Unser Experte: Dr. Norman Schmid ist Umweltpsychologe
Zuversicht ist die Kraft, die uns hilft, den Kopf hochzuhalten und weiterzumachen – auch wenn die Lage aussichtslos erscheint. Panik vernebelt das Gehirn. Zuversicht ermöglicht das Gegenteil: den Ernst der Lage zu erkennen, dabei der Angst zu trotzen und die Spielräume zu nutzen, die sich auftun.
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In den aktuellen Zeiten fällt es manchmal schwer, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.
Zuversicht hängt stark mit Optimismus und Selbstwirksamkeit zusammen. Hoffnung bezieht sich auf das, was wir nicht selbst beeinflussen können.
Zuversicht: festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft, auf die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen. So die Erklärung im Duden. Doch ist es so einfach? Worin wurzelt der unerschütterliche Glaube an das Gute? Was fördert oder schwächt ihn? Und lässt er sich erlernen?
Optimismus und Hoffnung
Wenn man von Zuversicht spricht, gibt es einige Begrifflichkeiten, die es abzugrenzen gilt, bzw. die die Zuversicht beeinflussen. Optimismus beispielsweise kommt vom Wort „Optimum“ und beschreibt eine lebensbejahende Grundeinstellung und den Glauben daran, dass das Bestmögliche eintritt.
Die Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen in die eigene Tüchtigkeit. Sie bezeichnet das Vertrauen einer Person, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen auch in Extremsituationen erfolgreich selbst ausführen zu können.
Auch Hoffnung beeinflusst die Zuversicht und lässt uns positiv in die Zukunft blicken. Jedoch bezieht sich die Hoffnung auf all das, was wir nicht beeinflussen können. „Zu hoffen, hat eher mit Gottvertrauen zu tun und das Resultat kann weniger durch die eigenen Fähigkeiten bestimmt werden“, erklärt Norman Schmid. Er ist Umwelt- und Gesundheitspsychologe in St. Pölten. „Hoffnung ist der Glaube daran, dass sich schon alles zum Guten wenden wird.“ Aber auch die Hoffnung kann ein leistungsfähiges Werkzeug sein, das uns durch schwierige Zeiten führt.
Viele Traditionen und Bräuche haben die Zuversicht als Ursprung. In den Raunächten zwischen dem 21. Dezember und dem 6. Jänner werden Ängste überwunden und mit verschiedenen Ritualen die Geister besänftigt. Bei Hochzeiten streuen Kinder Blumen und die erwachsenen Gäste Reis – um die Geister gnädig zu stimmen. Man klopft auf Holz und schließt die Augen, wenn man eine Sternschnuppe gesehen hat. Eine zuversichtliche Wunschformulierung, die im besten Fall auch in Erfüllung geht.
Weniger Sorgen und Ängste
Studien haben gezeigt, dass sich Menschen, die zuversichtlicher in die Zukunft blicken, sich mehr bewegen und sich gesünder ernähren. Sie machen sich im Allgemeinen weniger Sorgen, leiden seltener an Ängsten oder unter Stress und schonen somit Herz und Nerven. „In Studien haben optimistisch denkende Menschen nach einem Schicksalsschlag oder einer Krankheit schneller wieder zurück ins Leben gefunden“, berichtet Norman Schmid. Die Psyche hat einen enormen Einfluss auf das Immunsystem, deshalb ist auch die Genesungsrate bei positiv denkenden Menschen Studien zufolge höher.
Doch woher kommt diese Widerstandsfähigkeit bzw. die Fähigkeit, zuversichtlicher zu sein, optimistischer zu denken? „Ein kleiner Teil davon ist angeboren“, erklärt der Psychologe. „Ein großer Teil jedoch wird erworben.“ Damit meint er vor allem die Eigenschaften, die von Eltern, der Familie und Freunden vorgelebt werden. Sind sie in ihrer Einstellung und Lebensweise eher schwankend, so neigt auch das Umfeld eher zum Pessimismus. „Hinzu kommen Lerneffekte. Das müssen nicht mal Schicksalsschläge sein“, erklärt Schmid. „Ausschlaggebend können viel mehr die Erfolge sein, die eine Person erlebt und erreicht hat.“
Auf das Schöne schauen
Dabei ist es tatsächlich so, dass unser Gehirn evolutionär bedingt Negatives vorrangig behandelt und rascher auf Bedrohliches und Gefährliches anspringt. Eine gefährliche Situation musste schon von unseren Vorfahren immer früh erkannt werden. Passierte etwas Schönes, dann war das toll – aber nicht überlebenswichtig.
Aber: Fix eingestellt ist unser Gehirn nicht! „Wenn wir immer nur Negatives aufnehmen, dann ist unser Gehirn in Alarmstellung. Das können wir beeinflussen, indem wir uns einfach mal ganz bewusst auf schöne Dinge fokussieren“, sagt Norman Schmid.
„Es gibt jeden Tag viel Schönes. Wir müssen es uns nur anschauen.“ Es ist das „Warum“, das uns antreibt. Dazu gehören neben dem Schönen des Alltags unsere Familie, unsere Liebe, unsere Leidenschaft und unsere Ziele. Wer einen Grund hat zu strampeln, strampelt.
Ob wir etwas als positiv oder negativ beurteilen, hängt dabei stark von der Stimmung in der Situation ab. „Komme ich aus einer guten Stimmung, z. B. von einem Treffen mit Freunden oder einer Verabredung, macht mir der Stau gar nicht so viel aus“, sagt Norman Schmid. „Und wenn der Stau mir nichts ausmacht, habe ich weniger Stress.“
Raum für Selbstwirksamkeit
Und manchmal müssen wir vielleicht auch einfach etwas demütiger sein: dankbar für das, was wir haben. Das, was wir haben, bewusster genießen. Denn so kann Zuversicht trainiert werden. Norman Schmid rät, immer mal wieder innezuhalten und sich selbst zu fragen, wie die Stimmung ist, wie es einem selbst geht. „Stellen Sie sich die Frage, welche inneren Selbstgespräche Sie gerade führen. Warum ärgern Sie sich gerade? Ist der Ärger überhaupt notwendig?“
Kurz gesagt: Ein Ausstieg aus der Negativstimmung. Das gelingt mit einem „Aufwiegen“ und den Fragen: Was war heute positiv? Was war negativ? Dabei spielt die Achtsamkeit eine große Rolle. Denn wer achtsam durchs Leben geht und bewusst wahrnimmt, wird viel Schönes entdecken – und trainiert so wiederum die Zuversicht. Und wer Schönes für sich entdeckt, sei es malen, musizieren, Sport, Kochen oder Gartenarbeit, schafft sich für sich selbst einen Gestaltungsspielraum, in dem keine Schwebezustände oder Ungewissheit ausgehalten werden müssen. In diesem Bereich können wir fast ausschließlich mit Selbstwirksamkeit unsere Ziele erreichen.
Experten raten außerdem dazu, hin und wieder von routinierten Bequemlichkeiten abzuweichen und bewusst neue Erfahrungen zu suchen. So kann auf Unvorhersehbarkeiten trainiert werden. Zu wissen, dass uns nichts so leicht aus der Bahn werfen kann, beeinflusst die Fähigkeit, positiv zu denken.