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topplus EU-Agrarkommissar im Interview

Neuer EU-Agrarkommissar Hansen sichert Fortbestand der Direktzahlungen zu

EU-Agrarkommissar Christophe Hansen ist frisch im Amt. Mit top agrar sprach er über seine Pläne für die Gemeinsamen Agrarpolitik, das Mercosur-Freihandelsabkommen und den EU-Beitritt der Ukraine.

Lesezeit: 10 Minuten

Christophe Hansen, stammt aus Luxemburg und ist seit dem 01.12.2024 EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung.

In Brüssel sprach der 42-jährige mit top agrar über seine ersten Tage im neuen Amt, seine Ideen für die nächste GAP-Reform aussehen und warum er die Bauern beim Thema Mercosur beruhigen möchte.

Herr Hansen, Sie sind knapp 50 Tage im Amt. Was haben Sie bereits gelernt als EU-Agrarkommissar?

Hansen: Ich habe meine Amtszeit mit einer Visite bei einem Gemüseanbauer nahe Brüssel begonnen, der hauptsächlich Chicorée und Süßkartoffeln anbaut – innovative Sonderkulturen. Während meiner Amtszeit will ich von den Landwirten persönlich erfahren, was deren Probleme sind und was sie sich als Lösung vorstellen.

Vor wenigen Wochen habe ich mit Junglandwirten gesprochen. Eine Landwirtin aus Slowenien sagte mir: „Wenn sie es fertigbringen, dass mein Bruder und ich in fünf Jahren noch Landwirtschaft machen können, dann haben sie gut gearbeitet.“

Das ist mir wirklich ins Herz gegangen. Das soll mein Ziel sein, dass wir Junglandwirten auch in fünf Jahren die Energie und den Anreiz geben, diesen anspruchsvollen Beruf zu wählen.

Keine Zeit, das ganze Interview zu lesen? Springen Sie direkt zu einzelnen Themen:

Was sind denn aus ihrer Sicht die größten Herausforderungen, mit denen Landwirte in der EU zu kämpfen haben?

Hansen: Ich höre von vielen Landwirt, dass es entweder zu nass, zu trocken oder zu heiß war für ihre Kulturen. Die Landwirte sind die ersten Opfer des Klimawandels. Gleichzeitig sind sie unsere beste Verteidigung gegen seine Folgen. Wir hatten in Deutschland, Österreich, Polen und Spanien heftige Überschwemmungen, wo sehr viel Schaden angerichtet wurde, Menschen gestorben sind. Da können und wollen unsere Landwirte helfen.

Aktuell sind nur 12 Prozent der EU-Landwirte unter 40 Jahre alt. Das heißt, wir haben ein Problem des Generationswechsels. Den möchte ich besser gestalten, damit wir in fünf Jahren besser dastehen.

Ein anderer großer Punkt ist, dass die meisten Landwirte Unternehmer sind. Natürlich müssen die auch Papierkram erledigen. Aber wir müssen verhindern, dass unnötig viel Zeit unproduktiv am Computer oder mit dem Papierberg verloren geht. Wir müssen die Vereinfachung hinbekommen.

Wie wollen sie Bürokratie abbauen?

Hansen: Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist zwar nicht die einzige Politik, die für den Papierberg verantwortlich ist. Doch sind wir bereits dabei, an einem Vereinfachungspaket zu arbeiten. Und ich will, dass die Landwirte die Vereinfachung spüren.

Wenn wir über öffentliche Gelder auszahlen, muss natürlich eine gewisse Kontrolle da sein. Aber ich bin der Überzeugung, dass wir das auch einfacher gestalten können.

Ich will, dass die Landwirte die Vereinfachung spüren"

Was schwebt Ihnen konkret vor?

Hansen: Ich habe einige Beispiele, aber ich will die zunächst juristisch prüfen, bevor ich das öffentlich mache. Ich will nicht etwas versprechen, was wir nachher nicht halten können. Aber ich kann den Landwirten versichern, dass wir die aktuelle GAP in diesem Jahr weiter vereinfach wollen.

Ende Februar wollen sie Ihre Vision für die Landwirtschaft in der EU vorstellen. Wird das der Fahrplan für die Gap nach 2027?

Hansen: Diese Vision wird über die GAP hinausgehen. Wir wollen die agrarpolitischen Grundlinien festhalten, ohne ins letzte Detail zu gehen. Die  Details der GAP möchte ich mit Europäischen Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung erarbeiten.

Einem Gremium der EU-Kommission für besseren Austausch mit Vertretern der Landwirtschaft und Zivilgesellschaft.

Hansen: Ich möchte auch die geopolitische Dimension der Landwirtschaft herausarbeiten. Aktuell bringt China Zölle auf Milchprodukte ins Spiel als Reaktion auf unsere Maßnahmen gegen unfaire Subventionen auf Elektroautos. Auf solche Fälle müssen wir besser vorbereitet sein.

Die neue Vision wird also nicht die Farm-to-Fork-Strategie ersetzen?

Hansen: Definitiv nicht.

Wann werden Sie die konkreten Vorschläge für die nächste GAP-Reform präsentieren?

Hansen: Die erste Priorität ist die Vision. Auf dieser Basis werde ich zusammen mit meinen Diensten arbeiten. Ich plane keine Revolution. Die GAP hat in den letzten 60 Jahren bewiesen, dass sie ihren Zielen gerecht wird. Nämlich genug Lebensmittel in der EU zu produzieren und dass unsere Landwirte auch ein gerechtes Einkommen haben. Dafür brauchen wir auch in Zukunft einen vorhersehbaren Haushalt, mit dem wir planen können.

Genau um den zeichnen sich heftige Verteilungskämpfe ab.

Hansen: Der Haushalt der Europäischen Union ist eigentlich zu klein für die Herausforderungen, die wir alle an die EU stellen. Wir geben nur knapp ein Prozent unseres Bruttoinhaltsprodukts (BIP) für die EU aus.

Ein Drittel davon geht auf die Landwirtschaft, also 0,3 Prozent von unserem BIP. Das ist sehr wenig. Man muss sich darüber Gedankenmachen, bevor man vorlaut sagt, das Landwirtschaftsbudget ist zu hoch.

Wir brauchen einen starken Agrarhaushalt. Der muss vielleicht manchmal gezielter da ankommen, wo er gebraucht wird, einfach mit der Gießkanne rausgehen ist nicht unbedingt zielführend.

Wir brauchen einen starken Agrarhaushalt."

Ursula von der Leyen sieht den Abschlussbericht des strategischen Dialogs als eine der Grundlagen meines Mandates. Auch da steht drin, dass es weiterhin einen spezifischen Haushalt für die Landwirtschaft geben muss und dass zusätzliches Geld kommen muss, wenn zusätzliche Anforderungen an den Agrarsektor gestellt werden.

Das ist natürlich kein Gesetz, dieser Strategiebericht. Man muss immer schauen, wo das Geld dann herkommt.

Sie haben bereits gesagt, eine Revolution der GAP planen sie nicht. Die Direktzahlungen wird es auch nach 2027 noch geben?

Hansen: Direktzahlungen wird es auch nach 2027 geben. Allerdings müssen wir schauen, dass die Hilfen besser dort ankommen müssen, wo sie auch wirklich gebraucht werden.

Ich sage jetzt pauschal, dass wir junge Landwirte besser unterstützen müssen bei den Betriebsübergaben oder auch bei Neugründungen von Betrieben. Das ist eine meiner Überzeugungen. Jemand, der vielleicht schon über 60 ist, braucht nicht mehr die gleiche Unterstützung wie einer, der erst anfängt.

Wir wissen, dass viele neue Mitgliedstaaten geringere Direktzahlungen pro Hektar bekommen als alte Mitgliedstaaten wie Deutschland oder Luxemburg zum Beispiel. Da wird es auch von den Ländern ganz klare Forderungen geben, eine gewisse Anpassung zu machen, aber das ist noch Zukunftsmusik.

Werden Sie einen Ukraine-Beitritt in die EU für die kommende GAP-Reform mitplanen?

Hansen: Ich muss die GAP vorbereiten, um weitere Mitgliedstaaten aufzunehmen. Man muss sich der Dimension bewusst sein, denn das Agrarpotenzial der Ukraine ist äquivalent mit einem Drittel der aktuellen europäischen Produktion. Das ist eine Riesenherausforderung.

Ich muss die GAP vorbereiten, um weitere Mitgliedstaaten aufzunehmen."

Allerdings sollten wir das graduell machen. Man muss sich an Standards anpassen. Ich nehme jetzt nur ein Beispiel, weil das die direkten Anrainerstaaten sehr betrifft, der Export von Eiern:

In der lassen wir die Batteriehaltung von Legehennen auslaufen. In der Ukraine ist es noch möglich. Ich bin der Meinung, dass die Ukraine jetzt schon anfangen müsste, Produktionsstandards anzugleichen, wenn das in Zukunft noch in die EU kommen soll.

Welche Schwerpunkte möchten sie daneben in der GAP-Periode ab 2027 setzen?

Hansen: Wir müssen Landwirten Anreize bieten und nicht nur von oben nach unten sagen, das habt ihr zu machen, friss oder stirb. Wenn wir das wieder versuchen, stehen unsere Landwirte sehr, sehr schnell wieder auf den Straßen.

Ein zentraler Punkt: Landwirte brauchen Planungssicherheit, damit sie investieren können. Wenn wir über Umweltschutz reden, können wir sehr viel mit Technologie machen, mit Precision Farming zum Beispiel, aber da müssen Investitionen getätigt werden und die Landwirte sagen: „Ich weiß nicht, was in drei Jahren ist. Ich werde jetzt nicht so viel investieren.“ Auch in der Viehhaltung sollen Emissionen runtergehen, aber das ist mit Technologie ebenfalls sehr gut möglich, jedoch kostet es Geld.

Wir müssen stärker Investitionen fördern, denn Investitionen bedeuten Innovation, mehr Produktivität und auch mehr Wettbewerbsfähigkeit.

Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Landwirten in Drittstaaten?

Hansen: Ja, unsere Landwirte waren nicht nur wegen dem Papierkrieg auf der Straße. Auch wegen unfairer Preise und unlauterem Wettbewerb aus Drittstaaten, wo zum Beispiel verschiedene Pflanzenschutzmittel noch immer gebraucht werden, die in der EU verboten sind.

Ich sehe nicht ein, wieso man Produkte aus Drittstaaten noch reinnehmen sollte, die mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden, die in der EU verboten sind.

Das ist unfairer Wettbewerb, denn Alternativen für Pflanzenschutzmittel, die wir von Markt nehmen, kommen nicht schnell genug nach.

Wollen sie das ändern?

Hansen: Ich habe mich mit dem verantwortlichen Kommissar, Olivér Várhelyi, getroffen und ihn darum gebeten.

Jeder würde natürlich lieber ein Biopflanzenschutzmittel benutzen, das keinen oder quasi keine negativen Implikationen hat. Aber die kommen nicht auf den Markt.

Wir können nicht permanent Hilfsmittel wegnehmen, die Landwirte zur Produktion benötigen.  Pflanzenschutzmittel sind ja eigentlich eine Ernte-Garantie. Die können wir nicht wegnehmen, ohne Alternativen anzubieten.

Für viele Landwirte ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten ein Paradebeispiel für die Situation, die sie beschreiben. Können Sie den Unmut der Landwirte verstehen?

Hansen: Kann ich Ihnen eine Gegenfrage stellen?

Bitte.

Hansen: Kommen diese Produkte nicht schon jetzt rein?

Die Landwirte fürchten doch, dass mehr reinkommt und das Ungleichgewicht wächst. Die Produkte kommen so oder so auf den EU-Markt?

Hansen: Wir bekommen aktuell 200.000 Tonnen Rindfleisch rein und wir haben kein Handelsabkommen mit Mercosur. Wenn wir das Handelsabkommen machen würden, dann führt das nicht zu vielen zusätzlichen Importen. Die zollreduzierte Importmenge von 99.000 Tonnen, über die wir sprechen, wird über vier Länder aufgeteilt.

Natürlich sind Rindfleisch und Zucker sensible Sektoren. Deshalb haben meine Vorgänger begrenzte zollreduzierte Importmengen für diese Produkte ausgehandelt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir auch Sektoren haben, die vom Abkommen profitieren. Unser Weinsektor, der aktuell in der Krise ist etwa. Auch unsere Milchwirtschaft würde profitieren.

Wir sind Nettoexporteur, was landwirtschaftliche Produkte betrifft. Wir haben 2023 für 230 Milliarden Euro Agrargüter exportiert. Und wir haben für 160 Milliarden Euro importiert. Das heißt, wir exportieren 70 Milliarden Euro mehr, als wir importieren.

Wie erklären Sie sich dennoch diesen großen Unmut, wenn die des Mercosur-Abkommens vermeintlich gering sind?

Hansen: Es ist sehr politisiert worden von verschiedenen Politikern, die vielleicht die Texte nicht einmal gelesen haben. Das sollten sie aber mal tun, dann würden sie auch alle Details kennen. Zum Beispiel haben wir eine Art Notbremse für sensible Agrarimporte vereinbart, falls die Folgen doch größer werden als angenommen.

Wie ich bereits sagte, fühlen sich auch die Landwirte durch die Vervielfältigung der Normen unter Druck gesetzt, erwarten ein faires Einkommen und einen fairen Wettbewerb, und all dies führt zu ihrem Unmut.

Eines ihrer Anliegen war es, Landwirte in der Lieferkette zu stärken. Was planen sie?

Hansen: Wir wollen die gemeinsamen Marktordnung (GMO) ändern und Produzentenorganisationen zu fördern. Ich habe in meiner zweiten Amtswoche Vorschläge in diese Richtung vorgelegt.

Unter anderem wollen Sie Lieferverträge zwischen Milchbauern und Molkereien verpflichtend machen. Erhöht das nicht die Papierberge, von denen sie sprachen?

Hansen: Das sehe ich anders, man muss keinen zehnseitigen Vertrag haben. Man muss nur sagen: „Hier ist das Produkt, das ich liefere, hier ist die Menge, die wir vereinbaren und wenn die Qualität zu dem Punkt geliefert werden kann, das ist der Preis.“

Was wir auch eingebaut haben, ist, dass man diesen Vertrag während der Laufzeit abändern kann. Wenn zum Beispiel Düngerpreise explodieren würden, könnte man das wieder reinrechnen.

Was versprechen sie sich davon?

Hansen: Wir erwarten, dass der Landwirt ein Produkt erzeugt und das nicht zu Preisen verkaufen muss, die nicht mehr seine Kosten decken. Das heißt, dass von Anfang an ein Landwirt ein Unternehmer ist, der rechnet: „Ich produziere diese Quantität, ich brauche diesen Preis, damit ich auch davon leben kann.“

Ich verspreche mir auf jeden Fall stabilere Preise und die nötige Vorhersehbarkeit. Denn das ist das, was ein Landwirt braucht. Er muss wissen, wenn ich jetzt säe, was bekomme ich am Ende dabei raus, damit ich auch noch überleben kann.

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