„Wir wollen eine transparente, planbare und pragmatische Energiewende mit einem Neustart zum Erfolg führen“, heißt es in dem Arbeitspapier der Koalitionsarbeitsgruppe 15 „Energie und Klima“. Das Papier, das der top agrar-Redaktion vorliegt, ist ein erster Aufschlag zu den Koalitionsverhandlungen der künftigen Bundesregierung.
Weitere Details:
Bei der Energiewende will die künftige Bundesregierung Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern machen, u. a. durch Entbürokratisierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing.
Dabei will sie alle Potenziale der erneuerbaren Energien nutzen. Dazu gehören Sonnen- und Windenergie, Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft sowie aus diesen hergestellte Moleküle.
Mit einer Absenkung der Stromsteuer und einer Reduktion von Umlagen und Netzentgelten soll der Strompreis für Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens 5 ct/kWh gesenkt werden.
Hemmnisse bei der Flexibilisierung des Stromsystems sollen abgebaut werden, um die flexible Nutzung von erneuerbaren Energien sektorübergreifend zu verbessern. Dazu gehört u.a. das bidirektionale Laden von E-Autos.
Bei der Solarenergie sollen Anlagenbetreiber zu einer netz- und systemdienliche Einspeisung angeregt werden.
Bioenergie soll bei Wärme, Verkehr und steuerbarer Stromerzeugung eine wichtige Rolle spielen.
Die künftige Bundesregierung will auch bestehende Potenziale bei der kleinen und großen Wasserkraft und bei Pumpspeicherkraftwerken heben.
Bis 2020 sollen neue Gaskraftwerke mit 20 GW Leistung gebaut werden.
Bei der Wärmeversorgung soll das Gebäude-Energie-Gesetz („Heizungsgesetz“) abgeschafft bzw. technologieoffener gestaltet werden.
Neu ist auch, dass die Gasnetze erhalten bleiben sollen. Die alte Regierung wollte viele Leitungen stilllegen.
BEE lobt Flexibilisierungspläne
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat eine erste Bewertung und Kommentierung der Ergebnisse vorgenommen. „Die nun an die Öffentlichkeit gelangten Ergebnisse der AG Klima und Energie weisen an vielen Stellen in die richtige Richtung, die Absicherung der Investitionen in Erneuerbare Energien muss aber durchgängig über alle Sektoren und Leistungsklassen hinweg gewährleistet und die Defossilierung konsequent und entlang der weiter geltenden Klimaziele vorangetrieben werden“, fordert BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter.
Die Berücksichtigung aller Erneuerbaren Technologien - von Wind- und Solarenergie über Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie sowie von Speichern und KWK - sei ein wichtiger Fortschritt für die kosteneffiziente Anpassung des Energiesystems an die systemsetzenden Erneuerbaren.
Deshalb begrüßt der BEE auch ausdrücklich den Willen, Hemmnisse für die Flexibilisierung des Stromnetzes abzubauen und den Ausbau von Speicherkapazitäten voranzutreiben. Die Senkung der Strompreise, die Überbauung von Netzverknüpfungspunkten und die zügige Umsetzung der EU-Vorgaben für Planungsbeschleunigung seien zentrale Forderungen des BEE, die den Ausbau der Erneuerbaren und die Sektorenkopplung voranbringen.
Kritik an geplantem „Neustart“
Kritik übt der BEE an der Forderung nach einem „Neustart der Energiewende“, die in den vergangenen Jahren über mehrere Sparten wieder deutlich an Schwung gewonnen hat. Es brauche daher weniger einen Neustart als vielmehr Verlässlichkeit und Planbarkeit für weitere Milliardeninvestitionen in den Standort und eine heimische, sichere und bezahlbare Energieversorgung.
Vor diesem Hintergrund sei auch die Forderung nach einer „Abschaffung des Heizungsgesetzes“ äußerst kritisch zu sehen. „Gerade angesichts der Tatsache, dass der Gebäudesektor noch immer seine Klimaziele deutlich verfehlt und die mittelständische Industrie massiv in die Herstellung erneuerbarer Wärmetechnologien investiert hat, sind weitere Volten bei den Rahmenbedingungen für klimafreundliches Heizen der Sache nicht dienlich“, sagt Peter.
Forderungen bei Kohleausstieg und Gaskraftwerken
Mit Blick auf die Einhaltung der nationalen und europäischen Klimaziele müsse auch am Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 festgehalten und der Bau von bis zu 20 Gigawatt an Gaskraftwerken bis 2030 zudem nach den Aspekten der System- und Netzdienlichkeit, Kosteneffizienz, Resilienz und EU-Beihilfegenehmigung überprüft werden. Das Bekenntnis zu Ausbau und Erweiterung der Wasserstoffnetze sei wichtig, Wasserstoff müsse aber von Beginn an grün sein, um Standort- und Systemvorteile im erneuerbaren Energiesystem voll zu nutzen. CCS sei ausschließlich für nicht weiter defossilierbare Industrieprozesse anzuwenden.
Die Prüfung des von Betreibern mehrfach ausgeschlossenen Weiterbetriebs der im Rückbau befindlichen Atomkraftwerke hält der BEE ebenfalls nicht für zielführend. „Atomenergie als starre Grundlasttechnologie mit hohen Risiken steht im direkten Gegensatz zu den im Papier benannten Flexibilisierungszielen“, sagt Peter. Auch der Einsatz alter (Kohle-) Reservekraftwerken zur Gestaltung der Strompreise sei nicht sinnvoll.
Bei den weiteren Verhandlungen käme es darauf an, einen stringenten Plan für einen kosteneffizienten weiteren Ausbau des Energiesystems entlang der Ausbau- und Klimaziele und nach den Erfordernissen der systemsetzenden Erneuerbaren zu skizzieren.
BWE fordert Klarstellungen
Auch der Bundesverband Windenergie (BWE) sieht an einigen Stellen des Papiers noch Interpretationsbedarf. „Zu klären wäre beispielsweise, wie der systemdienliche Ansatz beim Zusammenspiel von Erneuerbaren-Ausbau und systemdienlichem Netz- und Speicherausbau zu verstehen ist. Für uns steht fest, dass alles getan werden muss, die vorhandene Netzinfrastruktur besser auszulasten und Ertüchtigung sowie Neubau von Netzen zu beschleunigen. Dies muss eine klare Priorität bekommen“, fordert BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek.
Unverständlich sei die offenbar noch nicht geklärte Debatte zur Kontinuität beim Flächenziel von zwei Prozent. „Obwohl in allen Bundesländern die Regional- und Landesplanung mit hohem Engagement die erforderlichen Flächen für die Windenergie umsetzt, scheint es innerhalb der Arbeitsgruppe eine nicht abgeschlossene Grundsatzdebatte gegeben zu haben. Es liegt nicht nur im Interesse der Windbranche, sondern vor allem auch in dem der am Planungsprozess beteiligten Verantwortlichen in Kommunen und Behörden, dass das Flächenziel und dessen Umsetzung nicht erneut aufgerissen werden. Hier benötigten wir Planungssicherheit. Am Flächenziel ist festzuhalten”, so Heidebroek.
Insgesamt weist das Papier für den BWE in die Zukunft und eröffne zahlreiche Möglichkeiten für eine erfolgreiche Fortsetzung des Hochlaufs der Windenergie. Dieser auch mit den sehr guten Ausschreibungsergebnissen der ersten Runde unterlegte Prozess dürfe jetzt nicht durch Eingriffe in die Flächenbereitstellung gefährdet werden. „Die Branche braucht Planbarkeit und Sicherheit für die nötigen Investitionen”, erklärt die BWE-Präsidentin.