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Pflanzenschutz: „Verbote helfen weder Klima noch Landwirten“

Christian Stockmar, Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz, spricht über langwierige Zulassungen, fehlendes Verständnis und die Vision der „gesunden Pflanze“.

Lesezeit: 5 Minuten

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Verbotspolitik ist nicht zielführend. Laut IGP-Obmann Christian Stockmar sollten innovative Ansätze gefördert werden.

In der EU sieht er erste Anzeichen eines Umdenkens, es entwickelt sich weg von reinen Verbotszielen hin zu einer Förderung von Innovationen und Digitalisierung.

Mit der Vision der „gesunden Pflanze“ soll ein Dialog mit der Politik und den Konsumenten entstehen, der Innovationen voranbringen kann.

Bis 2030 sollen laut der geplanten Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) 50 % der ausgebrachten Menge eingespart werden. Wie kann die Branche darauf reagieren?

Christian Stockmar: Die Debatte beschäftigt uns in der IndustrieGruppe Pflanzenschutz schon seit vielen Jahren. Wir glauben, dass eine Politik, die einfach Pflanzenschutzmittel verbieten oder pauschal reduzieren will, weder der Landwirtschaft noch der Versorgungssicherheit hilft. Es gibt klügere Ansätze, wie Innovationen oder die Digitalisierung zu fördern sowie neue Technologien zu nutzen, als eine reine Verbotspolitik.

Vor 25 Jahren waren 1.000 Wirkstoffe verfügbar, heute nur noch 300. Wie wird sich das in den kommenden Jahren weiterentwickeln?

Christian Stockmar: Für den Ackerbau sind nur noch etwa 150 Wirkstoffe verfügbar. Wir brauchen eine Vielfalt von Wirkstoffgruppen, ähnlich wie bei Antibiotika in der Medizin. Eine einfache Reduzierung der Wirkstoffanzahl verfehlt das Ziel. Besonders im Bereich der Pilzbekämpfung beim Getreide wird es zunehmend schwierig. Denn wir wissen, wenn man immer am selben Ort angreift, bilden sich bald Resistenzen. Neue Insektizide zuzulassen, ist in Europa sowieso fast nicht mehr möglich.

Ist Österreich auf eine Reduktion der Pflanzenschutzmittel, wie in der SUR vorgesehen, besser vorbereitet als andere EU-Länder?

Christian Stockmar: Wir haben einen sehr hohen Grad an Familienbetrieben und aus der Natur der Sache heraus will eine Familie auch den Boden erhalten und den landwirtschaftlichen Betrieb schonend weiterentwickeln. Wir sind in Österreich schon wesentlich weiter, die Bauern arbeiten seit den 90er-Jahren durch das ÖPUL-­Programm sehr umweltbewusst. Verbote helfen dem Klima nicht. Sie fördern im Wesentlichen nur Importe. Wenn ich hier die Produktion in Europa zurückfahre, dann produzieren andere Länder außerhalb der EU und das bringt dem Klima und der Umwelt nichts. Es kann doch nicht das Ziel sein, die Kartoffeln aus der Wüste in Ägypten zu holen.

Wie kann in Zukunft Pflanzenschutz mit eingeschränkten Möglichkeiten funktionieren?

Christian Stockmar: Es passiert gerade sehr viel am digitalen Sektor, hier haben wir mit der Innovation Farm in Wieselburg gute Ansätze mit Spotspray-Systemen, die sehr effektiv sind. In Kombination mit neuen Pflanzenschutz­mitteln oder Alternativprodukten funktionieren diese Systeme besonders gut. So können auch die ausgebrachten Mengen an Pflanzenschutz­mitteln stark reduziert werden.

Können Sie konkrete Innovationen nennen, die die Branche entwickelt, um Pflanzenschutzmittel umwelt­verträglicher und nachhaltiger zu ­gestalten?

Christian Stockmar: Die Anforde­rungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sind nirgends so hoch  wie in Europa. Das gilt sowohl für chemisch-synthetische als auch für Pflanzenschutzmittel für den ­biologischen Landbau. Und das heißt, wenn Pflanzenschutzmittel hier eine Zulassung erhalten, dann sind sie auf dem höchsten technischen und inno­vativsten Stand, den es gibt. Wenn diese innovativen Produkte auf den Markt kommen und sie mit hohem Technisierungsgrad ausgebracht werden, können Mengen eingespart werden. Dazu braucht es die Digitalisierung und sensorgesteuerte Präzisionslandwirtschaft.

Wie sehen Sie die Zukunft des Raps­anbaus in Österreich mit den eingeschränkten Insektiziden?

Christian Stockmar: Der Rapsanbau ist stark zurückgegangen, als die Beize verboten wurde. Ich glaube es war zielführender, das Saatgut zu beizen, als viel mehr Menge zu applizieren, um die Schadinsekten in den Griff zu bekommen. Wenn Landwirte den Pflanzenbau nicht mehr wirtschaftlich betreiben können, werden sie andere Kulturen anbauen. Ich sehe keine großen Entwicklungen für den Rapsanbau in Österreich. Die Klimaveränderung macht auch dem Erdäpfelanbau Probleme. Durch die lang anhaltende Hitze im August wird es immer schwieriger, Schädlinge zu bekämpfen. Da hat es früher auch Möglichkeiten gegeben, die es heute nicht mehr gibt.

Es gibt mit Christophe Hansen einen neuen Agrarkommissar, sehen Sie dadurch mögliche Änderungen in der EU-Politik bezüglich des Pflanzenschutzes?

Christian Stockmar: Ich sehe ein Umdenken in der EU-Politik. Die reinen Verbotsziele werden überdacht. Es gibt Ansätze, Innovationen zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Digitalisierung einbeziehen und unterstützen. Wir können nur hoffen, dass der Kommissar diesen Weg beschreitet.

„Wir wollen zeigen, dass moderne Landwirtschaft und Umweltschutz Hand in Hand gehen können.“
Christian Stockmar, Obmann IGP

Die IGP hat vor Kurzem Ihre Vision zum Pflanzenschutz präsentiert. Die „gesunde Pflanze“ steht hier im Mittelpunkt. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Christian Stockmar: Wir haben in Österreich mit 25 Organisationen und 50 Personen eine positive Agrarvision formuliert. Unser Ansatz ist eben, die gesunde Pflanze in den Mittelpunkt zu stellen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Innovationen ermöglichen. Wir wollen zeigen, dass moderne Landwirtschaft und Umweltschutz Hand in Hand gehen können.

Wie wollen Sie diese Vision in die breite Öffentlichkeit tragen?

Christian Stockmar: Wir wollen die Agrarvision zum Konsumenten bringen. Wichtig ist jetzt die Umsetzung der Forderungen und eine breite Zusammenarbeit, um positive Ziele für die Landwirtschaft zu formulieren.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Vision der gesunden Pflanze mit Umwelt- und Klimaschutzzielen vereinbar ist? Wie wird das kommuniziert?

Christian Stockmar: Wir sprechen von einer ausgewogenen, naturverbundenen Landwirtschaft, es geht nicht um konventionell oder biologisch. Es geht darum, die Landwirtschaft weiterzuentwickeln und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. Ein wichtiger Punkt ist auch die regionale Produktion und Versorgungssicherheit, die wir bei unserem Visionsprozess in den Vordergrund stellen wollen. Wir möchten vermitteln, dass eine starke heimische Landwirtschaft wichtig für die Ernährungssicherheit und Unabhängigkeit ist. Diese braucht Möglichkeiten, um die Pflanzen gesund zu halten.

Wie wollen Sie diese Botschaften an die breite Öffentlichkeit kommu­nizieren?

Christian Stockmar: Wir planen verschiedene Kommunikationsmaßnahmen. Zum einen wollen wir die Agrarvision direkt an Konsumenten kommunizieren. Es geht darum, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte ausgewogen zu berücksichtigen. Zum anderen streben wir eine breite Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen und Verbänden an, um die Botschaften gemeinsam zu verbreiten. Wichtig ist auch der Dialog mit der Politik, um die Rahmenbedingungen für eine innovative und nachhaltige Landwirtschaft zu verbessern. Wir wollen ein positives Bild der Landwirtschaft zeichnen. Letztendlich geht es darum, Verständnis in der Bevölkerung zu schaffen für die Herausforderungen der Landwirtschaft. Wir wollen einer breiten Öffentlichkeit zeigen, dass Landwirte verantwortungsvoll mit Ressourcen und der Umwelt umgehen.

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