

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