Macht mehr Tierwohl! Das hört man nahezu täglich in Radio- und TV-Nachrichten, liest sie in Tageszeitungen oder nimmt sie aus persönlichen Gesprächen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern mit. Doch das ist leichter gesagt als getan, wie die letzten Jahre gezeigt haben.
Viele Tierwohlprogramme kommen nicht aus der Nische heraus. Schwer haben es insbesondere Projekte, bei denen die Auflagen die Produktionskosten übermäßig stark in die Höhe treiben und wo der Preis im Handel eine bestimmte Schwelle überschreitet.
„Genau diesen Stillstand wollen wir bei der Initiative Tierwohl (ITW) verhindern. Wir bauen keinen Tierwohl-Ferrari, sondern entwickeln den für alle Seiten kostengünstigeren Tierwohl-Volkswagen kontinuierlich weiter. Unser Ziel ist, weiter in der Breite zu wachsen und sowohl Bauern als auch Verbraucher einen gang- und bezahlbaren Tierwohlweg aufzuzeigen“, erklärte Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der ITW, heute auf der Pressekonferenz anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der ITW in Berlin.
Hinrichs: „Das gemeinsame Agieren der Kette sichert den Erfolg“
Für Hinrichs steht dabei außer Frage, dass die gesamte Wertschöpfungskette weiterhin mitarbeiten muss. Man brauche für den Erfolg alle Wirtschaftspartner. Nur dann bleibt ITW-Ware auch in Zukunft nahezu überall in Deutschland verfügbar. „Wer kann das außer uns noch bieten?“, so der ITW-Chef.
Für Robert Römer, ebenfalls Geschäftsführer der ITW, gründet der Erfolg aber auch auf der ganzheitlichen Strategie, die die Initiative weiter fest im Blick hat. „Neben der klaren Produktkennzeichnung und einem etablierten Finanzierungs- und Vermarktungssystem legen wir großen Wert auf Vertrauensbildung durch flächendeckende Prüfungen“, hob Römer hervor.
Nach Aussage des ITW-Chefs legt der Verbraucher auch in Zukunft großen Wert auf sichere und unabhängig kontrollierte Lebensmittel. „Mit dem flächendeckenden Kontrollsystem bietet das ITW-Konzept eine hohe Produktsicherheit für Verbraucher und sichert dadurch auch die Glaubwürdigkeit der Branche“, erklärte Römer. Die Kontrollen umfassen Tierwohlkriterien wie zum Beispiel zusätzliches Platzangebot, Stallklima- und Tränkewasserchecks sowie QS-geprüftes Tierfutter.
Durchschnittlich werden teilnehmende Betriebe zweimal jährlich überprüft, mindestens eine Kontrolle erfolgt unangekündigt. Von über 156.000 Kontrollen in zehn Jahren wurden nur 0,78 % nicht bestanden. „Die Zahlen belegen, dass unser Kontrollsystem Früchte trägt“, zeigt sich Robert Römer zufrieden.
„ITW agiert weiter unabhängig von der Politik und ideologiefrei“
Sowohl Hinrichs als auch Römer sehen eine weitere Stärke der ITW darin, dass sie als branchenübergreifendes Bündnis der deutschen Lebensmittelkette unabhängig von politischen oder ideologischen Einflüssen agiert. „Das schafft Glaubwürdigkeit bei den Landwirten und wird auch in Zukunft unsere Richtschur sein“, so Dr. Alexander Hinrichs.
Er verwies darauf, dass inzwischen rund 14.000 Bäuerinnen und Bauern ihren Puten, Hühnern, Enten, Schweinen und Rindern mehr Tierwohl anbieten. Damit decken sie bei Rindern 20 %, bei Schweinen gut 60 % und bei Geflügel etwa 90 % des Marktes ab.
Sind 7,50 € Preisempfehlung im Marktmodell zu halten?
Aus bäuerlicher Sicht spannend wird in den kommenden Monaten sein, wie sich der ITW-Bonus entwickelt. Weil das Kartellamt der ITW untersagt hat, weiterhin einen festen Bonus zu zahlen, hat sie sich zu einem Marktmodell entschlossen. Dieses beinhaltet nur noch eine Preisempfehlung. Heißt: der ITW-Bonus wird künftig zwischen Landwirt und Abnehmer ausgehandelt.
Mäster, die ausschließlich ITW-Ferkel mit deutscher Geburt beziehen, sollen ab April dieses Jahres 7,50 € erhalten. Wer EU-ITW-Ferkel (also keine deutsche Geburt) mästet, soll 6,50 € bekommen. Die Regelung gilt bis Ende 2025. Ab Januar 2026 sinkt die Preisempfehlung für Mastschweine mit nicht deutscher Ferkelherkunft auf 6 € pro Tier.
Angesichts der Tatsache, dass momentan zu viele ITW-Schweine (HF2) am Markt vorhanden sind, ist unsicher, ob sich die Marktbeteiligten an die Preisempfehlung halten. Viele Bauern befürchten, dass die rote Seite Druck macht und die Aufschläge nach unten korrigiert. Die Situation könnte sich aber auch positiv entwickeln. Denn die Zahl der Mäster, die der ITW den Rücken zugekehrt haben und wieder QS-Schweine produzieren, liegt bei rund 600 Betrieben. Die Zahl der ITW-Mastschweine wird also sinken.
Römer: „Wir feilen konstant an der Weiterentwicklung der ITW“
Was bringt die Zukunft? Ein Ziel sei, bei Rind in wenigen Jahren ähnliche Marktanteile zu erreichen wie jetzt beim Schwein. Welche Kriterien Bauern künftig umsetzen müssen, ließ Römer offen. „Das müssen die Gesellschafter bei Bedarf diskutieren und beschließen“, so der ITW-Geschäftsführer.
In jedem Fall werde man versuchen, die Finanzierung noch breiter aufzustellen. Neben weiteren Einzelhändlern will man auch im Außer-Haus-Verzehr neue Partner gewinnen. Der Einstieg von Mc Donalds im letzten Jahr soll nur der Anfang gewesen sein.
Die Initiative Tierwohl in Zahlen
Tierzahlen
865 Mio. Hähnchen und Puten
26 Mio. Mastschweine
15 Mio. Ferkel
350.000 Rinder
Zahl der Betriebe
9.948 Schweinehalter
2.812 Geflügelhalter
1.236 Rinderhalter
Anteil an ITW-Ware (HF2) bei Frischfleisch und Fleischzubereitungen im SB-Regal
Schwein: 90 %
Hähnchen: 90 %
Pute: 91 %
Rind: 75 %
Anteil an ITW-Ware (HF2) bei Frischfleisch und Fleischzubereitungen in der Bedientheke
Schwein: 75 %
Hähnchen: 70 %
Pute: 60 %
Rind: 54 %