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topplus Frust über Bundesregierung

Tierschutzpräsident: Haben Markt für Tierschutzlabel falsch eingeschätzt

Thomas Schröder, Tierschutzbund-Präsident, spricht über das nicht zündende Label seines Verbandes, das `Weiter so´ des DBV und den Frust über die Ignoranz der Bundesregierung beim Tierschutz.

Lesezeit: 5 Minuten

Vor mehr als zehn Jahren hat der Deutsche Tierschutzbund ein Tierschutzlabel in den Markt gebracht. Die Initiative dazu hatte Verbandspräsident Thomas Schröder gegeben.

Im Interview mit Agra Europe berichtet er, dass dieser Schritt für einen Tierschützer keineswegs selbstverständlich gewesen sei. „Zwei Erkenntnisse haben uns dazu bewogen: Zum einen, das Tierschutzgesetz bietet nicht genügend Schutz für die Tiere; zum anderen, Verbraucher können am Schnitzel im Kühlregal nicht erkennen, wie es dem Tier ergangen ist. Das wollten wir ändern.“

Markt falsch eingeschätzt

Aktuell nehmen knapp 560 landwirtschaftliche Betriebe mit unterschiedlichen Tierarten teil. Mit heutigem Blick gibt Schröder aber zu, dass man nicht die Breite erreicht habe, die sich der Tierschutzbund erhofft hatte. „Da gab und gibt es Marktwiderstände und Marktumstände, die wir zu Beginn falsch eingeschätzt haben. Das betrifft zum Beispiel die Konkurrenz um die knappe Fläche im Kühlregal“, sagt er.

Als Tierschutzpräsident bekenne ich mich zur landwirtschaftlichen Tierhaltung, damit es den Tieren jetzt besser geht

DBV hat Handreichung nicht verstanden

Enttäuscht ist Schröder vom Deutschen Bauernverband. Dieser habe das Label bis heute in keiner Weise gewürdigt, sagt der oberste Tierschützer. „Nach meiner Wahrnehmung hat man es dort noch nicht verstanden, welche Chancen diese Handreichung für gemeinsame Lösungen und die gesellschaftliche Akzeptanz von Tierhaltung bieten kann. Trotzdem hatten wir Erfolg, weil der Lebensmitteleinzelhandel unser Tierschutzlabel zum Anlass genommen hat, das Thema Transparenz stärker aufzugreifen.“

Sie können sich vorstellen, dass es einem Tierschützer einiges abverlangt, mit Menschen eine Einigung zu finden, die Tiere halten, damit sie getötet und gegessen werden.

Eingebracht hatte sich der Tierschutzbund auch in die Zukunftskommission Landwirtschaft. Dort sei angekommen, dass die Tierschützer nicht nur gegen etwas sind, sondern bereit seien, sich aktiv an der Lösungsfindung zu beteiligen, Kompromisse zu finden. Das war laut Schröder in den Diskussionen innerhalb der ZKL hilfreich. „Außerhalb der ZKL bleibt das Verhältnis zum Bauernverband schwierig. Anders als mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden gibt es keine direkten Gespräche mit dem Tierschutzbund. Ich bedauere das“, sagt Schröder.

Staatliche Haltungskennzeichnung unzureichend

Er will dennoch weiter am Label festhalten, weil es in Deutschland immer noch keine transparente Kennzeichnung gebe und vorerst auch nicht komme, auch nicht durch die staatliche Haltungskennzeichnung. Aus Tierschutzsicht sei das nicht ausreichend.

„Zudem haben es Bund und Länder nicht geschafft, sich auf eine Durchführungsverordnung zu verständigen. Damit liegt die Einordnung der Betriebe in die einzelnen Stufen bei den Veterinärämtern. Das ist unzumutbar.“ Für Schröder ist das Label allein deshalb wertvoll, weil es nicht auf die Haltung beschränkt ist. Zudem verfüge man über Musterställe, die zeigen, wie es gehen kann. Der Regierung rät der Tierschutzpräsident, diese Erfahrungen in ihre Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Nutztierhaltung einfließen zu lassen.

Es gibt gar keine Tierschutzpolitik

Entsprechend ernüchternd fällt das Urteil zur Tierschutzpolitik der Ampel aus – laut Schröder gibt es gar keine Tierschutzpolitik. „Ich glaube, dass Minister Özdemir strategisch einen Fehler gemacht hat. Anstatt mit einem Instrument wie der Haltungskennzeichnung sein gesamtes Haus weitgehend zu blockieren, hätte er mit dem Tierschutzgesetz beginnen müssen. Dann wäre genügend Zeit gewesen, im Detail zu diskutieren, was notwendig und sinnvoll ist. Jetzt besteht erheblicher Zeitdruck und der Minister muss fragwürdige Kompromisse eingehen, um das Gesetz überhaupt irgendwie über die Rampe zu kriegen“, so Schröder.

Zu fragwürdigen Kompromissen in der Nutztierhaltung zählt er die Regelungen zur Anbindehaltung, die Özdemir offenbar auch persönlich wolle, sowie das Schwanzkürzen von Ferkeln, das immer noch erlaubt bleibt, kritisiert der Tierschützer weiter. Der Minister hat seiner Meinung nach  einen sehr weichen Entwurf vorgelegt, der aus Tierschutzsicht unzureichend ist.

Erwartungen heruntergeschraubt

Die aktuelle Regierung ist noch anderthalb Jahre im Amt. Niemand kann sagen, ob die nächste Bundesregierung beim Tierschutz konsequenter handeln würde als die jetzige. Aus heutiger Sicht hält Schröder das eher für unwahrscheinlich. Er wünscht sich, das die Regierung das parlamentarische Verfahren nutzt, um Verbesserungen für den Tierschutz zu erreichen. „Anschließend gäbe es noch viel Arbeit, die Lücken im Tierschutzrecht sind eklatant, etwa die  fehlenden Haltungsverordnungen für Puten und Rinder, um nur zwei Beispiele zu nennen.“

Schröder weiß aber auch, dass das, was bis zur Sommerpause nicht konkret auf dem Tisch gelegen hat, realistisch betrachtet im parlamentarischen Verfahren keine Chance mehr haben wird. Es sei denn, ein Gerichtsurteil erfordert schnelles Handeln. Die Normenkontrollklage des Berliner Senats gegen die Bedingungen in der Schweinehaltung sei noch offen.

„Wir brauchen die rechtliche Keule“

Der Tierschutzbund müsse leider beobachten, dass der Gesetzgeber sehr oft erst dann handelt, wenn es höchstrichterliche Entscheidungen gibt. Das gelte auch für den Tierschutz.

Gesprächstermine mit einem Minister sind spätestens nach 20 Minuten beendet.

„Deswegen braucht es die rechtliche Keule. Allerdings sind unsere Möglichkeiten begrenzt, weil der Tierschutzbund anders als Umweltverbände kein Verbandsklagerecht hat. Deshalb können wir nur über konkrete Strafanzeigen versuchen, etwas in die Wege zu leiten oder öffentlich Unterstützung leisten, wie bei der Normenkontrollklage“, erklärt der hauptamtliche Tierschutzvertreter.

Trotz Politikversagen weitermachen

Dass die Borchert-Vorschläge noch nicht umgesetzt sind, ist für den Verband eindeutig Politikversagen. Schröder befürchtet, dass dieses Konzept nicht mehr im Ganzen umgesetzt wird. Stattdessen werde man einzelne Elemente herauspicken, wie es die derzeitige Bundesregierung tut. Das entspricht aber nicht dem, was die Borchert-Kommission wollte. „Es braucht ein ganzheitliches Konzept mit Planungssicherheit für alle Beteiligten, eben keinen Flickenteppich wie bisher“, stellt der Kommunikationswirt klar.

Aus der Borchert-Kommission war der Tierschutzbund ausgetreten, in der Zukunftskommission Landwirtschaft werde man aber bleiben. „Wir alle in der Zukunftskommission haben einen gehörigen Frust über die Politik dieser Ampelregierung, jeder aus anderen Gründen, die Naturschützer, die Tierschützer, die Landwirte, die Wirtschaft und der Handel - alle sind unzufrieden. Ich bin dafür, wir sollten weniger über das diskutieren, was den Frust verursacht, als grundsätzlich über die Transformation der Landwirtschaft, auf die sich im Abschlussbericht alle verständigt haben. Wir sollten den Blick für das weiten, was an Veränderungen in der Landwirtschaft nötig ist, um planetarische Grenzen einzuhalten, Klimaschutz und Tierschutz zu gewährleisten und den Betrieben Perspektiven zu geben.“

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