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topplus Nach den Landtagswahlen

Sächsischer Bauernpräsident: "Der Osten tickt anders"

Die Zustimmung von Landwirten zur AfD ist nach Einschätzung von SLB-Präsident Krawczyk auch Ergebnis der Enttäuschung über die Politik im Land und im Bund. Er plädiert für einen politischen Neuanfang.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB) und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Torsten Krawczyk, über Gründe den hohen Stimmenanteil der AfD bei der Landtagswahl, Folgen für den Verband und die Gefahr einer Ost-West-Spaltung im Berufsstand

Politische Ungleichbehandlung führt zu Unzufriedenheit auf dem Land

AgE: Herr Krawczyk, das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen zeigt gravierende Unterschiede zwischen Stadt und Land. Sehen Sie darin eine Momentaufnahme oder einen Trend? 

Krawczyk: Viele Leute, die auf dem Land leben, fühlen sich durch die Politik benachteiligt. Nehmen Sie nur das 49 Euro-Ticket, das für die Stadtbevölkerung eingeführt wurde und von dem die Menschen im Dorf nichts haben. Oder wie eine der jüngsten agrarpolitischen Entscheidungen, die Streichung der Agrardieselbeihilfe, die zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung unserer landwirtschaftlichen Betriebe geführt hat. Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie politische Ungleichbehandlung zu Unzufriedenheit auf dem Land führt. 

Wer in Sachsen über Land fährt, hat nicht den Eindruck, dass die Dörfer darben, im Gegenteil. Dazu haben Förderprogramme von Bund und Ländern maßgeblich beigetragen. Deswegen die Frage, woher rührt die Unzufriedenheit? 

Krawczyk: Schmucke Dörfer sind das eine, die Anbindung an die Verkehrs- oder 5G-Infrastruktur sowie die wirtschaftlichen Bedingungen das andere. Schöne Dörfer verhindern nicht, dass Menschen abwandern. Sie führen auch nicht dazu, dass sich Menschen ansiedeln.

Aber möglicherweise hält ein hoher AfD-Anteil Menschen davon ab, in Sachsen aufs Land zu ziehen. Nicht zuletzt in der Landwirtschaft werden Arbeitskräfte immer knapper …

Krawczyk: Diese Befürchtung hätte ich nur, wenn die AfD an der Regierung beteiligt würde. Das wäre aus meiner Sicht eine Katastrophe, wird aber nicht passieren. Ich vertraue den Aussagen des Ministerpräsidenten.

Die Hälfte der Bauern hat AfD gewählt. Wenn Ihre Präsidentenkollegen im Deutschen Bauernverband Sie nach den Gründen fragen – was sagen Sie denen? 

Krawczyk: Bei der letzten Bundestagswahl haben je ein Drittel der Bauern AfD, FDP und CDU gewählt. Die FDP hat nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Bauernprotesten vom letzten Winter massiv an Vertrauen verloren. Sehr viele ihrer Wähler sind zur AfD gewandert. Ich kann das nachvollziehen.

Man erwartet nichts von der AfD

Was hat die AfD den Bauern zu bieten, dass sie in so großer Zahl von ihnen gewählt wird? 

Krawczyk: Man erwartet nichts von der AfD, aber offenbar auch nichts von den gegenwärtigen Regierungen im Land und im Bund. Um ihren Ärger darüber zum Ausdruck zu bringen, haben viele AfD gewählt. Sie sind ganz einfach tief enttäuscht und zeigen das mit ihrer Wahlentscheidung. Für mich war das nicht überraschend. Es war zu spüren. Wir können das verurteilen und die Leute verunglimpfen. Aber es bringt nichts. Stattdessen muss es darum gehen, die Kritik ernst zu nehmen. 

Im Mittelpunkt der Kritik stehen die Grünen, bei Ihnen in Sachsen, aber auch im Bund. Bei allem Verständnis für unterschiedliche Auffassungen - aber woher kommt der Hass in Ostdeutschland auf die Grünen? 

Krawczyk: Um mal eins klarzustellen, die Ostdeutschen hassen die Grünen nicht! Aber wir sind extrem sensibel hinsichtlich ideologischer Politik. Dafür sind die Menschen 1989 nicht auf die Straße gegangen, um nach 30 Jahren belehrt zu werden, was wir fahren dürfen, was wir heizen dürfen oder was wir essen dürfen. Gerade wir Sachsen waren zudem nicht erfreut, als bei der Regierungsbildung in Dresden die Grünen mit dem Landwirtschaftsministerium betraut wurden. Wir kennen ihr Programm und wissen, dass sie für eine landwirtschaftsfeindliche Politik stehen, die über unsere Köpfe hinweg gemacht wird. Wir haben Ihnen trotzdem eine Chance gegeben.

Das Maß war allerdings voll, als es das Agrarministerium im vergangenen Jahr nicht geschafft hat, die Direktzahlungen pünktlich an die Betriebe zu bringen. Das hat einen massiven Vertrauensverlust verursacht. Dazu gab es von Minister Günther kein Wort des Bedauerns oder gar eine Entschuldigung. Er hat sich nicht gekümmert und die Brisanz nicht verstanden - für Landwirte, für Landhändler und für Banken. Stattdessen sah sich unser Minister zu Unrecht an den Pranger gestellt. Deswegen ist das so eskaliert. Diese ausbleibenden Zahlungen im Dezember, der politische Umgang damit sowie die schlechte Kommunikation des Ministeriums haben viel dazu beigetragen, dass Bauern zur AfD getrieben wurden.

Umgang mit dem Wolf hat viel Vertrauen gekostet

Mit Minister Günther haben Sie es es mit einem pragmatischen Grünen-Politiker zu tun. Haben Sie selbst Fehler gemacht?

Krawczyk: Wir sind auf ihn zugegangen. Wir standen offen dem Thema Ökologisierung und Nachhaltigkeit gegenüber. Tatsächlich gab es beim Minister anfangs diesen Pragmatismus. Das ist gekippt, als es auch in Berlin einen grünen Landwirtschaftsminister gab. Da merkte man, wie er peu à peu in eine ideologische Politik zurückgefallen ist.

Woran merkte man das? 

Krawczyk: Krawczyk: Zum Beispiel am Umgang mit dem Thema „Wolf“. Das hat viel Vertrauen gekostet, vor allem im Erzgebirge und in der Oberlausitz, beides Regionen mit intensiver Weidehaltung. Wir haben es auch im Umgang mit der Afrikanischen Schweinepest erlebt, bei der der Minister zwar nicht federführend, aber dennoch als ressortbetroffener Minister involviert war und sich beispielsweise nicht um eine tierwohlgerechtere Verbringung der Schlachtschweine eingesetzt hat, die schließlich bis nach Kellinghusen in Schleswig-Holstein transportiert werden mussten.

Glauben Sie, dass diejenigen, die jetzt AfD gewählt haben, beispielsweise zur CDU oder zu anderen Parteien, zurückzuholen sind? 

Krawczyk: Ich gebe diese Hoffnung nicht auf. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Wähler den demokratischen Parteien einen Denkzettel verpassen wollten. Das schließt uns als Landesbauernverband ein. 

Wie kommen Sie darauf? 

Krawczyk: Krawczyk: Ich habe vor der Wahl in einem Brief an alle Mitglieder dazu aufgerufen, zur Wahl zu gehen und für eine starke demokratische Mitte zu stimmen, und zwar trotz aller Enttäuschung über die Landesregierung und die offensichtliche Unfähigkeit der Bundesregierung. Das ist nicht bei allen Mitgliedern gut aufgenommen worden. Dem Aufruf sind die Berufskollegen nur teilweise gefolgt.

Wie gehen Sie verbandsintern mit der AfD und ihren Mitgliedern um? Bleiben Verbandsfunktionen für AfD-Mitglieder tabu? 

Krawczyk: Wir sind auf Distanz zur AfD gegangen. Es gibt keine Kreisvorsitzenden, die zugleich ein AfD-Amt innehaben.

Wird das so bleiben?

Krawczyk: Das weiß ich nicht. Wir haben keinen Verbandsbeschluss, der AfD-Mitglieder oder Mandatsträger von Funktionen im Bauernverband ausschießt. Wir werden kaum verhindern können, wenn sich ein AfD-Mitglied um einen Posten im Bauernverband bewirbt und gewählt wird. Das werden wir dann wohl akzeptieren müssen. Wichtig bleibt, dass wir uns auch künftig bei Aktionen und Protesten eindeutig von Extremisten abgrenzen. Das ist im vergangenen Winter gelungen, das muss auch in Zukunft gelingen.

Abgrenzung wäre der falsche Weg

Einen Abgrenzungsbeschluss für die Besetzung von ehrenamtlichen Positionen schließen Sie aus? 

Krawczyk: Ja. Meines Erachtens wäre das der falsche Weg. Wir müssen Lösungen für die bestehenden Probleme einfordern und die demokratische Mitte muss auch mal liefern und sich nicht nur streiten.

Das sächsische Landwirtschaftsministerium war von den 34 Jahren seit der Länderneugründung 29 Jahre in den Händen der CDU. Setzen Sie wieder auf ein CDU-geführtes Agrarressort?

Krawczyk: Eindeutig ja. Und wir hoffen auf einen Politiker mit Erfahrung in der Landespolitik und der Landwirtschaft gleichermaßen, auf jemand, der für Dialog mit den Bauern steht, weil er selbst einer ist. Der lässt sich in Sachsen leicht finden. Das wäre ein wichtiges Signal an die Landwirte. Damit könnte verloren gegangenes Vertrauen in die Politik zurückgewonnen werden.

Was erwarten Sie inhaltlich von der künftigen Landesregierung? 

Krawczyk: Wir erwarten, dass die Landwirtschaft in ihrer Breite angesprochen wird und die politische Spaltung zwischen konventionellen und ökologischen Betrieben überwunden wird. Ein wichtiges Thema ist der Pflanzenschutz. Die Landesregierung muss ihren Beitrag leisten, dass wir angemessen auf Pflanzenkrankheiten und Schädlinge reagieren können. Schließlich brauchen wir einen Neuanfang in der Diskussion um ein Agrarstrukturgesetz.

Wir müssen uns darüber abstimmen, mit welchen Bausteinen wir den Wettbewerb auf den Bodenmarkt beruhigen können. Anders als bisher müssen unsere Argumente berücksichtigt werden. Wir plädieren für ein sächsisches Grundstückverkehrsgesetz, das nicht in das Eigentum und die unternehmerische Freiheit der Betriebe eingreift. Schließlich muss eine neue Landesregierung sicherstellen, dass unsere Agrarumweltprogramme stabil finanziert werden.

Sie sind auf dem Bauerntag in Cottbus nicht zuletzt dank einer famosen Rede mit einem überragenden Ergebnis zum DBV-Vizepräsidenten gewählt worden. Was werden Sie tun, um ein Auseinanderdriften des Berufsstands zwischen Ost und West zu verhindern? 

Krawczyk: Ich werde immer wieder erklären, warum wir Ostdeutschen immer noch anders ticken und so empfindlich reagieren, wenn Politik übergriffig daherkommt. Wir müssen darüber sprechen, dass viele im Osten eine andere Wahrnehmung vom Ukrainekrieg haben, dessen Folgen wir hier in der Landwirtschaft viel stärker spüren als im Westen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass dieses Wahlergebnis, das auch mir nicht gefällt, das Ergebnis einer demokratischen Wahl mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung ist. Schließlich dürfen wir nicht diejenigen Berufskollegen abschreiben, die anders gewählt haben, als auch ich mir es gewünscht hätte. Ich werde also weiterhin viel erklären müssen, wie wir im Osten ticken.

Vielen Dank für das Gespräch.

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