Union, SPD und Grüne haben am 31. Januar die Energierechtsnovelle zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen verabschiedet. Mehrere Verbände und Wissenschaftseinrichtungen haben das Gesetz inzwischen analysiert.
Der Bundesverband Solarwirtschaft informiert zunächst, was sich in Zukunft für Betreiber von Solarstromanlagen ändern wird.
Keine EEG-Vergütung bei negativen Börsenstrompreise
Betreiber neuer Photovoltaikanlagen erhalten zukünftig keine EEG-Vergütung mehr für den Strom, den sie zu Zeiten negativer Börsenstrompreise ins öffentliche Stromnetz einspeisen. In diesen Zeiten besteht ein Stromüberangebot. Damit dies die Rentabilität von neuen Solarstromanlagen nicht nennenswert beeinträchtigt, greift ein Kompensationsmechanismus: Die geförderte Solarstromeinspeisung, die zu Zeiten negativer Strompreise nicht vergütet wurde, kann durch eine Verlängerung des rund 20jährigen Vergütungszeitraums nachgeholt werden.
Betreiber von bereits bestehenden Solarstromanlagen können auf freiwilliger Basis zu der Neuregelung optieren. Als Anreiz für einen freiwilligen Wechsel erhalten Betreiber von Bestandsanlagen eine Vergütungserhöhung von 0,6 ct/kWh. Für Bestandsanlagen gelten im Wesentlichen die Anforderungen zum jeweiligen Zeitpunkt der Inbetriebnahme.
Installation von intelligenten Messsystemen (iMSys)
Um Stromspitzen auch zukünftig gut handhaben zu können, soll der Rollout von intelligenten Messsystemen (iMSys) und Steuerungstechnik deutlich beschleunigt werden. Gesteuert werden müssen PV-Anlagen ab einer Leistung von 7 kWp. Ausgenommen von der Steuerungspflicht sind sogenannte „Nulleinspeise-Anlagen”, die keinen Strom ins Netz einspeisen sowie Steckersolargeräte („Balkonanlagen“), für die keine Ausstattungspflicht besteht.
Die maximal zulässigen, jährlich zu zahlenden Entgelte für intelligente Messsysteme und Steuerungstechnik werden angehoben. Allerdings können Anlagenbetreiber damit auch an verschiedenen Abrechnungs- und Tarifprodukten der neuen Energiewelt teilnehmen, wie beispielsweise dynamischen Stromtarifen. Die maximal zulässigen Entgelte steigen für Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 2 kW bis 15 kW um 30 €/Jahr. Die Mehrzahl der Photovoltaiksysteme auf Einfamilienhäusern liegt in dieser Leistungsklasse. Für Anlagen von 15 kW bis 25 kW steigen die Kosten um 40 €, und für Anlagen von 25 kW bis 100 kW um 20 €/Jahr an. Hinzu kommen Kosten für den Einbau und Betrieb einer Steuerungseinrichtung am Netzanschlusspunkt in Höhe von jährlich 50 €.
Reduzierung der maximalen Einspeiseleistung
Die Einspeiseleistung – nicht gleichzusetzen mit der Einspeisemenge – von neuen Photovoltaikanlagen wird auf 60 % beschränkt, solange diese nicht mit einem intelligenten Messystem ausgestattet sind. Solare Erzeugungsspitzen werden so nicht ins Stromnetz eingespeist, sondern entweder direkt vor Ort verbraucht, mit Hilfe von Speichern zeitversetzt vor Ort verbraucht oder zeitversetzt ins Netz eingespeist, wenn weniger Sonne scheint.
Die Reduzierung der Einspeiseleistung auf 60 % gilt für alle Photovoltaiksysteme mit einer Leistung unter 100 Kilowatt (mit Ausnahme kleiner Steckersolargeräte), die nicht in der Direktvermarktung sind.
Flexiblere Fahrweise von Speichern
Mehr als 80 % der neuen Photovoltaikanlagen auf Eigenheimen werden in Kombination mit einem Batteriespeicher installiert. Diese Speicher können künftig auch zum Zwischenspeichern von Netzstrom genutzt und damit netz- und systemdienlicher betrieben werden. Möglich machen das die Pauschaloption für Heimspeicher und die Abgrenzungsoption für größere Speicher.
Beide Optionen dienen dazu, förderfähige Solarstrommengen im Speicher von nicht förderfähigem Graustrom aus dem Netz abzugrenzen. Das ermöglicht eine flexible Nutzung der Speicher nicht nur für den Eigenverbrauch, sondern auch für den Stromhandel und Systemdienstleistungen. Voraussetzung für die praktische Anwendung ist eine noch zu formulierende Festlegung der Bundesnetzagentur und die Anlagen müssen in der Direktvermarktung betrieben werden.
„Bundesregierung hat Entwicklung verschlafen“
Photovoltaik und Windenergie decken inzwischen mehr als die Hälfte des heimischen Strombedarfs. Doch statt innovative und marktwirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen voranzutreiben, setzt die Politik auf komplizierte Vorschriften und neue Hürden, kritisiert der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV). Jahrzehntelanges Zögern hat zu einem Speicher-Desaster geführt, das nun mit fragwürdigen Eingriffen ausgebügelt werden soll. „Verursacht wurde dieses Speicher-Desaster von der schwarz-roten Bundesregierung. 2014 setzte man auf die damalige Studie der Agora Energiewende, in der dargelegt wurde, dass Stromspeicher erst bei einem Stromanteil von 60 Prozent Erneuerbaren Energien gebraucht würden“, erklärt Susanne Jung, Geschäftsführerin des SFV. So wurde der Ausbau netzdienlicher Speicher verschlafen, was nun in Zeiten hoher Solar- oder Windeinspeisung zu kurzzeitigen Stromüberschüssen führt.
Bewertung: Keine Vergütung bei negativen Strompreisen
Der finanzielle Nachteil für Betreiber von Solaranlagen hält laut BSW wegen der Kompensationsmöglichkeit nach 20 Jahren in Grenzen. Durch eine intelligente Nutzung und Zwischenspeicherung des selbst erzeugten Solarstroms zu Zeiten negativer Strompreise könnten sie sogar einen wirtschaftlichen Vorteil generieren. Sie trügen so dazu bei, Stromspitzen und negative Strompreise zu vermeiden und die Energiewende-Kosten zu senken.
Das sieht der SFV anders. Zwar bietet der Gesetzgeber einen Ausgleich nach 20 Jahren an, doch dieses Modell überzeugt nur wenige. Außerdem müssen Betreiber neu installierter Solaranlagen bis 100 kW, die eine Einspeisevergütung oder einen Mieterstromzuschlag erhalten, die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 60 Prozent der Anlagen begrenzen – zumindest so lange, bis der Rollout von intelligenten Messsystemen auch bei ihnen angekommen ist. Für Betreiber ohne Speicher bedeutet die 60%-Kappung erhebliche wirtschaftliche Einbußen, die in der Branche auf mehr als 20 Prozent geschätzt werden. „Damit wird der Ausbau der Photovoltaik zwar regulatorisch gesteuert, aber auf Kosten des Ausbaus der Bürgerenergie in Ein- und Mehrfamilienhäusern“, sagt SFV-Geschäftsführerin Jung.
Reduzierung der Leistung: Durchwachsenes Fazit
Die Kappung der Leistung um 60 % für Anlagen ohne intelligentes Messsystem sieht der BSW nicht als Problem an: „Da inzwischen nahezu alle neu installierten Solaranlagen mit einem intelligent betriebenen Speicher betrieben werden, dürften Betreiber dadurch in der Regel keine nennenswerten Nachteile entstehen.“
Nur in den seltenen Fällen, bei denen neue Solarstromanlagen über keinen Speicher verfügen und den gesamten Strom ins öffentliche Netz einspeisen müssen, führe die beschlossene Kappung der Einspeiseleistung auf 60 % zu Abregelungs- und damit Rentabilitätsverlusten im unteren einstelligen Prozentbereich: In Lagen bester Sonneneinstrahlung belaufen sie sich in diesem Fall schlimmstenfalls auf ein Prozent bei Ost-West-Ausrichtung und auf maximal neun Prozent bei Südausrichtung einer Solaranlage. An weniger sonnenreichen Standorten fallen die Verluste geringer aus. Mit dem Einsatz von Batteriespeichern und einem zeitlich gesteuerten Eigenverbrauch lassen sich diese durch eine Abregelung erzeugten Verluste jedoch weitgehend vermeiden. Das ergab eine Simulation der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
„Nicht alle möchten zusätzlich noch einen Speicher anschaffen”, reagiert dagegen Taalke Wolf, PV-Expertin beim SFV. „Auch die enorme Kostensteigerung der Zähler macht Investitionen leider unattraktiver - vor allem im Mehrfamilienhaus.“ Hintergrund ist die deutliche Anhebung der Preisobergrenzen für Smart Meter Gateways und die Festlegung, dass bei Mieterstrom für alle Zähler im Haus die gleichen, erhöhten Messkosten anfallen. „Solange sich hier nichts ändert, bleibt die flächendeckende Energiewende für Millionen Menschen in Deutschland auf der Strecke“, warnt Wolf. Besonders betroffen sei die im letzten Jahr im Solarpaket 1 beschlossene vereinfachte Abrechnung über die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung, die durch die neuen Regelungen nun deutlich teurer wird.
Verluste durch Änderungen der EEG-Vergütung
Das Stromspitzen-Gesetz verändert die EEG-Vergütungen für Solaranlagenbetreiber. Eine Analyse des Stromanbieters 1Komma5° zeigt: Die Auswirkungen sind größer, als viele denken. Wer eine klassische PV-Anlage hat, muss mit Verlusten von durchschnittlich rund 21 Prozent rechnen. Für die Berechnungen hat 1Komma5° reale Verbrauchs- und Einspeisedaten ausgewertet. Dafür hat das Unternehmen Stromkosten von jeweils 180 Haushalten 15-minutengenau analysiert, die bereits eine Eigenverbrauchsoptimierung mit dem firmeneigenen Energiemanagementsystem nutzen, aber bisher noch nicht einen dynamischen Stromtarif haben. Somit könnten diese Haushalte ihren Stromverbrauch gezielt an die schwankenden Börsenstrompreise anpassen, machen es aber noch nicht. Genau das wird in Zukunft aber entscheidend sein. Die gesamte Berechnung finden Sie hier.
Erster Test von prognosebasiertem Energiemanagement
Das kürzlich vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen zielt darauf ab, die Erzeugungsspitzen von Photovoltaikdachanlagen zur Mittagszeit zu reduzieren. Hierzu müssen neu errichtete Anlagen ihre Einspeiseleistung in das Stromnetz in den Mittagsstunden pauschal limitieren, sofern sich diese nicht durch den Netzbetreiber drosseln lassen.
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) zeigen anhand eines neu entwickelten Testverfahrens die Vorteile von prognosebasierten Ladestrategien auf. Fenecon, Kostal, Sonnen, RCT Power sowie zwei anonym teilnehmende Unternehmen stellten sich dem Energiemanagement-Test. Das Fazit der Messkampagne: An den meisten sonnigen Tagen können die getesteten Geräte die Batterieladung effektiv in die Mittags- und Nachmittagsstunden verschieben. Dies ist sowohl mit Blick auf das neue „Solarspitzen-Gesetz“ als auch für eine möglichst lange Batterielebensdauer entscheidend.
„Ohne ein intelligentes Energiemanagement gehen durch die neue Einspeisegrenze bis zu 8 Prozent des jährlichen Solarstromertrags verloren. Mit einem Batteriespeicher und einem prognosebasierten Energiemanagement lassen sich die Abregelungsverluste auf unter 2 Prozent reduzieren“, betont Dr.-Ing. Johannes Weniger, Initiator der Stromspeicher-Inspektion. Das Energiemanagement optimiert auf Basis von Prognosen der Solarstromerzeugung und des Stromverbrauchs die Batterieladung im Tagesverlauf. Das Ziel der Ladestrategie: Den Batteriespeicher dann zu laden, wenn mehr Solarstrom produziert wird, als eingespeist werden darf. Die gesamten Ergebnisse der Stromspeicherinspektion 2025 finden Sie hier.
Faktenpapier zur Gesetzesnovelle
Das Science Media Center Germany hat ein 14-seitiges Faktenpapier veröffentlicht. Es erklärt, warum durch überschüssige Solarenergie Probleme entstehen können, wie Vergütung und Steuerbarkeit aktuell geregelt sind und welche Änderungen sich durch das geplante Gesetz ergeben könnten. Das Papier können Sie hier kostenlos herunterladen.