Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Karl-Günther Wiemer (77) kann inzwischen wieder lachen. Vergangene Woche zahlte Westnetz ihm rund 3.000 € für eingespeiste 30.000 kWh. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er viel Ärger hatte und erst monatelang auf den Zähler für seine Solaranlage und dann noch ein Jahr auf die Vergütung warten musste.
Neue PV-Anlage im Jahr 2022
Seit fast 20 Jahren betreiben er und sein Schwiegersohn als GbR in Bad Sassendorf im Kreis Soest eine Photovoltaikanlage. Strom, den sie nicht selbst verbrauchen, speisen sie voll ein. Diese Anlage haben die Betreiber einige Male erweitert. Im Sommer 2022 beschlossen sie, für 45.000 € eine weitere Anlage mit 36,7 kWp auf dem Scheunendach auf dem Betrieb des Schwiegersohns zu installieren.
Elektriker schmeißen hin
Wiemer beauftrage den Elektriker, der 2007 die erste PV-Anlage installierte. Dieser stellte im September 2022 den Antrag bei Westnetz in Arnsberg. Doch ein Vierteljahr passierte nichts, weil bestimmte Angaben fehlten. Der Installateur habe laut Wiemer mehrfach versucht, Westnetz zu kontaktieren. Vergeblich.
Im Januar 2023 meldete sich der Handwerker: „Karl, such dir jemand anderes. Ich habe keine Lust mehr auf Westnetz“, erinnert sich der 77-Jährige an die Worte, mit denen der Elektriker seine Zusage zur Installation der Solaranlage zurückzog. Notgedrungen suchte der Pensionär einen neuen Handwerker. „Aber auch dieser gab bald genervt auf, weil er keine Lust hatte, stundenlang bei Westnetz in der Warteschleife zu hängen“, berichtet Wiemer. Beim dritten Handwerker hatten die PV-Anlagenbetreiber mehr Glück. Mittlerweile war es Sommer 2023, als die neue Solaranlage aufs Dach kam. Jetzt fehlte noch der Zähler. Diesen lieferte Westnetz im Januar 2024.
Wieder Unterlagen schicken
Nun konnte die Betreiber-GbR die Anlage endlich in Betrieb nehmen und Strom einspeisen. Damit ist die Geschichte aber nicht zu Ende. Denn: Wo blieb das Geld? „Wieder schickte ich sämtliche Unterlagen an Westnetz, aber wieder bekam ich keine Rückmeldung“, schildert Wiemer. In den folgenden Monaten habe er mehrmals vergeblich versucht, das Unternehmen per Telefon, Mail oder Brief zu erreichen. „Ich habe wirklich gute Nerven“, sagt der 77-Jährige ehemalige Polizist, „aber zwischendurch war ich mit meinem Latein am Ende.“
Dann wandte er sich im Juli an die Hauptstelle von Westnetz in Dortmund. Daraufhin meldete sich ein Mitarbeiter. Wiemer sollte die Unterlagen erneut einreichen. Das tat er. Wieder Funkstille. Drei Monate später hakte er nach. Wieder musste er Formulare an Westnetz schicken. Wieder warten. Erst als der Pensionär im November die Presse einschaltete, kam Bewegung in die Sache. Dann ging alles schneller.
Wo klemmt es?
Wir fragten bei Westnetz nach, was in dem Fall schief gelaufen ist. Wie eine Sprecherin mitteilt, stellt es sich aus Unternehmenssicht etwas anders dar.
Beispielsweise war der Zählerantrag von vornherein fehlerhaft und unvollständig. Zum einen wurde eine Anlagenerweiterung beantragt, obwohl es eine neue Anlage ist. Zum anderen fehlten abrechnungsrelevante Unterlagen wie Kundendatenblätter und erforderliche Nachweise. Auch gab es abweichende Angaben bei den Anträgen. „Das macht allen mehr Arbeit“, sagt die Sprecherin, „es kann besser laufen, wenn die Anträge möglichst fehlerfrei und vollständig sind.“ Sie rät Kunden, künftig das Online-Einspeiseportal zu nutzen. Seit 1. Januar 2025 müssen Netzbetreiber nämlich ein Webportal zur Verfügung stellen, über welches Netzanschlussbegehren gestellt, übermittelt und bearbeitet werden können. Gleichzeitig räumt die Westnetz Bearbeitungsrückstände ein. Im Juni bekam sie ein neues IT-System. Doch es funktioniert immer noch nicht 100%ig. Daher stockt es bei der Auszahlung von EEG-Vergütungen. „Unsere Experten arbeiten mit Hochdruck daran, schnellstmöglich alle Funktionen im System wieder vollständig nutzbar zu machen. Wir bitten unsere Kunden, die damit verbundenen Einschränkungen und Verzögerungen zu entschuldigen“, wirbt die Sprecherin um Verständnis und versichert: „Die Kunden verlieren ihr Geld nicht. Es wird rückwirkend gezahlt.“
Intern hat Westnetz den Fall geprüft (siehe Kasten "Wo klemmt es?") und die Zahlung zum 15. Januar 2025 angewiesen – fast genau zwölf Monate nach Inbetriebnahme der Anlage am 16. Januar 2024, obgleich dabei vier Monate Einspeisevergütung wegen des spät gelieferten Zählers fehlten. Aber das will Wiemer auf sich beruhen lassen. „Ohne das Geld gehe ich nicht pleite, aber ich kriege mittlerweile einen dicken Hals, wenn ich ständig Berichte über den Erfolg von erneuerbaren Energien lese“, sagt er zum Abschluss seiner Geschichte und ergänzt, „rückblickend hätten wir die 45.000 € auch in Aktien investieren können.“
Energieministerium: Problem ist bundesweit relevant
Wiemer ist kein Einzelfall. Im Kreis Soest haben mehrere PV-Anlagenbetreiber Ärger. „Wir beantragten unsere Anlage im Juni 2023, unsere Nachbarn im Januar 2023. Geld haben wir bisher nicht gesehen“, erzählt ein Wochenblatt-Leser aus Lippetal. Er wartet seit 1,5 Jahren. Bereits zwei Jahren wartet Patrick Ganser. Die Tischlerei in Bad Sassendorf stellte im Juni 2022 den Antrag für eine 29,6-kWp-Anlage über einen zertifizierten Elektriker. Die Module wurden zwei Monate später installiert, der Zähler im Januar 2023 montiert. Jetzt soll das Geld kommen. „Telefonisch teilte Westnetz mir mit, dass der Vorgang nun bearbeitet wird, es aber noch dauern könne“, berichtet Ganser, „mal schauen wie lange.“ Den Betroffenen ist klar: So kann die Energiewende nicht funktionieren. „Das Problem ist bundesweit relevant“, teilt dazu ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums mit. Gründe sind vor allem die massiv wachsende Anzahl von Anschlüssen, die mangelnde Verfügbarkeit von Zweirichtungszählern und personelle Engpässe. Daher rief der Bund den „Branchendialog zur Beschleunigung von Netzanschlüssen“ ins Leben. Dieser soll Anregungen für die derzeit im Gesetzgebungsprozess befindliche Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes und des EEG geben. Es geht um Maßnahmen zur Standardisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung der Netzanschlussprozesse. Für die Umsetzung sind die Netzbetreiber verantwortlich.