Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, bleibt bei seinem Nein für eine Zukunft des Herbizids Glyphosat in der EU.
Auf Anfrage von top agrar sagte er am Donnerstagmorgen: „Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte die Genehmigung in der EU auslaufen.“
Abstimmung frühestens im Oktober
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass sie den Mitgliedstaaten eine Wiederzulassung von Glyphosat für die nächsten zehn Jahre vorschlagen werde.
Den Kommissionsvorschlag diskutieren Vertreter den Vorschlag Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (PAFF-Ausschuss). Abstimmen werden die Mitgliedstaaten voraussichtlich am 12. Und 13. Oktober.
Özdemir will Mehrheiten organisieren
Minister Özdemir erkennt an, dass die Positionen der EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich sind. Eine Mehrheit für ein Glyphosat-Verbot scheint angesichts Özdemirs Aussagen alles andere als ausgemacht. „Ob Glyphosat vom Markt genommen wird, entscheiden wir aber nicht alleine", gesteht der Minister. Deshalb sei man "mit unseren Partnern in der EU dazu in intensiven Gesprächen“.
Nicht nur unter den EU-Mitgliedstaaten gibt es unterschiedliche Positionen, sondern auch bei den Koalitionspartnern der Ampel. Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Dr. Gero Hocker erklärte am Mittwoch: "Die Empfehlung der EU-Kommission, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, begrüße ich ausdrücklich.“
Hocker rückt damit vom Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ab. Darin heißt es: "Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt."
Hocker: Deutsches Glyphosatverbot ab 2024 „faktenfrei“
„Das Glyphosat-Verbot der Union und ihrer Landwirtschaftsministerin Klöckner ab 2024 in Deutschland wird dadurch erneut als voreilig und faktenfrei entlarvt“, sagte Hocker.
Er bezieht sich auf bereits beschlossene Anwendungsverbot für Glyphosat hin, das in der Pflanzenschutzanwendungsverordnung festgeschrieben ist. Das könnte durch eine neue EU-Zulassung von Glyphosat rechtlich nicht haltbar sein.
Guendel-Gonzalez: Brauchen wissenschaftsbasierte Diskussion
Die Bayer AG kann die Vorbehalte von Bundesminister Özdemir ebenfalls nicht nachvollziehen und verweist dazu auf die insgesamt 2.400 Studien mit einem Volumen von ca. 180.000 Dossier-Seiten, die im Laufe der Jahre zu Glyphosat erstellt wurden. Diese hätten Nutzen und positives Risikoprofil des Wirkstoffs vielfach bestätigt. Um das Ausmaß des gesichteten Studienmaterials greifbarer zu machen, hat Bayer heute vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin eine Installation mit 18 Umzugskartons aufgestellt, die diese Menge an Forschungsmaterial symbolisieren sollen.
Gegenüber top agrar wünschte sich die Geschäftsführerin von Bayer CropScience Deutschland, Karin Guendel Gonzalez, von Kritikern weniger „Narrative“ und mehr wissenschaftsbasierte Diskussion. Wichtig wäre nach ihrer Auffassung auch mehr Respekt für den Registrierungs- und Zulassungsprozess für Pflanzenschutzmittel in Europa. Der sei „solide, harsch und anspruchsvoll“. An Cem Özdemir appellierte Guendel-Gonzalez, sich doch stärker an den Fakten und den wissenschaftlichen Evaluierungen der europäischen und deutschen Behörden zu orientieren. Gerade politische Entscheidungen sollten hiervon abhängig gemacht werden.
top agrar@topagrar
— top agrar (@topagrar) September 21, 2023
In puncto Glyphosat-Zulassung ist noch alles offen. Rückenwind könnten viele Unterschriften für die Online-Petition von Bayer bringen, sagt Bayer CropScience-Chefin Karin Guendel-Gonzalez: „Kein Verbot ohne Alternative“ https://t.co/7Ts2wX4Etw pic.twitter.com/Z7Ar8okGB3
Um diesen Standpunkt zu untermauern, hat Bayer eine Online-Petition an den Start gebracht, für die heute ebenfalls in Berlin getrommelt wurde. Unterstützer, die die Wiedergenehmigung von Glyphosat befürworten, haben noch bis zum 30. September Zeit, hier die Petition „Kein Verbot ohne Alternative“ zu unterzeichnen.
"Es ist nicht leicht, Glyphosat zu ersetzen"
Für den Fall, dass sich die EU-Mitglieder gegen Glyphosat entscheiden, dürfte den Landwirten laut Guendel-Gonzalez oft nichts anders übrigbleiben, als bei der Unkrautbekämpfung auf teure Kombipräparate oder mechanische Methoden zurückzugreifen. In vielen Fällen dürfte das Hacke oder sogar den Pflug bedeuten, da ein vollwertiger chemischer Ersatz für Glyphosat bis auf weiteres nicht in Sicht ist. „Es ist nicht leicht, Glyphosat zu ersetzen“, stellte die CropScience-Chefin klar.