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Bundeswaldinventur: Hilft ein Stopp der Holzverbrennung dem Klimaschutz?

Ein Leser hat kritisch auf die Vorschläge der Verbände, Forstwissenschaftler und Politiker reagiert, die eine Verjüngung des Waldes anmahnen. Wir haben Forstexperten um eine Stellungnahme gebeten.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Wälder in Deutschland tragen nicht wie erwartet zur Speicherung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 bei. Das ist das Ergebnis der jüngsten Bundeswaldinventur (BWI).

Die Ergebnisse wertet der Fachverband Holzenergie (FVH) als Auftrag, die Wälder aktiv an den Klimawandel anzupassen. In unserer Meldung berichten wir über das Argument des Fachverbandes, dass die aktive Bewirtschaftung und Nutzung der Wälder den Walderhalt sichere. Die energetische Verwertung von Rest- und Nebenprodukten aus der Forstwirtschaft und Holzverarbeitung erfüllt laut Verband zwei wichtige Aufgaben: Zum einen schafft sie für Waldbesitzer und holzverarbeitende Industrien einen wichtigen Absatzmarkt und hilft damit, Waldbesitzern die Bewirtschaftung und den Waldumbau zu finanzieren. Zum anderen ersetzt energetisch genutztes Holz fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas und stellt damit eine verlässliche erneuerbare Energiequelle dar.

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Die Gegenargumente

„Der erste Satz im Artikel ist leider schon falsch. Der Wald ist zum CO2-Emittenten geworden, nicht weil das Totholz zugenommen hat, sondern weil die Menge des im Wald gespeicherten Kohlenstoffs zurück gegangen ist“, schrieb uns dazu Leser Philip Dümig. „Wie die FNR-Grafik zeigt, zählt Totholz ebenfalls zum Kohlenstoffspeicher und hat auch aus Sicht der Biodiversität erfreulicherweise zugenommen. Den stärksten Rückgang verzeichnet die Oberirdische Biomasse (- 32 Mio. t Kohlenstoff). Das liegt, wie richtig beschrieben, an unfreiwilligen Entnahmen (Sturmschäden, dürregeschädigte Bäume oder Käferholz), an freiwilligen, geplanten Entnahmen, aber auch an Waldbränden.

Dass der Wald kein Klimaschützer mehr ist, muss jeden besorgen. Doch was ist nun am besten zu tun? Für den Klimaschutz ist nicht entscheidend, wieviel Kohlenstoff der Wald innerhalb eines Jahres aufnimmt, sondern wieviel Kohlenstoff insgesamt nicht mehr in der Atmosphäre ist, also langfristig gespeichert wird.

Die Speicherung muss dabei nicht zwangsläufig im Wald als Holzvorrat passieren. Herr Riedel merkt richtigerweise an, dass langlebige, hochwertige Holzprodukte, also stofflich genutztes Holz, den Kohlenstoff länger speichern. Der stofflichen Nutzung ist gegenüber der energetischen Nutzung dringend Vorrang einzuräumen.

Absolut kontraproduktiv wäre es für den Klimaschutz, wenn man unter dem Deckmantel der Verjüngung alte Bäume aus dem Wald entnimmt und sie dem Fachverband Holzenergie zum Verbrennen gibt. Denn dann würde der in diesem Holz gespeicherte Kohlenstoff direkt in die Atmosphäre abgegeben und der Wald würde so noch stärker zum CO2-Emittenten werden, während dagegen z.B. bei Stilllegungen die natürliche Zersetzung jahrzehntelang dauert und über den biodiversitätsfördernden Umweg Totholz abläuft.“

Auch NABU fordert Stilllegung

„Die neue Bundeswaldinventur belegt, dass seit 2017 in deutschen Wäldern im Rahmen der forstlichen Nutzung mehr Bäume gefällt wurden, also mehr Holz genutzt wurde, als nachgewachsen ist. Das bedeutet, dass die gesetzlich zur Nachhaltigkeit verpflichtete Forstwirtschaft durch hohe Einschläge seit Jahren nicht mehr nachhaltig ist“, schlussfolgert auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Als wichtigste Säule der forstlichen Nachhaltigkeit müsse mehr Holz im Wald nachwachsen, als durch Fällung genutzt werde. Werden durch Schadereignisse also vermehrt kranke Bäume geschlagen (Kalamitäts-Zwangsnutzung), müssten dafür entsprechend weniger gesunde Bäume gefällt werden, so dass die Holzmenge im Wald (Vorrat) und damit der Kohlenstoffspeicher nicht abnehmen. Dazu Dr. Nick Büscher, stellvertretender Vorsitzender des NABU Niedersachsen: „Fakt ist, dass der Wald weiter eine sehr effektive CO2-Senke und ein noch vielfach größerer CO2-Speicher ist. Die nicht mehr nachhaltige Forstwirtschaft ist aber nun zur CO2-Quelle geworden, da sie dem Wald mehr Holz entnimmt als in Zeiten der Klimakrise nachwachsen kann.“

Damit Niedersachsen seine verpflichtenden Klimaziele erreichen kann, müsse der Einschlag gesunder Laubbäume und Kiefern so weit reduziert werden, dass sowohl der Verlust der Fichte als auch der dürrebedingte geringere Zuwachs ausgeglichen werden können. Nur so können die Holzvorräte wieder wachsen und die Senken-Leistung der Forstwirtschaft wieder hergestellt werden.

Verjüngung notwendig

„In unserem Wald werden keine Bäume gefällt, um sie zu verbrennen“, entgegnet Prof. a. D. Roland Irslinger, von 1982 bis 2014 Professor für Waldökologie an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar, auf die Kritik. Die Ursache für die Verringerung der im Wald gespeicherten Menge an Kohlenstoff in den letzten Jahren sieht er in erster Linie der Klimawandel und die Überalterung unserer Wälder. „Der Wald muss verjüngt werden, damit die nächste Waldgeneration rechtzeitig gesichert ist; das dabei entnommene Holz wird z.T. stofflich, zu einem anderen Teil energetisch genutzt.“

Versäume man den richtigen Verjüngungszeitpunkt, komme es zu altersbedingtem Absterben von Bäumen durch Hitze, Trockenheit, Pilze und Borkenkäfer, auch bei den Laubbaumarten.
Jede Landschaft besitzt eine durch das Klima vorgegebene maximale Kohlenstofftragfähigkeit (Holzvorrat). „Dieser oberen Grenze sind wir in Mitteleuropa sehr nahe, durch den Klimawandel wird die maximale Kohlenstofftragfähigkeit sinken. Dagegen könnte der verstärkte Anbau von Douglasien helfen“, sagt er.

Alte Bäume speichern weniger

Eine rechtzeitige Verjüngung des Waldes ist laut Irslinger auch aus Gründen des Klimaschutzes sinnvoll, weil der Wald mit zunehmendem Alter immer weniger Kohlendioxid speichert, d.h. mit zunehmendem Alter tendiere die Waldsenke gegen null. „Der nachfolgende junge Wald nimmt dauerhaft mehr Kohlenstoff auf als der vorausgegangene alte Bestand“, begegnet er der Forderung nach weniger Holzentnahme.

Die Totholzmenge in unseren Wälder ist laut Irslinger um ein Drittel angestiegen. Das ist kritisch für den Klimaschutz: „Die Zersetzung von Totholz läuft nach neuesten Untersuchungen relativ schnell ab, der Massenverlust beträgt bei mittleren Stammdurchmessern je nach Baumart zwischen 50 und 70 % innerhalb von zehn Jahren. Totholz der Buche wird besonders schnell abgebaut, das Holz von Fichten und Douglasien sehr viel langsamer.“ Dünnes Holz, z.B. Waldrestholz, werde noch schneller abgebaut. Totholz setze dieselbe Menge an CO2 frei wie beim Verbrennen.

Auch in der aktuellen Bundeswaldinventur heißt es dazu: „Aus Sicht des Klimaschutzes ergeben sich zwei Aspekte aus der Alterszunahme des Waldes: Zum einen nimmt flächenbezogen der Zuwachs und damit die Kohlenstoffbindung und die Klimaschutzwirkung im hohen Alter ab. Zum anderen kann der Klimawandel den Standort so verändern, dass nun andere Herkünfte und Baumarten an den neuen Standort angepasst sind.“

Mehr Licht und Nährstoffe

Waldbestände müssten durch Jungbestandspflege und Durchforstung gepflegt werden, um die Konkurrenz zwischen den Bäumen zu regeln. Dadurch werde der verbleibende Waldbestand stabilisiert, weil pro Baum mehr Licht, mehr Wasser und mehr Nährstoffe zur Verfügung stünden. „Bäume aus gepflegten Waldbeständen haben größere Dimensionen und bessere Qualitäten, sie können damit zu einem höheren Anteil stofflich verwertet werden, was Vorteile für die stoffliche Verwertung und damit den Klimaschutz hat“, argumentiert er. Die optimale Bestandesdichte müsse vom Förster vor Ort jeweils neu abgeschätzt werden.

Die Autoren der aktuellen Bundeswaldinventur haben noch ein weiteres Argument: „Insbesondere bei Kalamitäten können Mehrschichtigkeit und Vorausverjüngung vorteilhaft sein: Fällt die alte Waldge­neration aus, steht die neue Generation schon am Start.“

Verdrängung von fossilen Brennstoffen

Bei Jungbestandspflege und Durchforstung fällt dünnes Waldrestholz an, das zu einem großen Teil sinnvollerweise energetisch genutzt wird. Damit spricht Irslinger einen wichtigen Punkt an, der in der Diskussion immer wieder vergessen wird: Der Ersatz von fossilen Brennstoffen. „Der Wald ist Klimaschützer durch den Kohlenstoffspeicher Wald, die Holzprodukte und den Humus im Waldboden sowie durch die Substitutionseffekte bei der energetischen und stofflichen Nutzung des Holzes.“
Pro Kubikmeter geernteten Holzes wird die Emission von rund 1 t an fossilem CO2  vermieden, indem der stoffliche Anteil in Holzprodukten landet und die Resthölzer verbrannt werden – z.B. in Form von Pellets, die aus Sägespäne hergestellt werden.  „Diese Vermeidung ist permanent, also quasi auf ewig. Wachsen lassen würde bedeuten, dass der Kohlenstoff nur vorübergehend im Wald gespeichert wird, bis der Wald durch Überalterung und Klimawandel abstirbt und zur Quelle wird“, erklärt er. Dies wäre nicht nachhaltig, weil unsere Kinder und Enkel mit hohen CO2-Emissionen aus den absterbenden Wäldern belastet würden.

Totholz und Artenvielfalt

Ein Argument der Kritiker, Totholz zur Steigerung der Artenvielfalt im Wald zu lassen, ist laut Irslinger auch nicht stichhaltig: „Für die Artenvielfalt im Wald ist aber nicht die Menge an Totholz, sondern die Vielfalt der Habitate und Baumarten entscheidend. Dabei erweisen sich Buchenwälder als weit weniger bedeutsam für die Biodiversität, als weithin angenommen.“ Der Wirtschaftswald habe durch seinen mosaikartig über die Fläche wandernden Lichteinfluss eine höhere Biodiversität als der sich selbst überlassene Wald.

„Die nachhaltige Waldbe­wirtschaftung strebt einen angemessenen Totholzanteil zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur Förderung des Nährstoffkreislaufes aktiv an. Dabei ist der Anstieg der Totholzmenge ökologisch vorteilhaft“, erkennt auch das für die Bundeswaldinventur zuständige Thünen-Institut für Waldökosysteme an. Totholz und der aus seiner Zersetzung entstehende Humus würden zur Kohlenstoffspeicherung, zur Bodenfruchtbarkeit und zur Wasserhaltekapazität beitrage. „Allerdings sind durch die Kalamitäten seit 2018 außerordentlich viele Bäume abgestorben und damit zu Totholz geworden. Dieses Holz ist zum großen Teil wirtschaftlich nutzbar und wurde geerntet. Denn ein wirtschaftender Forstbetrieb ist auf die Einnahmen für sein Produkt „Holz“ angewie­sen“, heißt es darin weiter. 

Außerdem könne vor allem das stehende Totholz und Kronentotholz in lebenden Bäumen die Arbeitssi­cherheit und die Verkehrssicherheit gefährden. Zudem erhöhe es zumindest für wenige Jahre die Brandlast und damit die Waldbrandgefahr, bis insbesondere die dünnen Äste abgebrochen und vermodert sind. Auch dies kann es empfehlenswert erscheinen lassen, Totholz zu ernten. So sind die Vor- und Nachteile bei Belassen oder Nutzung von Totholz abzuwägen.

Stoffliche Nutzung hat Vorrang

Die Forderung, der stofflichen Nutzung Vorrang einzuräumen, ist nach Ansicht des Experten richtig und wird in Deutschland praktisch voll umgesetzt. „Stammholz wird in Deutschland praktisch nicht verbrannt. Holz, das stofflich verwertet werden kann, ist deutlich teurer als Brennholz, niemand würde für sein Brennholz den Stammholzpreis bezahlen“, argumentiert er.

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