Wirtschaft und Landwirtschaft in Deutschland brauchen laut dem Deutschen Bauernverband (DBV) eine andere Politik. Das würden auch Experten, Unternehmer, Wirtschaftsverbände sowie große Teile der Verbraucher- und Bürgerschaft so sehen. Unbestritten ist das Gefühl, dass sich Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dramatisch verschlechtert haben.
„Was unsere Landwirtschaft jetzt braucht, ist ein echter Politikwechsel! Wir benötigen Wettbewerbsgleichheit in Europa, ohne nationale Alleingänge, und endlich einen wirksamen Bürokratieabbau für unsere Betriebe sowie Planungssicherheit. Ernährungssicherheit – insbesondere in diesen unsicheren Zeiten – ist nur möglich mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen für eine starke und wettbewerbsfähige heimische Landwirtschaft,“ erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied bei der Vorstellung des DBV-Situationsberichts am Donnerstag in Berlin.
Wettbewerbsfähigkeit ist verlorengegangen
Der DBV hat im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 die wichtigsten agrarpolitischen Problemfelder identifiziert und daraus klare Forderungen an die nächste Bundesregierung sowie die neue EU-Kommission formuliert. In seiner aktuellen Bewertung schreibt der Verband: "Die zurückliegenden Jahre haben mit einer Vielzahl von vor allem nationalen politischen und gesetzgeberischen Entscheidungen zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Markt, zu einem Einbruch der Investitionen, zur Verlagerung der landwirtschaftlichen Erzeugung und damit zum Ausstieg vieler Betriebe geführt."
Darunter leide die Fähigkeit zur nachhaltigen Weiterentwicklung des Sektors und zur Bewältigung der Herausforderungen rund um Versorgungssicherheit, Klimawandel, Biodiversität und Ressourceneffizienz, heißt es.
Aufbruchssignale notwendig
Vor diesem Hintergrund braucht es laut DBV ein klares Signal des Aufbruchs sowie einen echten Wechsel zu einer Standortpolitik pro Landwirtschaft und pro Tierhaltung. "Unsere Bauernfamilien benötigen einen politischen Rahmen, der ihnen wieder eine Perspektive gibt", schreibt der Verband zur Bundestagswahl 2025.
Man erwarte eine Politik, die Vorschläge und Expertise der Praxis ernst nimmt, aufgreift und in die Gesetzgebung einfließen lässt. Nur so könnten die Landwirte mit pragmatischen Maßnahmen Zukunft gestalten und so könne Politik Vertrauen bei den Landwirten zurückgewinnen.
Das fordert der Bauernverband
Der DBV wünscht sich eine starke und handlungsfähige Europäische Union ein. Die gemeinsame Währung und der gemeinsame Binnenmarkt seien von entscheidender Bedeutung für die deutsche Land- und Forstwirtschaft, heißt es in den jetzt veröffentlichten Kernanliegen zur Bundestagswahl in Richtung AfD.
Als der wichtigste Absatzmarkt für land- und forstwirtschaftliche Produkte hält der DBV Europa für einen unverzichtbaren Bestandteil der wirtschaftlichen Basis. "Gleichzeitig sehen wir, dass die Landwirte in einem immer enger werdenden Spannungsfeld zwischen steigenden Kosten und hohem Preisdruck arbeiten. Der Wettbewerbs- und Preisdruck in der Lebensmittelkette wird durch die ständige Zunahme staatlicher Auflagen und den verminderten Außenschutz der Agrarmärkte verschärft."
Trotz dieser Herausforderungen würde sich die deutsche Land- und Forstwirtschaft den dringenden Aufgaben des Klima- und Umweltschutzes und der Gewährleistung von Ernährungssicherheit stellen. Den Weg zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Ressourceneffizienz wolle die Branche aus eigenem unternehmerischen Interesse weitergehen – aber dafür brauche es auch die Unterstützung der Politik.
Zukunftsministerium wäre gut
"Wir erwarten Wertschätzung und eine Honorierung unserer Leistungen, Verlässlichkeit und einen Dialog auf Augenhöhe", schreibt dazu der DBV und wünscht sich, dass die politische Kompetenz für die Belange der Land- und Forstwirtschaft sowie der ländlichen Räume in einem Ressort der zukünftigen Bundesregierung gebündelt werden.
Ein solches „Zukunftsministerium“ sollte über die bisherigen Aufgaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hinaus Kompetenz und Zuständigkeit für sämtliche Fragen der Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsverhältnisse im ländlichen Raum unter einem Dach bündeln, schlagen die Verfasser vor. Nur so könne es gelingen, die Menschen in den ländlichen Räumen wieder zu erreichen und die Demokratie sowie die gesellschaftliche Teilhabe in diesen Regionen zu stärken.
Fleischverzehr gehört dazu
Der Vorrang für eine vielfältige Ernährung mit tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln – am besten aus regionaler Erzeugung – muss umgesetzt werden, fordert der Verband weiter. Dazu zählt er auch ein einheitliches und verbindliches europäisches System zur Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung.
"Die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, verpflichtende Kennzeichnungssysteme einzuführen, muss sofort geschaffen werden. Ernährung ist und bleibt eines der wichtigsten Individualrechte des Menschen. Sie muss zusammen mit einer gut funktionierenden Lebensmittelversorgungskette innerhalb des EU-Binnenmarktes höchste politische Priorität bekommen. Aus diesem Grund schlagen wir vor, die Ernährungssicherheit in die Reihe der Schutzgüter des Grundgesetzes aufzunehmen und damit diesen Grundstein für sozialen Frieden, wirtschaftliche Entwicklung und menschliches Wohlbefinden angemessen zu berücksichtigen", ist in dem Papier zu lesen.
Angesichts dieser grundsätzlichen Forderungen besteht in den nachfolgend aufgeführten Politikfeldern Handlungsbedarf, um Landwirtschaft in Deutschland eine Zukunft zu geben.
