Geht es nach der Arbeitsgruppe „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“, wird sich die Agrarpolitik der möglichen schwarz-roten Bundesregierung von der grüngeprägten Ampelzeit abheben. Das Papier der Arbeitsgruppe, das top agrar exklusiv vorliegt, trägt in etlichen Punkten die Handschrift der CDU/CSU. Noch ist aber nichts in Stein gemeißelt und ausschlaggebend wird der finale Koalitionsvertrag sein. Wir fassen dennoch die wichtigsten Punkte für Sie zusammen.
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) soll eigenständig bleiben
Union und SPD wollen, dass die GAP inklusive ländlicher Entwicklung ein eigenständiger Politikbereich bleibt. Sie soll finanziell „entsprechend“ ausgestattet sein und darüber hinaus einkommenswirksam, bürokratieärmer, transparenter und effizienter ausgestaltet werden. Einkommensanreize für die Erbringung gesellschaftlicher Leistungen sollen „deutlich“ gesteigert werden, genauso wie die Förderung von Junglandwirten und Neueinsteigern.
Bei einigen Agrarumweltmaßnahmen, die jetzt über die Öko-Regelungen gefördert werden, wird schwarz-rot konkreter: "Wir fördern vielfältig strukturierte Agrar-Kultur-Landschaften durch Blühflächen, Hecken, Feldgehölze und Grünstreifen und deren Vernetzung. Wir schaffen Anreize für naturverträgliche Agroforstsysteme. Wir prüfen ein Kulturlandschaftsprogramm zum Erhalt besonders sensibler Kulturlandschaften und fördern die Weidetierhaltung."
Agrardiesel-Rückvergütung wieder einführen
Die Agrardiesel-Rückvergütung soll vollständig wieder eingeführt werden. Das soll in diesem Jahr 225 Mio. € kosten, in den Folgejahren 450 Mio. €. Zusätzlich soll der Einsatz alternativer Kraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft von der Energiesteuer befreit werden.
Staatliche Verträge für die Nutztierhaltung
Die Verhandler bekennen sich zur Nutztierhaltung und wollen dafür verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit schaffen. Mittel für den tierwohlgerechten Stallbau sollen dauerhaft auf Grundlage staatlicher Verträge bereitgestellt werden.
Geplant sind außerdem:
Mindestens 20 Jahre Bestandsschutz für neu- und umgebaute Tierwohlställe
„Unkomplizierter Tierartenwechsel“ im BauGB
Einführung eines Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallsysteme
Praxistaugliche Umgestaltung der Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für die landwirtschaftliche Tierhaltung
Weiterentwicklung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes, Erweiterung auf weitere Tierarten, den gesamten Lebenszyklus und die Außerhausverpflegung
Der Wolf soll „umgehend“ ins Jagdrecht übernommen werden.
Ökolandbau und konventionell gleichwertig
Konventionelle und ökologische Landwirtschaft wollen die potenziellen Koalitionäre als gleichwertige Bewirtschaftungsformen behandeln. Mit einer Biostrategie soll allerdings der Ausbau des Ökolandbaus deutlich gestärkt werden, etwa durch mehr Mittel für die Forschung und Bildung für den Ökolandbau. Auch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) und Bio-Nachfrageimpulse sollen unterstützt werden – zum Beispiel durch Standards bei Gemeinschaftsverpflegungen. Gleichzeitig will man Hindernisse bei Erhalt und Ausbau des Ökolandbaus reduzieren.
Neues Monitoring im Düngerecht
Geht es nach der Arbeitsgruppe, wird die ungeliebte Stoffstrombilanzverordnung abgeschafft und ein Monitoring im Düngegesetz verankert werden. Wasserschonend wirtschaftende Betriebe in Roten Gebieten sollen von Auflagen befreit werden.
Anreize zur Reduktion im Pflanzenschutz
Die bisher schleppende Zulassungspraxis für neue Wirkstoffe soll verbessert und beschleunigt werden. Versprochen werden dafür transparente, schnelle und wissenschaftsbasierte Verfahren sowie Effizienz durch Verschlankung der behördlichen Zusammenarbeit. Schwarz-Rot will dennoch den Umfang und das Risiko des chemischen Pflanzenschutzeinsatzes reduzieren, etwa durch Anreize für die Präzisionslandwirtschaft und integrierten Pflanzenschutz.
Bürokratieabbau: Agraranträge bundesweit vereinheitlichen
Beim Bürokratieabbau werden die Verhandler konkret. Sie wollen unter anderem die Agraranträge bundesweit vereinheitlichen und die Anwendung digitaler Antragsverfahren vorantreiben. Berichtspflichten sollen überprüft und möglichst verschlankt werden. Vorgesehen ist auch, die 194 Vorschläge der Länder zum Bürokratierückbau neu zu bewerten und Bürokratie-Praxischecks einzuführen. Das soll aber nicht einer Absenkung des Ambitionsniveaus im Umwelt- und Klimaschutzbereich führen.
Das ist außerdem geplant:
Novelle des Agrarstatistikgesetzes, um ohnehin vorliegende Daten zu verwerten, ohne Betriebe zusätzlich zu belasten und damit Doppelmeldungen zu beenden
Neugestaltung von Bagatellschwellen in Planungs- und Genehmigungsverfahren
Abschaffung „unnötiger“ doppelter Meldungen und Aufzeichnungspflichten, wie beispielsweise im Bereich der Tierarzneidatenbank
Entbehrliche Berichte sollen zur Entlastung von Behörden und Wirtschaft abgeschafft oder soweit sinnvoll zusammengefasst und harmonisiert werden.
Prüfung von Risikoausgleichsrücklage und Mehrgefahrenversicherung
Vorgesehen ist außerdem die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage sowie die Schaffung weiterer finanzieller Anreize zur Wettbewerbsfähigkeit. Zudem nimmt sich schwar-rot vor, eine Förderung der Mehrgefahrenversicherung aus Mitteln der GAK zu prüfen.
Uneinigkeit bei Crispr/Cas
Im Hinblick auf die Neuen Züchtungstechnologien konnten sich die Verhandler anscheinend nicht einig werden. Während Sozialdemokraten auf Vorsorgeprinzip und Haftungsregeln für derart entstandene Produkte festhalten, will die Union die Chancen solcher Neuen Züchtungsmethoden erschließen. Der Punkt dürfte nun in anderen Formaten weiterverhandelt werden.
Kooperative Modelle beim Artenschutz und Moorvernässung
Praxistaugliche Maßnahmen der neuen Nationalen Biodiversitätsstrategie sowie die europäische Wiederherstellungsverordnung sollen gemeinsam mit Landbewirtschaftern und Besitzern umgesetzt werden. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) sowie die darin enthaltene Moorschutzstrategie sollen verstetigt werden. Die mögliche nächste Bundesregierung will dabei aber auf Freiwilligkeit, Anreize und Honorierung von Ökosystemleistungen setzen. Angepeilt werden kooperative Modelle für Landwirtschaft, Kommunen und Naturschutz.
Mindestlohn noch nicht geeint
Die von vielen Verbänden geforderte Ausnahmeregelung von den geplanten 15 €/h Mindestlohn ist in dem Papier nicht enthalten. Die Aussage „Wir fordern einen Netto-Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte" steht in dem Papier in eckigen Klammern, was bedeutet, dass sie noch nicht geeint ist. Betriebe mit Sonderkulturen dürfte das nicht trösten.
Wald nachhaltig nutzen
Der Wald soll unter einer schwarz-roten Regierung nachhaltig bewirtschaftet und "multifunktionell" genutzt werden. Die Förderung für den Wald über Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) soll fortgeführt werden. Die Unterstützung der Waldbesitzer bei der Erbringung von Ökosystemleistungen will man verbessern. Die finanzielle Ausstattung der GAK selbst wollen die künftigen Koalitionäre "deutlich erhöhen". Laut Finanzplan sind dafür zusätzliche 500 Mio. € pro Jahr vorgesehen.
Was kosten die Pläne?
Die Verhandler räumen ein, dass zahlreiche Vorhaben der Zustimmung der Länder bedürfen. Das gilt beispielsweise für das Düngegesetz, die TA Luft oder das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Klar ist auch, dass die Maßnahmen im gesamten Bereich „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“ neues Geld kosten werden. Veranschlagt werden für die nächsten vier Jahre knapp 15 Mrd. €, wobei für die Tierhaltung ein Mehrbedarf von 1,5 Mrd. €/ Jahr gesehen wird.