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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

topplus Interview

Künast teilt aus gegen ZKL und Bauernverband

Renate Künast will 2025 nicht mehr zur Bundestagswahl antreten. Im Interview zieht sie ein Zwischenresümee der bisherigen Ampel, ZKL und Borchert, teilt aber auch kräftig gegen den Bauernverband aus.

Lesezeit: 11 Minuten

Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Künast übt scharfe Kritik am Deutschen Bauernverband und der Zukunftskommission Landwirtschaft. Der DBV gebe sich erst kooperativ und blockiere dann doch. Nicht haltbar sei die Position, dass es zusätzliche Umweltleistungen der Landwirtschaft nur gegen mehr Honorierung geben könne. Die ZKL sei falsch zusammengesetzt und bringe nichts zustande, wenn es konkret werde. Künast kandidiert nicht erneut für den Bundestag.

"Ich weiß, wie Politik funktioniert"

Frau Künast, die Zukunftskommission Landwirtschaft macht weiter. Gut so?

Künast: Nun ja. Es ist der ZKL nicht gelungen, für die kurzfristige Politik Vorschläge zu machen. Das zeigt das Dilemma solcher Kommissionen.

Welchen Wert haben Kommissionen wie die ZKL für Sie?

Künast: Der Abschlussbericht von 2021 ist in sich logisch und zukunftsweisend. Er zeigt die Richtung auf, in die es für die Landwirtschaft in den nächsten zehn oder 15 Jahren geht. Solche Kommissionen haben aber nicht die Aufgabe oder Pflicht, sich in die Mühen der Ebene zu begeben, wie man das alles um- und durchsetzen kann und wie man politische Mehrheiten dafür organisiert. Man kann also nicht von Abgeordneten erwarten, setzt mal gefälligst um, was die ZKL vorgelegt hat.

Immerhin war es die Ampel, die mangels eigener Gemeinsamkeiten der ZKL im Winter nach den Bauernprotesten sieben Fragen vorgelegt und sie so in die Tagespolitik gedrängt hat.

Künast: Dass in dieser Koalition drei Parteien mit unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen zusammenarbeiten, ist hinlänglich bekannt. Sie entspricht aber nun mal dem Willen der Wählerinnen und Wähler. Aber wir haben einen Koalitionsvertrag, der übrigens große Schnittmengen zur ZKL hat. Aus meiner Sicht war es klug, die ZKL um Vorschläge zu bitten, statt nur auf die Demonstrationen zu reagieren. Immerhin hatte die ZKL eine größere Breite als die Demos und schon mal einen Konsens erzielt. Umso mehr wundert es mich, dass sie dann nichts Gemeinsames zustande gebracht hat.

Es gibt sehr wohl eine Einigung in einigen Punkten, wenn auch nicht in allen. An denen hätten Sie sich orientieren können. Warum haben Sie das nicht getan?

Künast: Die wurden uns nie offiziell übergeben. Wie ich höre, war das in der ZKL nie abschließend geeint. Deshalb reden sie ja weiter.

Aber Sie haben mit den beiden Vorsitzenden gesprochen, die ihnen das erläutert haben. Hatten Sie die Befürchtung, dass die Ampel auch dazu nicht auf einen Nenner kommt?

Künast: Nochmal: Wir haben kein Papier und auch keinen Beschluss bekommen. Das brauchen wir aber, um damit arbeiten zu können. Die Antwort, die wir bekommen haben, lautete, es kommt nichts bis zur Sommerpause. Der Grund ist ganz einfach: Es hat in der ZKL ordentlich gekracht.

Es hat in der ZKL ordentlich gekracht."

Einige Verbände hatten daraufhin die Nase voll. Deswegen fand das Gespräch der Umweltvertreter mit Rukwied statt. Herausgekommen ist dabei, dass es im Herbst was Grundsätzliches für die nächste GAP gibt.

Was hätten Sie erwartet?

Künast: Beispielsweise ein Bekenntnis auch des Bauernverbandes zur Novelle des Düngegesetzes und zur Nährstoffbilanz. Stattdessen arbeitete man darauf hin, diesen wichtigen Hebel für verursachergerechte Düngeregeln, der ZKL-Position ist, zu verhindern. Ich hatte eigentlich Proteste der ZKL in Richtung Bundesrat erwartet.

Die meisten Länder fordern das. Überschätzen Sie nicht den Bauernverband?

Künast: Ich weiß, wie Politik funktioniert. Der Bauernverband gibt sich erst kooperativ und grätscht dann doch immer wieder lobbymäßig rein und blockiert.

Der Bauernverband gibt sich erst kooperativ und grätscht dann doch immer wieder lobbymäßig rein und blockiert."

Die Länder haben es auch abgelehnt.

Das Düngerecht ist insgesamt viel zu bürokratisch und wenig effektiv. Ist es da nicht geboten, genau hinzuschauen, ob Regelungen wegfallen können, wenn eine neue kommt wie jetzt die Monitoringverordnung?

Künast: Die Monitoringverordnung wird eines Tages doch kommen, weil die EU sie verlangt. So einfach ist das. Das Düngegesetz war unbürokratisch. Die Union will aber jetzt bis zur Wahl alles blockieren, verrückt, wenn SPD-Minister dabei mitmachen. Ich sehe ein grundsätzliches Problem: Wer immer nur sagt, zusätzliche Umweltleistungen gibt es nur gegen mehr Honorierung, verkennt die Realität des Klimawandels für Landwirte. Und, kein Mensch glaubt, dass wir künftig noch mehr Geld für die Landwirtschaft bekommen. Stattdessen werden wir große Mühe haben, den jetzigen Stand zu halten.

Die Ampel findet in der Agrarpolitik nicht zusammen. Das hätte womöglich anders laufen können, wenn es eine gemeinsame Klammer gegeben hätte. Warum haben Sie verhindert, dass ein Bekenntnis zu dem Konsens der ZKL und dem Borchert-Konzept in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird?

Künast: Die Klammer ist der Koalitionsvertrag, das gilt für alle Politikbereiche. Ich weiß, dass einige es mir in einer Art Ablenkungsmanöver zuweisen wollen, das ist aber nicht so. Und überlegen Sie mal, was haben Bauern von Allgemeinplätzen?

Was haben Bauern von Allgemeinplätzen?"

Aus Überschriften wird noch lange kein Gesetz. Wir sehen aktuell, dass selbst die ZKL es nicht schafft, ihre Leitlinien in konkrete Vorschläge oder Agrarpakete umzusetzen. Mit einem Hinweis im Koalitionsvertrag auf die Leitlinien der ZKL hätten wir die gleichen Auseinandersetzungen gehabt, wie wir sie jetzt führen. Borchert war mir übrigens zu wenig, weil die Kennzeichnung nur freiwillig sein sollte.

Die Kennzeichnung ist nicht der Kern des Borchert-Konzepts geschweige denn, ob freiwillig oder verpflichtend…

Künast: Für mich schon. Kundinnen und Kunden haben das Recht zu wissen, wie ein Tier gehalten wurde, um danach ihre Kaufentscheidung zu treffen. Und die Bauern mit hohen Standards bekommen so endlich ihr Recht auf Transparenz im Wettbewerb. Warum werden die von den Funktionären immer links liegen gelassen? Unmöglich ist das.

Wer die Landwirte dazu bringen will, in andere Ställe zu investieren, um die Tiere besser zu halten, muss ihnen die Sicherheit geben, dass sie nicht auf den höheren Kosten sitzen bleiben. Warum schaffen Sie es nicht, sich auf ein langfristiges Finanzierungskonzept zu einigen?

Künast: Da fragen Sie die Falsche. Ich kann die FDP nicht zwingen. Wir hatten eine Einigung auf eine Abgabe, die aber nicht lange gehalten hat. Ich warte auf den Vorschlag des Bundesfinanzministers. Der kommt aber bisher nicht.

Der Wert der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft ist, dass sich die Kontrahenten nach jahrzehntelangen Grabenkämpfen an einen Tisch gesetzt und eine Verständigung erzielt haben. Warum nutzt Politik das nicht?

Künast: Wir nutzen das durchaus und arbeiten an den Themen, die beide Kommissionen aufgezeigt haben. Eine Kommission macht Vorschläge, danach sind Bundesregierung und Bundestag dran. So ist das nun mal in unserer Demokratie. Ich bin meiner Fraktion und den Mitgliedern meiner Partei gegenüber auch verpflichtet.

Ich bin meiner Fraktion und den Mitgliedern meiner Partei gegenüber auch verpflichtet."

Zur Umsetzung brauchen wir Partner, Geld und am besten eine geeinte ZKL. Eine Expertenkommission wie die ZKL hätte aus meiner Sicht auch anderes zusammengesetzt sein müssen.

Wie denn?

Künast: Nur unzureichend vertreten waren Konsumentinnen und die Konsumenten, um die es in erster Linie gehen sollte in der Ernährungspolitik, also etwa Elternausschüsse oder Ernährungsräte. Am Ende saßen in der ZKL Teile der Wissenschaft, ein bisschen Natur- und Umweltschutz, sowie die Bauern. Komplett gefehlt hat die Politik. In der Kohlekommission waren die Fraktionen eingebunden. Wir haben in der Gesamtfraktion dadurch regelmäßig darüber diskutiert, was da gerade auf dem Tisch lag und was geht oder nicht geht. Deshalb hat das eine höhere Verbindlichkeit für die Politik. Das hat die alte Bundesregierung versäumt, obwohl sie es hätte besser wissen müssen. Aber sie hat es nicht verbindlicher eingesetzt.

Beide Kommissionen sind noch von der alten Regierung eingesetzt worden. War das für Sie das eigentliche Problem?

Künast: Sie hätte die Kommissionen übrigens auch früher und breiter einsetzen können. Dann hätten Frau Klöckner und Frau Merkel versuchen können, wenigstens Teile davon umzusetzen. Ich behaupte, dass sie es nicht geschafft hätten und keine Mehrheit in der Unionsfraktion hatten. Schließlich ist auch Borchert schon an der CDU/CSU gescheitert. Wir sind weitergekommen als die Vorgängerregierung. Wir haben die Haltungskennzeichnung beschlossen und ein Förderprogramm mit 1 Mrd. Euro aufgelegt. Wer sagt, das sei zu wenig, sollte zur Kenntnis nehmen, dass die finanziellen Spielräume des Staates wesentlich kleiner geworden sind, weshalb das Ausweichmanöver von Herrn Rukwied auf den Bundeshaushalt irritierte und störte.

„Klasse statt Masse“ ist eine Überschrift, die man auch für das Borchert-Konzept hätte wählen können. Wären Sie dann offener gewesen?

Künast: „Klasse statt Masse“, da arbeite ich weiter dran. Das ist mir wichtig, weil damit etwas Grundsätzliches zum Ausdruck gebracht wird. Entscheidend sind jedoch nicht Überschriften, sondern auf die Umsetzung kommt es an. Wer ist dann noch dabei? Der erste Schritt könnte übrigens sein, nicht auf die trickreichen Ablenkungsmanöver reinzufallen, man müsse nur ZKL drüberschreiben und dann ginge es los.

„Klasse statt Masse“ stand damals für eine Neuausrichtung. Heute steht der Agrarbereich wie andere Sektoren auch vor einer umfassenden Transformation. Wie blicken Sie darauf?

Künast: Nicht sehr optimistisch. Ich beobachte mit Sorge, wie stark die Beharrungskräfte im Agrarbereich sind.

Ich beobachte mit Sorge, wie stark die Beharrungskräfte im Agrarbereich sind."

Die Ernährungsweise ändert sich. Das erkennen Sie allein daran, wie viele jüngere Menschen sich jetzt mehr pflanzenbasiert ernähren. Der LEH und die Industrie orientieren sich neu. Was daraus – und aus dem massiven Klimawandel - folgt, ist nach meinem Eindruck noch nicht überall in der Branche angekommen. Manche Strategie sieht aus wie Desinformation, am Ende zum Schaden der Bauern. Ich möchte aber vorbereiten.

Immerhin bekennt sich die ZKL dazu, dass der Konsum und damit einhergehend die Produktion tierischer Erzeugnisse zurückgehen werden …

Künast: Das ist gut. Gleichzeitig ist aus der Fleischwirtschaft zu hören, dass sie eine Kampagne für mehr Fleischkonsum starten möchte. Für mich geht schon der passive Satz der ZKL nicht weit genug. Politik darf sich nicht auf die Zuschauerrolle beschränken. Sie muss vielmehr eingreifen, wenn sie erkannt hat, dass Entwicklungen wie der Rückgang der Fleischerzeugung noch schneller kommen werden, als heute die Entwicklung der Nachfrage zeigt. Es ist die Aufgabe von Politik, über den Tag hinaus zu blicken und daraus Maßnahmen für heute abzuleiten. Zum Beispiel bei plantbased. Wir bauen ein Kompetenznetzwerk auf, hier liegen Zukunftschancen.

Die große Herausforderung besteht darin, die Menschen mitzunehmen. Das ist speziell des Grünen in den letzten beiden Jahren nicht gelungen. Warum nicht?

Künast: Es hat sich 16 Jahre nix bewegt, Lobbystrukturen klammern sich an alte Geschäftsmodelle und nun sind wir schuld?

Es hat sich 16 Jahre nix bewegt, Lobbystrukturen klammern sich an alte Geschäftsmodelle und nun sind wir schuld?"

Das grenzt ja an Desinformation. Es ist heute allerdings schwieriger geworden, Politik zu machen, weil ein wesentlicher Teil der Bevölkerung agitiert wird, dass umfassende Reformen und eine Transformation überhaupt notwendig wären. Ich diskutiere gerne, allerdings darf „Mitnehmen“ auch kein Totschlagargument sein. Politik hat mit Mut zu tun. Als gewählte Abgeordnete haben wir die Verpflichtung, das als notwendige Erkannte für das Land und die Landwirtschaft zu entscheiden.

Was haben Sie in zweieinhalb Jahren Ampel in der Agrar- und Ernährungspolitik erreicht?

Künast: Die Tierhaltungskennzeichnung und das Bundesprogramm habe ich genannt. Wir haben eine Menge Geld in die Renaturierung der Wälder gesteckt. Deswegen hoffe sich, dass die Novelle des Bundeswaldgesetzes noch kommt. Eine Vielzahl von Maßnahmen haben wir im Bereich „Ernährung“ auf den Weg gebracht, um die Ernährungswende voranzubringen. Was noch fehlt ist das Werbeverbot für Kinderlebensmittel. Auch da bleiben wir dran.

Agrar- und Ernährungspolitik ist ein Schwerpunktthema der Grünen. Sie besetzen die zwei zuständigen Bundesministerien, in den Ländern gab es zweitweise so viele grünen Agrarminister wie von den anderen Parteien zusammen. Geholfen hat es Ihnen wenig. Warum?

Künast: Agrarpolitik wird auf mehreren Ebenen gemacht wird, in den Ländern, im Bund und in Brüssel. Da was voranzubringen, ist nun mal nicht einfach. Schließlich müssen wir eine Menge nachholen, nachdem in den 16 Jahren zuvor Stillstand war.

Sie haben einen anderen Politikstil als Cem Özdemir. Wünschen Sie sich bei Ihrem Parteifreund mehr Säbel und weniger Florett?

Künast: Jeder ist wie er ist. Das ist eine Frage des Naturells - und alle Werkzeuge können was bewirken.

Drängen Sie den Minister manchmal, auf den Tisch zu hauen?

Künast: Wir haben ein gutes Verhältnis und diskutieren immer, auch über strategisches Vorgehen. Der Kontakt mit der Staatssekretärin und dem ganzen Ministerium ist gut. Wir bekommen die Informationen, die wir brauchen.

Sie haben angekündigt, bei der nächsten Bundestagwahl nicht mehr anzutreten. Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?

Künast: Es wird wohl so sein wie im Hochleistungssport, ich muss abtrainieren. Hilfreich dafür kann eine große Reise sein, möglichst weit weg. Ich werde aber immer ein politischer Mensch bleiben. Neben ein paar juristischen Themen, die mich brennend interessieren, werde ich mich sicherlich weiter mit Ernährung und Landwirtschaft befassen. Ernährung ist eine der zentralen sozialen Fragen.

Auch in einem Amt?

Künast: Wenn Angebote für eine Tätigkeit kommen, werde ich mir das überlegen.

Sie haben mit ihrer robusten Art oft Leute vor den Kopf gestoßen. Bereuen Sie das?

Künast: Das Kuriose ist, dass ich mir gar nicht so robust vorkomme. Vielleicht ist das auch nur eine beabsichtigte Diskursverschiebung? Fragen Sie das andere auch? Ich bin vor allem ehrlich. Das gilt vor allem für den Umgang mit Lobbyisten, ob Bauernverbände, Lebensmittelverbände oder die Tabakindustrie. Das sind die oft nicht gewohnt. Über die genaue Abgrenzung zwischen „robust“ und „ehrlich“ werde ich mir noch Gedanken machen. Da habe ich bald Zeit zu. Vielleicht denkt Herr Rukwied ja auch noch über seinen Satz auf der Demo im Dezember nach. Das wäre hilfreich für eine auf Zukunft gerichtete Debatte.

Vielen Dank für das Gespräch.

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