Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert Erzeugern von regenerativem Strom eine feste Einspeisevergütung für 20 Jahre. Ein großes Plus des Gesetzes war bislang auch aus Sicht des Betreibers, dass der gesamte Strom abgenommen und vergütet wurde. Der sichere Erlös bei sehr überschaubaren Risiken hat Wirtschaftlichkeitsberechnungen und damit auch die Finanzierung durch Banken einfach gemacht.
Doch das könnte sich schon bald ändern. Der rasante Zubau von Photovoltaikanlagen belastet zunehmend das Stromnetz. Denn die Erzeugung und Einspeisung übersteigt gerade im Sommer häufig den Verbrauch. Das führt zu immer häufigeren Abschaltungen von Anlagen im Rahmen des Redispatch 2.0. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ist das Volumen der Redispatchmaßnahmen mit erneuerbaren Energien im 2. Quartal 2024 um rund 14 % angestiegen. Dabei stieg die Abregelung von Photovoltaikanlagen um 78 %, während sie bei Onshore-Windenergieanlagen um 17 % zunahm, berichtet die Bundesnetzagentur.
Mehr Sonnenstunden
Der Anstieg lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Im Norden und Nordosten Deutschlands sorgten besonders viele Sonnenstunden im Mai und Juni für eine hohe Solarstromproduktion. Gleichzeitig wurden seit dem Vorjahresquartal zahlreiche neue Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 10 GW in Betrieb genommen. Auch bei der Windenergie stieg die Abregelung an, bedingt durch den Zubau von knapp 2,5 GW an neuen Kapazitäten und eine überdurchschnittlich hohe Windstromerzeugung infolge mehrerer Sturmtiefs.
Risiko: Negative Strompreise
Für Anlagenbetreiber hat die Abregelung zunächst noch keine gravierenden Auswirkungen, da die ausgefallenen Stunden über die Ausgleichsregelung im EEG größtenteils entschädigt werden.
Was aber zunehmend zum Risiko wird, sind negative Börsenstrompreise. „Diese Preise entstehen durch ein Überangebot an Strom im Verhältnis zur Nachfrage. Sie treten besonders häufig an Feiertagen, Wochenenden oder Tagen mit hoher Erneuerbarer-Energie-Erzeugung auf“, erklärt die Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FFE). Nimmt man die Effekte der Energiekrise vom vierten Quartal 2021 bis zum ersten Quartal 2023 heraus, hat die FFE einen deutlichen Anstieg der Stunden mit negativen Preisen seit 2018 festgestellt. Insbesondere das laufende Jahr 2024 sticht hierbei ins Auge: Bereits in den ersten neun Monaten lag die Zahl der Stunden mit negativen Preisen deutlich über der Zahl des gesamten Jahres 2023.
Negative Strompreise könnten für Anlagenbetreiber ein Preissignal sein, die Leistung zu reduzieren, den Strom selbst zu verbrauchen oder in einer Batterie zwischenzuspeichern, bis die Preise wieder ansteigen.
Wer aber eine feste Einspeisevergütung nach dem EEG erhält, hat bislang keinen Anreiz, auf negative Preise zu reagieren. Zum Stand Oktober 2024 erhielten laut FFE gut 75 % der PV-Anlagen mit einer Leistung von zusammen 70,2 GW eine feste Vergütung.
Regel im EEG
Um die Betreiber an den Markt heranzuführen, hatte der Gesetzgeber vor einigen Jahren mit dem § 51 eine Regelung im EEG eingeführt, wonach die Vergütung unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt wird. Aktuell greift noch die 3-Stunden-Regel: Bei mindestens drei aufeinanderfolgenden Stunden mit negativen Spotmarktpreisen wird der anzulegende Wert zur Berechnung der Marktprämie für die Dauer der negativen Preise auf null gesetzt. Das bedeutet: die Anlagen erhalten keine Vergütung. 2026 wird dieser Grenzwert auf 2 h, 2027 auf 1 h verkürzt. Diese Regelung gilt bislang für Anlagen ab 400 kW.
Wegen der starken Zunahme an negativen Stunden aufgrund des Solarbooms wollte die Bundesregierung diese Regelung weiter verschärfen: Schon ab dem 1. Januar 2025 sollen nach einem Gesetzesentwurf zur Änderung des EEG bestimmte Anlagen bei negativen Strompreisen keine Vergütung mehr erhalten. „Für Anlagen zwischen 2 und 100 kWp war vorgesehen, dass die Vergütungsaussetzung ab dem Folgejahr greift, in dem die Anlage mit einer ‚modernen Messeinrichtung‘ ausgestattet ist“, sagt Energieberater Michael Kanne-Schludde von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Derzeit liegt das Gesetzesvorhaben aufgrund des Ampelbruchs auf Eis. Viele Experten gehen aber davon aus, dass aufgrund der energiewirtschaftlichen Lage eine Einschränkung kommen wird. Genauso ist noch nicht sicher, ob das Aussetzung der Vergütung nur die Komponente betrifft, die der Netzbetreiber auszahlt oder ob auch die Direktvermarkter sich anschließen.
Auswirkungen in der Praxis
Wie sich ein Aussetzen der Vergütung auf die Anlagenbetreiber auswirkt, hat die Landwirtschaftskammer Niedersachen kürzlich errechnet. „Wir haben uns die Häufigkeit von negativen Stunden der letzten Jahre angesehen“, erklärt Energieberater Kanne-Schludde.
Immer wieder stechen dabei bestimmte Monate heraus wie der Mai 2021 mit ca. 40 Stunden negativer Strompreise, oder Dezember 2023 mit etwa 70 Stunden. „Im Dezember ist die Solarstromproduktion eher gering, weshalb hier die Regelung nur wenig Auswirkungen auf Photovoltaikanlagen hat. Das ist in Monaten mit viel Sonne anders“, sagt er.
Allein im April und Mai 2024 gab es so viele negativen Stunden, dass mit der Einstundenregel bei einer nach Süden ausgerichteten Anlage fast 4 % einer Jahresproduktion nicht vergütet worden wäre. „Häufig kommt der Einwand, dass das bei einer Ost-West-Ausrichtung anders ist. Aber auch diese Anlagen sind davon betroffen“, sagt er. Zwar produzieren sie morgens früher, abends länger und mittags eher weniger Strom. Aber auch ihre Produktion fällt in den Bereich der negativen Preise.
Das Ergebnis: Bei einem Jahr wie 2021 (bezogen auf Sonneneinstrahlung und Zahl der negativen Strompreisstunden) wäre mit der Einstundenregel 4 % der Stromerzeugung mit einer Südanlage nicht vergütet worden, bei einer Ost-West-Anlage wären es 3 % gewesen. Im Jahr 2024 dagegen hätte der Betreiber einer Südanlage auf 16 % der Vergütung verzichten müssen, bei einer Ost-West-Anlage wären es 12 % gewesen.
Wie uns Betreiber aus Süddeutschland mitteilen, kann dieser Wert auch bis zu 20 % ausmachen. „Bei einer Dachanlage kann ein Speicher helfen, die Strommenge zwischenzuspeichern. Aber bei Freiflächen- oder Agri-PV-Anlagen müsste der Speicher schon im Megawattbereich liegen“, sagt Kanne-Schludde. Es sei fraglich, ob sich eine Investition in diesem Maßstab lohne.
Dazu kommt die Unsicherheit, wie sich die negativen Strompreise in Zukunft entwickeln. Aktuell werden sehr viele Großspeicher installiert. Reicht das aus, um die Preise zu stabilisieren? „In Kombination mit einer PV-Anlage soll der Speicher dazu dienen, die Stromabgabe in den Abend bzw. den folgenden Morgen zu verschieben. Am nächsten Tag sollte er wieder entladen sein. Das Modell funktioniert jedoch nur unter der Voraussetzung, dass es dauerhaft ausreichende Zeitfenster mit positivem Strompreis gibt“, erklärt er weiter. Darum rät er dringend, bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Volleinspeiseanlagen Vergütungsaussetzungen mit einzuplanen. Jährliche Verluste von 15 bis 20 % der Stromproduktion, die nicht über das EEG vergütet werden, seien nach derzeitigem Stand realistisch. Hierbei sollten die Betreiber auch davon ausgehen, dass es in diesen Stunden ebenfalls keine Vergütung vom Direktvermarkter gibt bzw. negative Preise sogar weitergereicht würden.
Starker Einfluss der PV
Die aktuelle Stundenregel dürfte laut FFE noch nicht viel bewirken. Denn viele kleine PV-Anlagen fallen nicht unter die Größengrenze und haben daher weiter keinen Anreiz, die Leistung zu reduzieren. Bei der Windkraft fallen dagegen nahezu alle Neuanlagen in die Stundenregel. „Deshalb lässt sich der Trend beobachten, dass zunehmend die PV für die negativen Preise verantwortlich ist und der Einfluss der Windkraft zurückgeht“, resümieren die Wissenschaftler. Dieser Trend werde sich in Zukunft verstärken, da die Anlagenzahl der Windenergieanlagen mit fester Einspeisevergütung weiter zurückgehe, bei der PV aber weiterhin Anlagen außerhalb der Stundenregel zugebaut würden: 2023 waren es 65,1 % des Zubaus, 2024 über 55 %.