Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Woran denken Sie, wenn Sie an den Teutoburger Wald denken? Nicole Heithecker antwortet prompt: „Naturerbe, Wandern, Wildtiere, Ruhe, Erholung.“ Und Windkraft? „Nein. Das ist eine Horrorvorstellung und ein absolutes Tabu“, betont die engagierte Naturschützerin aus Horn-Bad Meinberg im Kreis Lippe.
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Im Kreis Lippe sorgen Pläne zum Bau von insgesamt 33 Windkraftanlagen für Furore.
Gegner sehen die Anlagen im Teutoburger Wald als Tabu, Investoren als Chance.
Pikant: Die Standorte aller beantragen Anlagen widersprechen dem Regionalplan.
Wichtige Einnahmequelle
Der Landesverband Lippe, kurz LVL, sieht Windkraftanlagen im Wald ganz anders. Nämlich als eine Chance, Geld in seine leere Kasse zu spülen. Nach eigener Aussage steht der Landesverband seit vielen Jahren finanziell unter Druck. Man spart, wo es geht: Beispielsweise hat die Institution mit Sitz in Lemgo beim Personal von 1300 Stellen im Jahr 1975 auf 160 im Jahr 2025 abgestockt. Heute denkt man zudem für jedes Grundstück darüber nach, wie die Wirtschaftlichkeit verbessert werden kann – vorrangig für die Waldflächen. Der Verband besitzt 15.700 ha Wald. Doch die Waldwirtschaft ist ein Minusgeschäft. Dem Landesverband ist durch das Waldsterben ein Großteil des gesamten Nadelholzgeschäftes weggebrochen.
24 Windräder geplant
Der LVL beziffert sein Defizit seit 2018 auf 19 Mio. €. „Windenergie kann zukünftig eine wichtige Einnahmequelle werden“, kommentiert eine Sprecherin des Verbandes. Vor diesem Hintergrund plant der LVL insgesamt 24 Windräder in zwei Projekten in Horn-Bad Meinberg und in Schlangen:
Das eine Projekt umfasst elf Anlagen überwiegend auf dem Gebiet der Stadt Horn-Bad Meinberg. Am Naturschutzgebiet „Silberbachtal“ soll ein Windpark mit elf jeweils 263 m hohen Anlagen errichtet werden. Der LVL plant gemeinsam mit der Lackmann Phymetric GmbH, Paderborn. Die Pläne wurden im November 2024 bekannt.
Für das andere Projekt ging der Antrag im Dezember 2024 beim Kreis Lippe ein. Diesmal stellte der LVL den Antrag in Kooperation mit den Stadtwerken Kassel. Direkt angrenzend in den Gebirgswäldern hinter den Externsteinen sollen 13 Anlagen jeweils mit einer Gesamtbauwerkshöhe von 261 m errichtet werden.
Zum Vergleich: Die Externsteine sind rund 40 m hoch, das Hermannsdenkmal 53 m und der Kölner Dom ist 157 m hoch.
Sieben Anlagen abgelehnt
Doch nicht nur der LVL setzt auf Windkraft. Das Haus Lippe tut es auch. Der Chef, Stephan Prinz zur Lippe, will zusammen mit Westfalen Wind aus Paderborn Anlagen auf den Waldflächen zwischen Horn, Detmold und Schlangen errichten. Nach jahrelangem Gerangel kippte der Kreis Lippe Ende Februar 2025 die Anträge für den Bau von sieben Anlagen auf der „Gauseköte“ (siehe Karte). Nach Informationen will das Haus rechtliche Schritte einleiten.
Windhöffigkeit verspricht Wirtschaftlichkeit
Aber zurück zum Landesverband und seinem Motiv für „Wind im Wald“: Zur Frage, mit welchen Gewinnen der Verband durch die Projekte rechnet, äußerte man sich nicht, da es sich um ein laufendes Verfahren im Vorfeld der eigentlichen Antragstellung handele. „Klar ist, dass anhand der Windhöffigkeit der Gebiete eine positive Prognose der Wirtschaftlichkeit besteht. Klar ist auch, dass neben den Antragstellern auch die Kommunen und Anwohner finanziell profitieren werden, wenn Windenergieanlagen gebaut werden sollten“, so die Sprecherin.
Ökologisches Tafelsilber
Für Naturschützer Nico Bachus (NABU) sind die Pläne ein offener Tabubruch. „Es ist völlig inakzeptabel, dass gerade der LVL, der ja qua Existenz eigentlich zum Hüter und Bewahrer des Teutoburger Waldes bestimmt ist, unser ökologisches und naturtouristisches Tafelsilber unter dem Deckmantel des Greenwashings opfert.“
Bachus kämpft wie Nicole Heithecker gegen die Windparks im „Teuto“. Die BUND-Ortsgruppensprecherin betont dabei: „Wir sind eindeutig für den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber mit Augenmerk auf den Standort.“ Hier stellt sie die Naturverträglichkeit infrage: „Der Artenschutz darf nicht dem Klimaschutz geopfert werden.“
Naturschützer warnen: Windräder bedrohen Schutzgebiete
Die Naturschützer kritisieren scharf, dass sich die vorgesehenen Standorte aller 33 Anlagen im Wald in Trinkwasserschutzgebieten und in Bereichen, die für den Schutz der Natur vorgesehen sind, befinden. Zudem liegen alle diese Flächen in ökologisch hoch sensiblen Hotspots der Artenvielfalt, in unmittelbarer Nähe zum Geotop Externsteine, zum Silberbachtal und auf den einzigartigen Kammlagen des Teutoburger Waldes und der Egge. „Allesamt im Herzen des touristischen und ökologischen Highlights unserer Heimat“, betont Diana Ammer, Sprecherin der Nationalparkfreunde OWL, die eine Onlinepetition initiierten und inzwischen fast 12.000 Unterschriften gesammelt haben.
Kritik aus der Politik
Ammer ist auch für die Partei „die Linke“ Mitglied im Rat der Stadt Horn-Bad Meinberg. Auch dort sorgen die Pläne für Trouble. „Die Flächen für die Windkraftanlagen befinden sich alle außerhalb der bisherigen und der zukünftigen Regionalplanungsflächen“, ergänzt Ammer und kritisiert: „Die Vorhabenträger ignorieren hier die Landesentwicklungsplanung.“ Der Rat positionierte sich parteiübergreifend gegen die Pläne. Rückendeckung gibt es von der Bezirksregierung Detmold, die klarstellt, dass eine Inanspruchnahme von Waldbereichen für den Ausbau der Windenergie nur im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung zulässig ist.
Windenergienutzung ausgeschlossen
Grundlage der Entscheidung ist der bereits seit April 2024 rechtsgültige Hauptteil des Regionalplans OWL, der in Kapitel 4.11 („Wald“) die Bedingungen für Windkraftanlagen im Wald klar formuliert und festlegt. Daraus folgt: „Für die beantragten Standorte in Horn-Bad Meinberg sehen das kommunale Planungsrecht wie auch der Regionalplan diesen Bereich für den Wald vor und schließen entsprechend die Windenergienutzung aus“, erläutert Heinz-Dieter Krüger, Bürgermeister von Horn-Bad Meinberg. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Liegenschaften der Stadt schmetterte die Pläne einstimmig ab, ebenso die Nachbargemeinde Schlangen.
Für unseren Gesundheits- und Tourismusstandort wäre eine Errichtung an dieser Stelle jedoch nicht förderlich gewesen.
„Dabei sind wir keineswegs gegen die Windenergie. Denn unsere Stadt leistet mit 22 bestehenden und drei weiteren genehmigten Windenergieanlagen bereits einen erheblichen Beitrag mit regenerativen Energien durch Windkraft in unserem Stadtgebiet. Für unseren Gesundheits- und Tourismusstandort wäre eine Errichtung an dieser Stelle jedoch nicht förderlich gewesen“, kommentiert der Bürgermeister.
Wie geht es weiter?
„Dass der Kreis Lippe die Errichtung von sieben Windrädern im Bereich der Gauseköte ablehnt, sind gute Nachrichten“, so Krüger weiter. Er hoffe nun, dass auch zeitnah über die weiteren Anlagen entschieden werden kann, um Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen. „Verwaltung, Politik, Vereine und die Bürger in Horn-Bad Meinberg waren sich sehr einig in der Ablehnung der Vorhaben auf diesen Flächen“, betont er.
Noch ist nichts entschieden
Nico Bachus und Nicole Heithecker sind erleichtert. Doch sie trommeln weiter, damit die für viele Lipper überraschenden Planungen endgültig vom Tisch kommen. Denn: „Weder der LVL noch das Haus Lippe haben bisher ihre Anträge zurückgezogen“, berichtet Diana Ammer. Ob der LVL auch rechtliche Schritte einleitet oder neue Investitionen plant, ist unklar. „Wir haben Bescheide beantragt, die sich ausschließlich auf das Planungsrecht beziehen und von vollständigen Anträgen noch weit entfernt sind. Ob und wie viele Anlagen am Ende gebaut werden dürfen, ist zurzeit noch völlig offen. Ablehnungen für die geplanten Windkraftanlagen liegen uns aktuell nicht vor“, teilt die Verbandssprecherin mit.