„Wir müssen so schnell wie möglich 50 Gaskraftwerke in Deutschland bauen, die sofort ans Netz gehen. Schauen Sie mal aus dem Fenster: Wir sind jetzt schon wieder in einer Dunkelflaute. Ich vermute, wir werden immer wieder an der Strombörse in Leipzig die höchsten Strompreise haben, die wir in den letzten Jahren gesehen haben“, sagte der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am 20. Januar im Interview mit t-online.
Heiner Schönecke, Geschäftsführer der Ardestorfer Bioenergie aus dem niedersächsischen Neu Wulmstorf kritisiert diese Aussage. „Wir Biogasbetreiber in Deutschland sind schon heute in der Lage, einen Großteil dieser Anforderungen auch morgen umzusetzen. Die 10.000 Biogasanlagen können einen großen Beitrag zu einer Kraftwerksstrategie leisten und stehen bereit, minutengenau die Gesamtpower dieser Anlagen einzubringen und abzuschalten“, sagte Schönecke bei einem Pressetermin vergangene Woche auf seiner Anlage.
Er hatte dazu den parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Hendrik Hoppenstedt, und einige Bundestagskandidaten der CDU aus dem Elbe-Weser-Gebiet am 23.01.2025 zu einem Gespräch auf die Biogasanlage eingeladen und machte dabei deutlich, welches Potenzial in der Biogastechnik steckt: „Hier auf unserer Biogasanlage halten wir schon heute dauernd mit 35.000 m³ Gasspeicher eine Wochen-Gas-Produktion vor. Allein der Jahresvorrat an Biomassespeicher in den Fahrsilos des Betriebes beträgt 28.000 Tonnen.“
„Jede Anlage hat ein Haltbarkeitsdatum“
Biogasanlagebetreiber könnten regional erzeugen, technisch aufrüsten und vorhandene Leitungsstrukturen nutzen. „Wir haben in der Energiekrise 2022 ohne große Investitionen punktgenau 25% mehr Gas produziert, nämlich fast 5,3 Millionen Kubikmeter“, sagte er. Damit könnten die Anlagen die neue Herausforderung „Dunkelflaute in Deutschland“ lösen. Schönecke bezeichnet diese Wetterlage als Biogaswetter.
Doch das sei keine Selbstverständlichkeit für ewig. Denn jede Biogasanlage habe – bedingt durch die 20jährige Förderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz – ein Mindesthaltbarkeitsdatum. „Unser Datum ist der 31.12.2031. Danach werden wir das EEG abgearbeitet haben. Es ist eine tickende Uhr, die politisch in Berlin gestellt wurde und nun gegen uns tickt.“
Wie jede andere der knapp 10.000 Biogasanlagen in Deutschland wartet auch die Ardestorfer Bioenergie auf politische Entscheidungen. „Landwirte in ganz Deutschland, wie auch wir, haben 2002 ganz genau hingehört, als die damalige grüne Landwirtschaftsministerin Renate Künast die Landwirte aufforderte, Energiewirte zu werden. 2004 setzte Umweltminister Jürgen Trittin noch die Überschrift ‚Landwirte werden die Ölscheichs der Zukunft‘. Wir haben der Politik vertraut und haben investiert“, machte er aufmerksam.
Überall in Deutschland gäbe es Biogasanlagen mit insgesamt über 40.000 Arbeitsplätzen. Sie leisteten heute schon regenerativ, flexibel und dezentral einen zentralen Beitrag zur kommunalen Wärmewende und versorgten hunderttausende von Haushalten und Betrieben mit erneuerbarer Energie und Wärme. „Die wirtschaftliche Wertschöpfung bleibt damit vollständig im Land. Es muss verhindert werden, dass Biogasanlagen zum Abschalten gezwungen werden!“
Hoppenstedt: „Bioenergie ist unabdingbar“
„Die Sicherung und Erhöhung der installierten Leistung von Biogasanlagen ist unabdingbar, um in Deutschland in den kommenden Jahren eine sichere Stromversorgung auch während der ‚Dunkelflaute‘ zu gewährleisten. Die Bioenergie ist regelbar und flexibel und zudem ist sie auch netzdienlich“, bestätigte Hoppenstedt.
Die Bioenergie sei die perfekte Ergänzung zu Sonne und Wind und müsse für ihn ganz klar eine Zukunft haben. „Deshalb braucht sie dringend eine Perspektive. Wenn eine Anlage vom Netz geht, dann ist das endgültig.“
Biogasanlagen seien im ländlichen Raum fest integriert. „Sie sind die Basis für viele Nahwärmenetze und ersetzen nicht nur Gas- und Ölheizungen in Wohnhäusern, Schulen und Schwimmbädern, sondern sparen auch jährlich tonnenweise klimaschädliches CO2 ein. Reservekraftwerke mit Biogas sind ein verlässliches Standbein der Energiewende“, bestätigte der parlamentarische Geschäftsführer. Das Aus vieler Biogasanlagen, hinter denen meistens Familienbetriebe stehen, sei nicht nur energiepolitisch kurzsichtig, sondern wäre auch ein Tiefschlag für die ländlichen Räume und für die Klimaziele.
Die Union habe sich laut Hoppenstedt intensiv dafür eingesetzt, dass Bioenergie eine Perspektive bekomme, mit einer Anpassung des Ausschreibungsdesigns, mit einer Erhöhung der Ausbauziele, mit einer Erhöhung des Flexibilitätszuschlages, mit Rahmenbedingungen, die einen Anreiz geben, Biogasanlagen zu flexibilisieren, und mit weiteren guten Vorschlägen. „Der Erhalt bestehender Biogasanlagen ist für das Gelingen der Wärmewende unbedingt notwendig“, so sein Appell.
Großkraftwerke: Riesige Summen
Welche Folgen der Fokus auf Großkraftwerke hätte, sieht Schönecke tagtäglich an der Schieflage der Energieproduktion im nahegelegenen Hamburg. Die Stadt baute das europaweit modernste Kohlekraftwerk in Moorburg. Bis 2015 wurden rund 3 Mrd. € dort verbaut. Nun wird es abgerissen und es soll dort Wasserstoff aus erneuerbaren Energien produziert werden. „Stand heute sind nur die Zahlen der öffentlichen Bezuschussung bekannt, dass allein Bund und Land 200 Millionen Euro als Teil einer strategischen Umstellung hin zur Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr ermöglichen soll“, sagte Schönecke.
Die Biogasbranche sehe die derzeitigen Ausschreibungsvolumina als völlig unzureichend und fordert eine angemessene Förderung der Flexibilisierung. „Unsere Branche hat in den letzten Jahren erhebliche Investitionen getätigt, um Reststoffe sinnvoll zu vergären und die Wärmewende voranzutreiben. Wenn der aktuelle politische Kurs so fortgesetzt wird, droht nicht nur eine Lücke in der Energieversorgung, gerade im ländlichen Raum, sondern es wird sich auch das Stilllegen von Anlagen fortsetzen.“ Deutschland wiederhole damit die Fehler, die schon beim Abstellen der Atomkraft in Deutschland gemacht wurden, indem wir das eine abstellen, ohne eine Alternative zu haben.“