Dieser Kommentar ist zuerst erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
„Die neue Regierung ist verdammt auf ein ,Weiter so‘. Beim nächsten Mal wähle ich nicht mehr CDU“, wetterte kürzlich ein Landwirt. Er ist enttäuscht von den Ergebnissen der Sondierung und den bisherigen Koalitionsgesprächen zwischen CDU/CSU und SPD. Damit ist er nicht allein. Die Milliarden-Schulden reizen. 73 % der Deutschen werfen der Union im ZDF-Politikbarometer Wählertäuschung vor, mit 44 % sogar fast jeder zweite Unionsanhänger. Ist der von Kanzlerkandidat Friedrich Merz versprochene Politikwechsel damit schon gescheitert?
Nein, ist er (noch) nicht. Klar: Mit dem markigen Wahlkampf hat Merz seine Fallhöhe hochgesetzt. Er hat mehr Schulden ausgeschlossen, macht sie jetzt aber in noch nie dagewesener Höhe. Das irritiert. Und dass er dafür die Grünen umgarnt hat, die CSU-Chef Markus Söder oft unter der Gürtellinie attackiert, verwundert. Allerdings: Zwischen Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen ist außenpolitisch viel passiert. Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr für Europa, nähern sich Russland an und provozieren Handelskonflikte. Russland führt den Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter, hat kein Interesse an Frieden und schielt auf andere Länder.
Unterm Strich muss Europa mehr für Verteidigung sowie innere Sicherheit tun.
Unterm Strich muss Europa mehr für Verteidigung sowie innere Sicherheit tun – und setzt auf ein starkes Deutschland. In dieser angespannten Situation haben die vermutlich künftigen Regierungsparteien Union und SPD mit der künftigen Oppositionspartei Grünen einen Kompromiss gefunden – im alten Bundestag. Das ist ungewöhnlich, aber ein richtungsweisendes Zeichen. Denn diese Kompromissfähigkeit fehlte der Ampelregierung. Das hat die politischen Ränder links und rechts bestärkt. Offenbar haben die Parteien der demokratischen Mitte verstanden, um was es geht.
Das stimmt zuversichtlich für die laufenden Koalitionsverhandlungen. Zu Redaktionsschluss am Montagvormittag, den 24.03.2025, zeichnete sich ab, dass die „GroKo“ am Ende klappt. Nicht aus tiefer Überzeugung, aber aus Verantwortung für Deutschland. Zu einem Kompromiss gehört, dass beide Seiten etwas bekommen und geben. Die „Lockerung der Schuldenbremse“ sowie „15 € Mindestlohn“ tragen die Handschrift der SPD. Die Union will bei Migration und Finanzen/Steuern Pflöcke setzen. Hier knirscht es. Ein Stück weit gehört das zum Polittheater, aber die SPD sollte nicht überdrehen – und die Koalition platzen lassen.
Das dürfte bei der Arbeitsgruppe „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“ nicht passieren. Inhalte sind wenig nach außen gedrungen. Bekannt ist, dass Union und SPD Themen wie künftige Tierhaltung und einfachere Agrarpolitik ähnlich sehen, bei Wolf und Wald aber auseinanderliegen, womöglich auch bei Agrardiesel. Die Hürden scheinen aber überwindbar. Zumal: Von den 500 Mrd. € Sondervermögen könnte die „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur“ profitieren und gewinnt der „Klima- und Transformationsfonds“. Beides könnte neue Türen für Land- sowie Forstwirte und den ländlichen Räum öffnen. Geld schafft Spielräume.
Mit den Milliarden-Schulden kann die künftige Bundesregierung maximal kurzfristig Probleme lösen.
Allerdings gilt generell: Mit den Milliarden-Schulden kann die künftige Bundesregierung maximal kurzfristig Probleme lösen. Für eine nachhaltige Verbesserung sind die gebetsmühlenartig vorgetragenen Punkte wie ernsthafter Bürokratieabbau oder Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit nötig. Also ein echter Politikwechsel zur Vergangenheit. Der kann gelingen, wenn die Parteien es wirklich wollen. Dann wählt der eingangs zitierte Landwirt vielleicht doch noch einmal die CDU.