Die Bundesnetzagentur beabsichtigt, Netzbetreiber mit besonders hohen Kosten durch den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung zu entlasten und alle Stromverbraucher fairer an den Kosten zu beteiligen. Darum werden die sogenannten Netzentgelte anders auf die Stromkunden verteilt.
Hintergrund ist, dass viele Stromverteilernetze für die Aufnahme und den Weitertransport des regional erzeugten erneuerbaren Stroms ausgebaut und digitalisiert werden. Dies verursacht zusätzliche Kosten. Die Kosten treten bundesweit in unterschiedlichem Maße auf. Grund dafür ist, dass Windenergie vorwiegend im Norden und großflächige Freiflächen-Photovoltaik in überwiegend ländlichen Regionen entstehen. „Wir wollen faire Netzentgelte für die Menschen und Unternehmen, die in Regionen mit einem starken Ausbau der Erneuerbaren leben beziehungsweise wirtschaften. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und Investitionen in die Netze kommen allen zugute. Unser Ziel ist es, eine gerechtere Verteilung der Kosten zu erreichen“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Der deutlichen Entlastung der betroffenen Regionen stehen damit überschaubare zusätzliche Kosten für alle Stromverbraucher gegenüber. Der Aufschlag auf das Netzentgelt wäre in 2024 um 0,605 ct/kWh höher ausgefallen. Dies bedeutet für einen durchschnittlichen Haushalt (3.500 kWh/a) zusätzliche Kosten von etwa 21 € pro Jahr. Zahlen für 2025 kann die Bundesnetzagentur noch nicht nennen.
Der Nordosten besonders betroffen
Alle Netzkosten werden über die Netzentgelte durch die Stromkunden refinanziert. Hierbei tragen die Kunden in den Netzregionen, die jetzt entlastet werden sollen, derzeit alle Kosten für die Integration der erneuerbaren Stromerzeugung. Damit verteilen sich die Kosten aktuell nicht gleichmäßig auf alle Netznutzer.
In weiten Teilen Nord- und Nordostdeutschlands sind die Netzentgelte – als Bestandteil der Stromkosten – merklich höher als in anderen Regionen Deutschlands. In einigen Netzgebieten betragen die Netzentgelte bis zu rund 15 ct/kWh, während es Regionen gibt, in denen diese unter 5 ct/kWh betragen. Auch innerhalb einiger Bundesländer wie zum Beispiel Bayerns und Baden-Württembergs unterscheiden sich die Netzentgelte deutlich.
Diese Entwicklung hat über die Jahre eine nicht weiter hinnehmbare Dimension angenommen. Sie würde sich mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren verschärfen. Mit der Novelle des Energiewirtschaftsrechts im Dezember 2023 hat die Bundesnetzagentur die Kompetenz erhalten, entsprechende Entscheidungen zu den Netzkosten zu treffen.
Schleswig-Holstein ist erleichtert
Die Netzentgelte im Gebiet der SH Netz sollen zum 1.1.2025 um etwa 30 % sinken, teilt das Unternehmen mit. Damit werden die Stromkunden des größten Netzbetreibers im Norden um rund 4,5 ct/kWh jährlich entlastet. Die jährliche Entlastungssumme im Gebiet von SH Netz liegt demnach bei mehr als 250 Mio. €. „Der unermüdliche Einsatz vieler Akteure über die letzten zehn Jahre hat sich gelohnt: Rund 4,5 Cent weniger Netzentgelte pro Kilowattstunde, das werden die Menschen in Schleswig-Holstein im Portemonnaie spüren. Damit werden die Kosten für den Netzausbau bundesweit gerechter verteilt“, kommentiert Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt die Änderung.
Seit 2014 gefordert
Schleswig-Holstein ist eine Vorreiterregion bei der Energiewende. Damit stößt hier früher als anderswo die alte, auf fossile Energieträger ausgerichtete Regulatorik an ihre Grenzen – etwa bei den hohen Netzentgelten aufgrund des regionalen Netzausbaus. „Die Bundesnetzagentur hat mit ihrer Neuregelung der Netzentgelte unseren Vorschlag aufgegriffen, weiterentwickelt und in die Praxis umgesetzt“, sagt Goldschmidt.
Seit 2014 hat sich das Umweltministerium von Schleswig-Holstein für eine Reform der Netzentgelte eingesetzt. Bereits seit vielen Jahren drängt das Land gemeinsam mit weiteren betroffenen Bundesländern auf eine Änderung der Verteilnetzentgelte und hat in diesem Zusammenhang zahlreiche Initiativen ergriffen. Dazu zählen unter anderem die Beschlüsse der Energieministerkonferenz.
Auch der Bundesrat hat auf Antrag Schleswig-Holsteins immer wieder eine gerechtere Verteilung eingefordert. Mit dem Gutachten der Consentec GmbH aus dem Jahr 2021 wurden verschiedene Modelle für eine gerechtere Verteilung geprüft, durchgerechnet und auf eine vertiefte fachliche Grundlage gestellt.
Auch der Koalitionsvertrag der regierungstragenden Parteien im Bund beinhaltet eine Reform der Netzentgelte, die die Transparenz stärkt, die Transformation zur Klimaneutralität fördert und die Kosten der Integration der erneuerbaren Energien fair verteilt. Die Bundesnetzagentur hat dies mit der Festlegung in eine konkrete Form gegossen, die kurzfristig zu einer faireren Verteilung führen wird. „Es kommt nun maßgeblich darauf an, dass die gesunkenen Netzentgelte durch die Vertriebe auch an die Verbraucher weitergegeben werden“, sagt Goldschmidt.