In Österreich beherrschen die drei größten Handelsketten rund 90% des Lebensmittelmarktes. „Diese hohe Marktkonzentration führt zu harten Preisverhandlungen, drohenden Auslistungen und einseitigen Vertragsänderungen. Mehr als 100.000 bäuerliche Betriebe und Verarbeiter stehen einer Handvoll Handelsriesen gegenüber – das ist ein Kampf mit ungleichen Waffen“, erklärt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig.
Seit drei Jahren setzt sich das Fairness-Büro für Gerechtigkeit entlang der Lebensmittelkette ein. Mehr als 800 unmittelbare und mittelbare Beschwerden wurden 2024 verzeichnet. „Diese Zahl zeigt schwarz auf weiß, wie groß die Macht der Handelsketten gegenüber kleineren Produzenten ist", sagt Totschnig
Einseitige Preiserhöhungen beim Fleisch
Handelsketten verweigern traditionellen und familiengeführten Fleischerbetrieben trotz der steigenden Personal- und Energiekosten eine Preisanpassung für ihre Produkte. In einem dokumentierten Fall erhöhte eine Handelskette den Konsumentenpreis eines Produkts um 30 %, während der Produzent gleichzeitig 2 % weniger erhielt, heißt es im Fairness-Bericht. Darüber hinaus nutzen Handelsketten sinkende Rohstoffpreise, um ihre Einkaufspreise weiter zu drücken, was die Existenz besonders von Klein- und Mittelbetrieben gefährdet.
Kritisiert wird auch von den Klein- und Mittelbetrieben, dass die Verhandlungen über ihre Produkte mit dem generell niedrigen Schweinepreis im Jänner für das ganze Jahr verhandelt werden. Der niedrige Schweinepreis werde von den angestellten Einkäufern der Konzerne als Argument für die Preisgestaltung von Wurst- und Fleischspezialitäten aus familiengeführten Handwerksbetrieben herangezogen, obwohl zahlreiche andere Zutaten und Produktionskosten mitspielen. Ein Vergleich der Verkaufspreise der Produzenten von Wurstspezialitäten zeigt, dass von Jänner 2020 bis Jänner 2025 kaum oder keine Preissteigerungen verhandelt werden konnten - trotz immenser Erhöhung der Produktionskosten.
Eigenmarken bremsen Qualitätsprodukte aus
"Durch gezielt hohe Preisaufschläge auf Qualitäts-Markenprodukte durch den Handel entsteht massiver Wettbewerbsnachteil für heimische Produzenten", heißt es im Fairness-Bericht. Gleichzeitig werden Eigenmarken, die oft in den eigenen Werken der Handelsketten hergestellt werden, künstlich günstig gehalten. Konsumenten greifen daher häufiger zu diesen Produkten, was Qualitäts-Markenprodukte untergräbt.
Aufgezwungene Dienstleistungen und unfaire Exklusivverträge
Produzenten werden von Handelsketten gezwungen, bestimmte Zahlungs- und Logistikdienstleister zu nutzen und diese zu bezahlen. Die Preisgestaltung ist of unverhältnismäßig hoch und intransparent. Diese Kosten zahlen am Ende des Tages nicht nur die Lieferanten, sondern auch die Konsumenten – und das zum Vorteil des Handels.
Start-ups und Jungunternehmer werden durch exklusive Lieferverträge in vollständige Abhängigkeit von einer Handelskette gedrängt, heißt es im Bericht. Sie müssen für den Handel hohe Investitionen tätigen und Expandieren, um die (volatilen) Bestellmengen fristgerecht liefern zu können, eine Abnahmegarantie gibt es allerdings nicht. Kann der Produzent die Bestellungen nicht 100% bedienen, werden hohe Vertragsstrafen fällig.
„Der Bericht des Fairness-Büros zeigt nicht nur unfaire Handelspraktiken, sondern auch ein zunehmendes Bewusstsein für Fairness entlang der Wertschöpfungskette. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden wir aktiv das Gespräch mit den Handelsketten suchen, um auf Augenhöhe gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Unsere Hand ist ausgestreckt“, erklärt der Bundesminister.