EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hat am Mittwoch die Leitlinien seiner Landwirtschaftspolitik für die Kommenden fünf Jahre vorgestellt. Die kommen im Agrarsektor grundsätzlich gut an. Viele Akteure bemängeln jedoch, dass Hansens Pläne kaum mit den Haushaltsplänen der EU-Kommission zusammenpassen, die die vergangene Woche vorgestellt hat.
Übersieht Hansen den „Elefanten im Raum“?
Hansens Agrarvision sei ein „pragmatischer Neustart [der EU-Agrarpolitik, Anm.] basierend auf fundierter Analyse und Beobachtungen“, urteilt die Dachorganisation der europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbände Copa-Cogeca. „Allerdings“, warnt der EU-Bauernverband, „lässt die Vision den Elefanten im Raum außen vor: den künftigen EU-Agrarhaushalt“.
Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Joachim Rukwied bewertet die Vision „grundsätzlich positiv“. Vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen für den Sektor kritisiert Rukwied die bekannt gewordenen Pläne der Kommission, den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU umzustrukturieren: „Diese Pläne passen nicht mit der „Vision“ zur Weiterentwicklung unseres Sektors zusammen.“
Lins: Vision geht weg von der Konditionalität
Der stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament Norbert Lins (CDU) verteidigt Hansens Vision: „Die Vision sendet ein wichtiges Signal an die Landwirtschaft und die ländlichen Räume in Europa. Sie bekennt sich klar zur Lebensmittelproduktion und insbesondere auch zur Tierhaltung in Europa. Sie beschreibt einen Weg hin zu mehr Anreizen für die Landwirtschaft und weg von der Konditionalität.“
Thomas Waitz erkennt in Hansens Vision vor allem „schöne Worte und viele Ankündigungen“. Waitz ist Landwirtschaftssprecher der Grünen im Europaparlament und bemängelt: „Eine Kernforderung der Grünen bleibt weiterhin unerfüllt: Es gibt kein klares Bekenntnis, die Agrarförderungen zu deckeln und somit die kleinen und mittleren Betriebe ins Zentrum der EU-Agrarpolitik zu stellen. Auch die Umwelt- und Klimamaßnahmen im Agrarbereich bleiben vage.“
SPD-Frau Noichl: Agrarmilliarden schwierig zu rechtfertigen
„Eine Antwort auf die drängendste Frage, nämlich wie das unfaire Subventionsmodell hin zu mehr Schutz für die Umwelt und einem besseren Lohn für Landwirt:innen reformiert werden kann, bleibt der Kommissar uns in großen Teilen schuldig“, findet die SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl.
Offen bleibe auch, wie der Agrarsektor in Zukunft begründen will, die „großen Steuergeldsummen in Zeiten knapper Kassen“ rechtfertigen will.
Jan-Christoph Oetjen ist der FDP-Agrarsprecher im Europaparlament. Er findet: „Der Vorschlag von Agrarkommissar Hansen geht zwar grundsätzlich in die richtige Richtung, springt aber zu kurz. Die Landwirtschaft braucht dringend eine Vereinheitlichung aller Regeln, welche die EU-Landwirtschaft betreffen, auch über die Agrarpolitik hinaus. Der regulatorische Flickenteppich in Europa führt zu Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Deutschland regelmäßig über EU-Regelungen hinausgeht.“
NABU-Chef: Knappe Mittel in klimafreundliche Landwirtschaft investieren
Auch der Präsident des Nabu Jörg-Andreas Krüger weist auf den Finanzdruck hin, unter dem die Agrarpolitik künftig stehen wird: „Weniger Mittel im EU-Agrarhaushalt stellen die Landwirtschaft künftig vor große Herausforderungen, bergen aber auch die Chance für einen echten Kurswechsel. Entscheidend wird es sein, die knapperen Mittel gezielt für eine natur- und klimafreundliche Landwirtschaft einzusetzen.“