US-Farmer erhalten Geld vom Staat, wenn sie ihre Emissionen senken. Solche Anreize sind besser als Strafen und höhere Steuern, sagt Prof. Frank Mitlöhner, University of California, USA.
Herr Prof. Mitlöhner, der Nutztierhaltung wird vorgeworfen nicht nachhaltig zu sein. Sollten wir also aufhören Tiere zu halten? Würde dies einen großen Effekt ausmachen?
Prof. Mitlöhner: In Deutschland trägt die Landwirtschaft zu ca. 10 % der nationalen Treibhausgasemissionen bei, die Tierproduktion zu rund 5 %. In den USA sind es 4 %. Hauptverursacher der Emissionen bleiben ganz klar die fossilen Brennstoffe Öl, Kohle und Erdgas, die für Transport, Industrie und Energiewirtschaft verbrannt werden und CO2 freisetzen.
In den USA hat man erforscht, was der totale Verzicht von tierischen Produkten für Auswirkungen auf das Klima hätte. Wenn 330 Mio. Amerikaner vegan leben würden, würde das nicht dazu führen, dass 4 % weniger Treibhausgase ausgestoßen werden, sondern nur 2,6 %. Denn tierische Produkte müssen durch pflanzliche ersetzt werden. Und bei deren Produktion entstehen auch Treibhausgase. Es macht also keinen Sinn, keine Tiere mehr zu halten.
Konstante Methanquelle führt zu konstanter Erwärmung, nicht zu zusätzlicher
Sie sagen, der Verzehr von Fleisch und Milchprodukten sei kein wesentlicher Auslöser des Problems, sondern könnte sogar ein Teil der Lösung sein. Wie meinen Sie das?
Prof. Mitlöhner: Das Haupttreibhausgas aus der Tierhaltung ist Methan, CH4. Es entsteht bei der Lagerung von Gülle und Mist sowie bei der Verdauung in den Mägen der Kuh und wird beim Wiederkäuen ausgerülpst. Methan ist ein sehr starkes Treibhausgas, 28mal mehr klimaerwärmend als CO2.
Ein Molekül Methan entspricht 28 Molekülen CO2. Aber während CO2 in der Atmosphäre eine Lebensdauer von ca. 1.000 Jahren hat, bis es abgebaut wird, hat Methan eine vergleichsweise kurze Lebensdauer von 10 bis 12 Jahren.
CO2 akkumuliert sich also, Methan wird nach 10 Jahren durch Oxidation zu CO2 und Wasser abgebaut. Das ist eine wichtige Eigenschaft, denn wenn wir eine konstante Methanquelle haben, zum Beispiel einen Milchviehbetrieb mit konstant 100 Kühen über einige Jahrzehnte, stellt dies keine zusätzliche Erderwärmung dar, weil das Methan konstant in gleichem Maß ausgestoßen wie auch abgebaut wurde.
Eine konstante Methanquelle führt zu konstanter Erwärmung, aber nicht zu zusätzlicher Erwärmung. Ein verringerter Methanausstoß auf diesem Betrieb würde demnach auch zu einer Verringerung der Erwärmung führen. Um sich das besser vorstellen zu können, nehme ich gerne einen Badewannenvergleich zu Hilfe. Die Art, wie CO2 die Erde erwärmt, muss man sich wie eine Badewanne vorstellen, die einen aufgedrehten Hahn hat, aber keinen Abfluss. Der Wasserpegel wird nur steigen, weil kein Abfluss existiert. So ist das mit dem CO2, welches beim Verbrennen fossiler Brennstoffe entsteht.
Im starken Kontrast dazu erwärmt das Methan die Erde unterschiedlich. Die Oxidierung veringert das Methan im starken Maße. Wenn wir wieder das Badewannenbeispiel zur Erklärung nehmen wollen, so wäre dies eine Wanne mit offenem Hahn, aber auch geöffnetem Abfluss. Wenn hier Wasser eingelassen wird, kann es im gleichen Maße abfließen, der Pegel bleibt konstant. Wenn wir den Hahn drosseln, der Abfluss aber offen bleibt, dann geht der Wasserpegel runter. Und so ist das mit dem Methan. Wenn wir es verringern, dann verringern wir auch die Erwärmung. So könnte die Tierhaltung Teil einer Lösung sein.
Wenn wir Tierbestände abbauen, bauen sie andere bei sich auf
Viele NGOs sehen die Nutztierhaltung trotzdem kritisch und fordern den Abbau der Bestände. Können wir uns das bei einer immer weiter steigenden Weltbevölkerung leisten?
Prof. Mitlöhner: Nein, das macht aus zweierlei Gründen keinen Sinn.
Erstens: Pflanzen müssen mit Stickstoff gedüngt werden. Sobald diese stickstoffhaltigen Verbindungen in der Natur abgebaut werden, entsteht Lachgas (N2O). Dieses ist 265-mal schädlicher für das Klima als CO2. Würden wir alle Veganer werden, würden wir die Treibhausgasmenge weitaus weniger reduzieren als oft behauptet wird.
Zweitens: Es bringt auch nichts, die Emissionen von einer Region in die nächste zu verschieben. Denn wenn wir die Tierbestände in Deutschland oder den USA abbauen, werden sie an anderer Stelle auf der Welt wieder aufgebaut. Dann steigt dort der Ausstoß an Treibhausgasen, denn der Bedarf nach tierischen Produkten ist ja da und er wächst.
Am Ende liegt die Lösung nicht im Abbau der Nutztierbestände, sondern darin, dass wir Landwirten gute Ideen liefern. Wir müssen den Bauern Lösungen an die Hand geben, wie sie die Emissionen entweder von vornherein verhindern können, oder wie sie sie sinnvoll nutzen können. Biogas ist in diesem Zusammenhang ein gutes Beispiel.
Methan von Tieren kein Problem, wohl aber das aus fossilen Energien
Sie sprechen von zwei verschiedenen Arten von Methan. Was hat es damit auf sich?
Prof. Mitlöhner: Dies bezieht sich auf die unterschiedliche Entstehung von Methan. Dem zugrunde liegt der biogene Kohlenstoffkreislauf. CO2 wird durch Pflanzen während der Photosynthese aufgenommen, unsere Tiere fressen die Pflanzen, im Wiederkäuervormagen bilden sich Wasserstoff und CO2 und das wird zu Methan verarbeitet und ausgerülpst. Solange dieses Methan in der Atmosphäre ist, also ca. 10 Jahre, trägt dieses Methan zur Erderwärmung bei, aber danach wird dieses Methan zerstört in CO2 und Wasser.
Bei biogenem Methan, wie es Wiederkäuer bei der Verdauung ausstoßen, bedeutet dies, dass kein zusätzliches CO2 der Atmosphäre und damit kein zusätzlicher Temperatureffekt hinzugefügt wird, da das CO2 zuvor von den Futterpflanzen aufgenommen wurde.
Anders ist es mit dem Kohlenstoff und Methan, die entstehen, wenn wir fossile Brennstoffe verheizen, also Erdöl, Kohle und Erdgas. Das ist die gesamte akkumulierte Biomasse, die es über zig Millionen Jahre auf der Welt gegeben hat. Wenn wir das verheizen, ist das kein kurzer Kohlenstoffkreislauf, sondern eine Einbahnstraße vom Boden hoch in die Atmosphäre. Jede Fahrt, jede Verbrennung von fossilen Energieträgern trägt zur zusätzlichen Erderwärmung bei. Deshalb kann man biogenes Methan von Kühen nicht mit dem fossilen Methan vergleichen, obwohl beide chemisch identisch sind.
Kalifornische Biogasanlagen tragen zur Hälfte der Methanreduktion bei
Wie muss man sich das Einsparpotenzial in der Nutztierhaltung praktisch vorstellen – wie kann das funktionieren?
Prof. Mitlöhner: Wir haben mehrere Einsparmöglichkeiten für Methan. Wir können es durch Biogasanlagen, die wir mit Gülle betreiben, einfangen und vermehrt produzieren, um es in Strom oder Treibstoff umzuwandeln. Dadurch verringert man nicht nur die Emissionen auf dem Betrieb sondern erhält sogar klimafreundliche Energie, die jene aus fossilen Energiequellen ersetzt. Damit ist eine Biogasanlage gleich zweimal gut für das Klima. Hier in Kalifornien tragen Biogasanlagen zur Hälfte der Methanreduktion bei.
Weiterhin sparen wir Methan ein durch Steigerung der Effizienz. Kühe sind über die Zeit deutlich effizienter geworden, das führt dazu, dass wir weniger Kühe brauchen als vor 20 Jahren. Damit verringern sich die Methanemissionen in Bezug auf das Produkt, also zum Beispiel auf einen Liter Milch. In den USA und in Europa sind die Kuhbestände rückläufig. Viele Betriebe nehmen zwar an Größe zu und auch der Tierbestand pro Bauernhof steigt, aber nicht der Gesamtbestand, weil zeitgleich kleinere Betriebe aufhören.
Wichtig ist auch die genetische Komponente. Kühe geben die Veranlagung dazu Methan zu produzieren genetisch weiter, die Methanproduktion ist vererbbar. Eine Kuh, die viel Methan produziert wird auch ein Kalb bekommen, das viel Methan produziert. In Kanada wurde vor einigen Jahren ein Test entwickelt um festzustellen, ob die Kühe Hoch- oder Niedrigproduzenten von Methan sind. Für die Zucht werden dann nur die Niedrigproduzenten genommen. Nach 5 Jahren ist der Bestand umgebaut. Diese Maßnahme reduziert den Methanausstoß des Betriebs um ca. 30 %.
Auch die Fütterung hat Einfluss auf die Methanausbildung. Fette können Methan verringern, eine Nitratzugabe auch. Futterzusätze und ätherische Öle können helfen, indem sie einen Einfluss auf die mikrobielle Zusammensetzung des Magens haben. 5 bis 10 % Methanverringerung sind damit möglich.
Wesentlich stärker wirken Methaninhibitoren. Ein Produkt wurde in jüngster Zeit in den USA zugelassen. Es heißt Bovaer von der Firma DSM. Im Wiederkäuervormagen gibt es 12 enzymatische Schritte die begangen werden müssen, um Methan zu produzieren. Die Methaninhibitoren hemmen den letzten Enzymschritt, der für die Methanproduktion verantwortlich ist. Je nach Einsatzmenge kann sich Methan damit um bis zu 80 bis 90 % reduzieren. Das wollen wir aber nicht, weil der Methanausstoß wichtig für die Tiergesundheit ist. Der Wasserstoff aus dem Wiederkäuermagen muss weiterhin abgegeben werden und das geht über das Methan. 30 bis 40 % weniger Methan sind aber durchaus möglich.
Mehr Effizienz bedeutet mehr Leistung, doch Leistung kann negativ für das Tierwohl sein. Wie bekommen wir beides unter einen Hut?
Prof. Mitlöhner: Für mich ist das kein Widerspruch. Der Durchschnittsbetrieb in Kalifornien hat 1.500 laktierende Kühe, viele haben bis zu 5.000 Kühe, weniger als 500 Kühe gelten hier als Hobbyfarm. Wir haben hier gut geführte Kälberbetriebe mit 100.000 Tieren und einer Mortalitätsrate von maximal 2 %. Hochleistungskühe erfordern mehr Management und von allem das Beste, denn die Leistung hängt von guter Tiergesundheit und Wohlbefinden ab. Auch sehr große Betriebe können super geführt sein, Qualität ist nicht so sehr eine Frage der Betriebsgröße sondern des Managements. Gute Betriebe lassen sich beraten und nutzen Expertenwissen, das kommt den Tieren zugute.
Problemfeld NH3
Ammoniak wird ebenfalls als Klimaproblem angesehen. NH3 spielt u.a. in der Schweinehaltung eine Rolle. Welche Möglichkeiten zur Reduktion sehen Sie hier?
Prof. Mitlöhner: Zunächst einmal muss man festhalten, dass Ammoniak nicht zur Erderwärmung beiträgt, sondern mit anderen Bestandteilen in der Atmosphäre reagiert und sich anschließend in Ökosystemen ablagert. Ammoniak ist zudem eine wesentliche Vorläufersubstanz für die Bildung von Feinstaub, der gefährlich für die Gesundheit ist.
Ammoniak entsteht in der Tierhaltung, weil wir Proteine verfüttern und die Tiere nur einen Teil davon nutzen. Ein großer Teil des aufgenommenen Stickstoffs wird über Harnstoff ausgeschieden. Der Stickstoff im Harnstoff kann sich in verschiedene Verbindungen wie z. B. Nitrite, Nitrate, Ammoniak, Lachgas oder atmosphärischen Stickstoff umwandeln.
Wir können beeinflussen, welchen Weg der Stickstoff geht. Gülle sollten wir nur ausbringen, wenn die Pflanzen in der Wachstumsphase sind, also Stickstoff aufnehmen. Ansonsten geht der Stickstoff ins Grundwasser oder entweicht in die Luft als Ammoniak oder Lachgas. Wir müssen Stickstoff managen, sodass er nicht zum Problem für die Umwelt wird, sondern ein wertvoller Dünger.
Kalifornien hat aggressivste Methanverordnung der Welt
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie lange dauert Ihrer Meinung nach der Umbau der Tierhaltung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise und welche Schritte sind dafür kurzfristig nötig?
Prof. Mitlöhner: Hier in Kalifornien gibt es die aggressivste Methanverordnung der Welt: Bis 2030 müssen unsere Bauern 40 % Methan verringern. Doch der Gesetzgeber entschied, die Verringerung nicht über Strafen und Steuern zu erreichen, sondern über finanzielle Unterstützung, wenn sie Emissionen verringern. Wir haben hier einen Kohlenstoffmarkt, carbon market, wo diejenigen, die nichts verringern können eine Gebühr zahlen und diejenigen, die Emissionen verringern aus diesem Topf Geld bekommen.
Eine gute Maßnahme ist hier der Bau von Biogasanlagen. Hunderte Bauern haben Biogasanlagen aufgebaut, in den nächsten 5 Jahren wird die Hälfte der Kühe in Kalifornien nicht nur Milch produzieren, sondern auch Biogas für das Transportwesen. Das hat zur Hälfte der Methanverringerung beigetragen.
Weiterhin gehen pro Jahr 0,5 % des Milchviehbestandes zurück durch Effizienzsteigerung und Zuchtfortschritt. 7 Mio. t Methan müssen hier verringert werden und unsere Bauern haben jetzt schon in 5 Jahren 4,4 Mio. erreicht.
Bis 2030 wird das 40 % Ziel erreicht sein und das hier in Kalifornien, wo immerhin 20 % der US-Milch produziert wird. In 10 Jahren sind also bis zu 40 % weniger Methan möglich, auch in Deutschland, sofern die richtigen Ansätze gewählt werden. Eine so starke Methanverringerung bedeutet, dass Klimaneutralität erreicht ist und der Sektor keine zusätzliche Erwärmung verursacht.
Wenn die Gesellschaft sich das Ziel setzt, den Einfluss auf das Klima zu verringern und die Landwirte einen Teil der Verantwortung haben und niemand auf das Essen verzichten möchte, müssen sich alle an der Umsetzung des Ziels beteiligen.