Unsere Autoren Leopold Kirner, Theresa Eichhorn von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik und Kim Mewes, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft beschreiben in dem 5. Teil der Serie: Wie steht es um die Mutterkuhhaltung?
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Immer weniger Mutterkühe werden in Österreich gehalten. Eine wirtschaftliche Haltung ist nur mit höchstem Kostenbewusstsein zu erreichen.
Die größten Herausforderungen sind die Produktionsanforderungen, die Dokumentationspflichten und die schlechte Wirtschaftlichkeit.
Die Stimmung unter den Betrieben ist besser als ihre wirtschaftliche Situation, trotzdem will jeder Fünfte in den nächsten zehn Jahren den Betrieb aufgeben.
Ansätze für die Betriebe können grünlandbasierte Fleischerzeugung, verstärkte Weidewirtschaft oder die Ausrichtung auf Qualität und Tierwohl sein.
Die Mutterkuhhaltung leistet im österreichischen Berggebiet einen wesentlichen Beitrag zur flächendeckenden Bewirtschaftung. Bis vor einigen Jahren war dieser Betriebszweig die erste Alternative, wenn die Milchviehhaltung aufgegeben wurde. So stieg die Zahl der Mutterkühe von rund 240.000 Anfang der 2000er-Jahre auf mehr als 260.000 im Jahr 2010. Seitdem nimmt der Bestand laufend ab.
Im letzten Jahr der Mutterkuhprämie 2014 wurden knapp 236.000 Mutterkühe gezählt. In den vergangenen zehn Jahren verschärfte sich der Rückgang dramatisch, pro Jahr um fast 8.000 Mutterkühe. Für das Jahr 2023 weist die Statistik Austria knapp 158.000 Mutterkühe aus, ein Rückgang von 33 % gegenüber dem Jahr 2014. Im Vergleich dazu nahm im gleichen Zeitraum die Zahl der Milchkühe um über 11.000 zu.
Anna Koiner von der Rinderzucht Austria bestätigt: „Wir haben nicht nur Betriebe verloren, sondern auch Tiere. Vor allem in der Vermarktung fehlen diese, das spürt man auch in den Qualitätsprogrammen.“
Einkommen unter 10.000 €
Im Kalenderjahr 2023 erzielten die Mutterkuhbetriebe im Grünen Bericht Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 9.680 €/Betrieb. Zur Orientierung: Die 77 Betriebe in dieser Auswertung hielten im Durchschnitt 14 Mutterkühe, sie bewirtschafteten 29 ha landwirtschaftliche Fläche und benötigten 1,05 betriebliche Arbeitskräfte. Das bedeutet, dass Mutterkuhbetriebe um fast 30.000 €/Betrieb weniger verdienten als der Durchschnitt aller Betriebe. Dabei erhielten sie im Jahr 2023 mit über 24.000 €/Betrieb überdurchschnittlich hohe öffentliche Gelder.
Die Darstellung der Einkommen von 2003 – 23 in Übersicht 1 verdeutlicht zudem, dass die Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen Betriebsformen weiter abgenommen hat. Während sich das Ergebnis aller Betriebe oder der Milchviehbetriebe trotz Schwankungen tendenziell nach oben entwickelte, sank das Einkommen der Mutterkuhbetriebe ab 2011 mit wenigen Ausnahmen. Auch die Eigenkapitalbildung der Unternehmerhaushalte mit Mutterkuhhaltung verweist mit einem negativen Betrag in die gleiche Richtung.
Bei der Analyse der Buchführungsergebnisse fällt auf, dass die Mutterkuhbetriebe geringe Einkommen bei gleichzeitig hohem Aufwand erwirtschaften. Als Gewinnrate, also das Verhältnis von Einkommen zum Ertrag, wurde im Jahr 2023 im Schnitt rund 13 % ausgewiesen. Im Durchschnitt aller Betriebe lag dieser Wert bei 25 %. Geringe Stallplatzkosten, eine kostengünstige Mechanisierung und somit sparsame Investitionen sowie eine effiziente Produktion sind für eine höhere Gewinnrate die Voraussetzung. Was das konkret bedeutet, erläuterte ein Landwirt mit Mutterkuhhaltung im Rahmen des Projekts „Erfolgreiche Betriebe“: Er überlegt genau den Nutzen einer Investition und deren Auswirkungen auf das Einkommen, wie das folgende Zitat aus dem Interview belegt:
Investitionen gut überdenken
„Ich habe das zumindest bei jeder Investition im Hinterkopf, brauche ich das jetzt wirklich? Das reduziert wirklich nur mein Einkommen. Wegen dem (…) kriegen wir für das Rindfleisch gleich viel, wenn wir es mit dem neuen oder alten Traktor heimführen, schaffen tun wir es jetzt auch. (…) Ich kaufe mir nicht irgendwas, das ich nicht brauche.“
Sowohl die Preise für Einsteller als auch für Bio-Jungrinder zeigen von 2018 bis 2020 einen leichten Rückgang. Übersicht 2 zeigt die Preisentwicklung für die Mutterkuhhaltung, bezogen auf Einsteller und Bio-Jungrinder. Ab 2021 gibt es einen deutlichen Anstieg der Preise, der sich bis 2024 fortsetzt.
Laut Rudolf Grabner von der Landwirtschaftskammer Steiermark verursacht der aktuelle Rückgang an Rindern in Europa die steigenden Preise: „Besonders für Einsteller besteht jetzt die Hoffnung, dass sich die Einkommenssituation durch die höheren Rindfleischpreise doch verbessern kann.“
Jeder Fünfte will aufhören
Aufgrund der Einkommenssituation überrascht es nicht, dass Mutterkuhhalter zurzeit etwas weniger zufrieden sind als ihre Berufskollegen. Die Grundlage für diese Einschätzung bildet die Befragung des Marktforschungsinstituts KeyQUEST, die im Rahmen der VISION 2028+ im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums im November und Dezember 2023 durchgeführt wurde.
Demnach schätzten sich 15 % der 147 interviewten Mutterkuhbetriebe als sehr zufrieden ein (21 % unter allen Betrieben), 14 % waren zum Zeitpunkt dieser Telefoninterviews unzufrieden oder sehr unzufrieden (12 % unter allen Betrieben). Interessant ist, dass sie bei der Einschätzung zur künftigen Entwicklung ihres Betriebs ähnlich eingestellt sind wie der Durchschnitt aller Befragten. 8 % blickten zum Zeitpunkt der Befragung sehr positiv, weitere 23 % positiv in die Zukunft (7 und 24 % unter allen Betrieben). Lediglich der Anteil jener Betriebe, die besonders negativ in die Zukunft blickten, war mit 12 % höher als unter allen Betrieben (9 %).
Bezüglich der Weiterbewirtschaftung ihres Betriebes zeigt sich ein klares Bild, wie Übersicht 3 belegt: Unter den Mutterkuhhalterinnen und -haltern wollen deutlich mehr den Betrieb aufgeben als unter allen Betrieben: 20 % gegenüber 15 % im Bundesschnitt.
Geringe Einkommen als wichtige Herausforderung
Als Hauptgrund für die Betriebsaufgabe nennt Grabner die fehlende Wirtschaftlichkeit bei der Mutterkuhhaltung und erklärt: „Sobald es bei den Betrieben zu einer Änderung durch Hofübergabe oder notwendige bauliche Anpassungen im Stall kommt, wird genauer kalkuliert. Dabei wird sichtbar, die Mutterkuhhaltung zahlt sich nur schwer aus.“
Die befragten Betriebsleiter stuften die im Fragebogen aufgelisteten Herausforderungen ähnlich ein wie der Durchschnitt aller Landwirtinnen und Landwirte in Österreich (siehe Übersicht 4). Die größte Abweichung kann für die Einschätzung zu Wirtschaftlichkeit und Einkommen festgestellt werden. 43 % der Mutterkuhhalterinnen und -halter stuften diese Herausforderung als voll zutreffend ein. Unter allen Befragten lag der entsprechende Wert bei 34 %.
Betrieben fehlt das Kapital
Nimmt man die zweite Stufe der Skala „trifft eher zu“ hinzu, ergibt sich bei den Mutterkuhhaltern eine Zustimmung von 71 gegenüber 59 % im Bundesschnitt. Auch das fehlende Kapital für Investitionen wird in Mutterkuhbetrieben stärker gewichtet als im Schnitt aller Betriebe. Die Unberechenbarkeit der Märkte oder die Dokumentationspflichten einschließlich Bürokratie werden hingegen etwas weniger herausfordernd betrachtet als im Bundesschnitt. Trotzdem zählen sie neben den steigenden Produktionsanforderungen auch in der Mutterkuhhaltung zu den zentralen Herausforderungen.
Die geringen Einkommen sind ein Problem. „Es braucht ein klares Signal seitens der Politik, dass die Mutterkuhhaltung eine Haltungsform ist, die wir in Österreich auch wollen. Diese Unterstützung brauchen wir jetzt, es ist schon fünf nach zwölf“, sagt Anna Koiner. Grabner ergänzt: „Ohne Prämien, wie sie beispielsweise für gefährdete Tierrassen existieren, wird es schwierig. Diese Art von Ausgleich braucht es auch in der Mutterkuhhaltung.“
Neben der Wirtschaftlichkeit nennen die beiden auch das Risiko durch Wolfsangriffe und die Blauzungenkrankheit bei Mutterkühen als Herausforderungen. Es besteht die Sorge, dass Betriebe ihre Tiere aufgrund der Kosten nicht impfen lassen. Dies kann zu embryonalen Abgängen, lebensschwachen Kälbern, Tot geborenen Kälbern und zu großen Herausforderungen im Management der Krankheit in der Weidehaltung führen. Der Verlust eines Kalbes bedeutet für die Betriebe Einkommensverluste. Die großen Lösungsansätze der Mutterkuhbetriebe für die Zukunftssicherung decken sich gut mit dem Gesamtergebnis aller Betriebe. Ausbildung und laufende Weiterbildung, vor der Produktion im Rahmen von Qualitätsprogrammen und der überbetrieblichen Zusammenarbeit und Vernetzung. Wobei die Qualitätsproduktion für die Mutterkuhhaltung wichtiger ist als bei allen Betrieben (für 54 % sehr gut oder gut im Vergleich zu 47 % unter allen Betrieben). Auch die Strategie Extensivierung und Nebenerwerb wird in den Mutterkuhbetrieben häufiger in Erwägung gezogen als im Bundesschnitt (43 gegenüber 38 %).
VISION 2028+: Maßnahmen und Impulse für Mutterkuhbetriebe
Auch für Mutterkuhbetriebe liefert die VISION 2028+ zahlreiche Maßnahmen und Impulse, die in den sieben Handlungsfeldern der Phase 2 sowie in weiteren Zukunftsimpulsen der Phase 3 des Visionsprozesses erarbeitet wurden (Näheres dazu siehe Artikel in der Ausgabe 11/2024). Einige dieser Maßnahmen und Impulse werden hier verkürzt aufgelistet:
Klares Bekenntnis zur Nutztierhaltung in Österreich, mit Schwerpunkt auf Qualitätsprogramme, Umwelterfordernisse und gesellschaftliche Akzeptanz.
Grünlandbasierte und standortangepasste Milch- und Fleischproduktion mit Wiederkäuern werden forciert.
Spezielle Anreize für Tierwohlställe.
Die Arbeitskreisberatung wird weiter forciert.
Qualitätsprogramme sind klar definiert und werden transparent entlang der Wertschöpfungskette umgesetzt.
Die Haltungsform wird bei tierischen Produkten in sämtlichen Produktionssparten ausgelobt. Ziel ist ein fünfstufiges Modell mit Bio als eigener Stufe an der Spitze und mit einer visuellen Darstellung, bei der die Herkunft im selben Sichtfeld mit der Haltungsform ausgelobt wird.
Klimaresiliente Nutztierhaltung wird durch optimierte Futterproduktion und Fütterung sowie eine Anpassung der Weidehaltungssysteme erreicht. Hitzestress, Tiergesundheit und Tierwohl werden durch Beratung und geförderte Stallbaumaßnahmen verbessert.
Biologische und ökosystemfördernde landwirtschaftliche Praktiken und Formen der Nutztierhaltung werden weiter ausgebaut.
Betriebe die im Rahmen von Qualitätsprogrammen wie etwa bei Bio-Jungrind produzieren, erzielen höhere Erlöse. Diese Produktionsschiene sieht Grabner als gute Strategie, dabei ernähren sich die Kälber von der Milch der Mutter und vom Grundfutter. Getreide wird nur in kleinen Mengen zugefüttert, um die Fettabdeckung und das Schlachtgewicht zu erreichen. „Es wird hoch qualitatives Fleisch mit geringen Kraftfuttereinsatz erzeugt“, so Grabner. Koiner sieht die Produktion von Qualitätsabsetzern als Schlüssel für eine Unterstützung: „Eine Förderung von Kälbern aus der Mutterkuhhaltung würde die Qualitätsrindfleischproduktion in Österreich fördern und die Bewirtschaftung des Dauergrünlands und der Almen sichern.“ Weiters sieht sie die Möglichkeit höherer Qualität durch den Einsatz von Herdbuchstieren und wünscht sich eine einheitliche Förderung in den Bundesländern.
Interesse an Schulungen und Beratung ist groß
Abschließend wurden die Bäuerinnen und Bauern gefragt, bei welchen Themen sie Unterstützung, zum Beispiel durch Schulungen oder Beratung, wünschen (siehe Übersicht 5). Hier zeigte sich, dass ein hoher Bedarf seitens der Mutterkuhhaltung vorhanden ist. Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen wünschte sich Informationen zu kostengünstigen Produktionsweisen und Investitionen. Knapp die Hälfte warb um Unterstützung beim Finden neuer Absatzkanäle.