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topplus GAP nach 2027

EVP-Agrarsprecher Dorfmann stellt Direktzahlungen in Frage

Der agrarpolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei stellt die Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Frage. So will er die GAP reformieren.

Lesezeit: 10 Minuten

„Ich persönlich glaube schon, dass man über die Erste Säule [der Gemeinsamen Agrarpolitik, Red.] nachdenken muss.“ Das unterstreicht der agrarpolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP), Herbert Dorfmann, im Interview mit dem Nachrichtendienst Agra Europe.

Der studierte Agrarwissenschaftler ist seit 2009 im Europaparlament und ist der agrarpolitische Sprecher der EVP-Fraktion.

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Belohnung für Extensivierung

Die Entkoppelung von der Erzeugung bei den Beihilfen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) habe zu Situationen geführt, wo vielen Leuten Geld gegeben werde, die weder einen positiven Beitrag zur Landwirtschaft leisteten, noch mit dem Sektor allzu viel am Hut hätten.

Gleichzeitig kritisiert Dorfmann die „vielen Belohnungen für Extensivierungen“, die diesen Akteuren in die Hände spielten. Nach Auffassung des EVP-Politikers ist die Basisprämie für diese Akteure „eine prima Rendite“.

Dorfmann will Direktzahlungen kappen

Nach möglichen Gegenmaßnahmen gefragt, spricht sich Dorfmann für die in seiner Fraktion umstrittene Obergrenze der Direktzahlungen aus. Dem Europaabgeordneten der Südtiroler Volkspartei (SVP) zufolge sollte ein Betrieb in Gunstlage mit 2.000 Hektar dazu in der Lage sein, von der Produktion von Lebensmitteln leben zu können.

„Für den Fall, dass ein solcher Betrieb darüber hinaus noch Direktbeihilfen benötigt, läuft vielleicht dort etwas schief.“ Auch vor dem Hintergrund eines möglichen Beitritts der Ukraine müsse über eine Obergrenze nachgedacht werden.

Skepsis gegenüber Dritter Säule

Auf einen möglichen negativen Einfluss der Agrarbeihilfen auf die Marktorientierung angesprochen erklärt der EVP-Agrarsprecher, dass in der gesamten Wirtschaft Beihilfen wettbewerbsverzerrend seien. Zudem spricht er sich gegen ein Übermaß an Krisenhilfen aus Brüssel aus. Instrumente wie die De-Minimis-Regelung seien oft nicht zukunftsgerichtet.

Auch die von EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski geforderte deutliche Aufstockung der Agrarreserve sieht der EVP-Sprecher skeptisch. Er sei eher dafür, das Geld anteilig den Mitgliedstaaten auszuzahlen. Diese könnten die Mittel über ihre jeweiligen Strategiepläne sehr viel wirkungsvoller verwenden.

Was kommt nach 2027?

Nach einer möglichen Verlängerung der aktuellen GAP über 2027 hinaus gefragt, wird dem Italiener zufolge entscheidend sein, wie schnell sich die Mitgliedstaaten auf den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und damit den EU-Agrarhaushalt werden einigen können. Sollten sie das rechtzeitig schaffen, könnte es laut Dorfmann direkt nach 2027 eine neue GAP geben.

Das Interview in voller Länge:

Herr Dorfmann, nach fünf Jahren wurden Sie von der EVP als Agrarsprecher bestätigt. Nachdem der Vorsitz des Landwirtschaftsausschusses nicht mehr in den Händen Ihrer Fraktion liegt, haben Sie agrarpolitisch im EU-Parlament unter den EVP-Mitgliedern das höchste Amt inne. Es heißt, der nächste EU-Agrarkommissar kommt aus Ihren Reihen. Können Sie uns schon einen Namen nennen?

Dorfmann: Wir haben bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf gepocht, dass der nächste Kommissar aus der EVP kommt. Ich rechne auch damit, dass Sie unserer Bitte folgt. An Spekulationen, wer den Posten dann übernehmen wird, möchte ich mich aber nur ungern beteiligen. Das Gleiche gilt für mögliche Mitgliedstaaten, aus denen die Kandidatin oder der Kandidat kommen könnte. Am wichtigsten ist mir ein klares Curriculum in Sachen Landwirtschaft und Kenntnis der Materie.

Was ist Ihnen in den kommenden Jahren besonders wichtig? Worauf wird es ankommen?

Dorfmann: Natürlich ist die Lage für unsere Fraktion durch den Verlust des Ausschussvorsitzes nicht mehr ganz so komfortabel, wie sie es in den letzten fünf Jahren gewesen ist. Ich habe mit Norbert Lins in den letzten Jahren wirklich gut zusammengearbeitet. Thematisch wird es vor allem um die große Frage des Agrarbudgets und die Reform der GAP gehen. Beide Dinge hängen eng miteinander zusammen. Die Entscheidungen dazu werden in den kommenden fünf Jahren gefällt werden. Dann sind noch Dinge wie Fragen zur Lebensmittelkennzeichnung und der nachhaltigen Lebensmittelsysteme liegen geblieben. Hier hat die Kommission ja immer noch keine Vorschläge präsentiert. Zudem rechne ich damit, dass zum Thema unlautere Handelspraktiken und der Verteidigung der Wertschöpfungskette Gesetzesinitiativen gestartet werden.

Rechnen Sie bei den unlauteren Handelspraktiken zeitnah mit einem Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission?

Dorfmann: Ich rechne nicht damit, dass sehr schnell ein Vorschlag kommt. Jetzt benötigen wir erst einmal einen neuen zuständigen Kommissar oder eine Kommissarin. Das wird ein bisschen Zeit brauchen. Aber ich hoffe natürlich möglichst zeitnah auf einen fertigen Entwurf, mit dem wir starten können. Wir haben bisher gesehen, dass die oft aufgestellte Forderung, dass die Lebensmittel ein bisschen mehr kosten sollten, allein nicht helfen wird. Die Preise sind gestiegen. Zu einer besseren Marktposition der Bauern hat das noch nicht geführt.

Was konkret erwarten Sie bei der GAP?

Dorfmann: Es sollte klar sein, dass EU-Agrargeld nicht immer nur für Extensivierung bereitgestellt werden sollte. Ich darf daran erinnern, dass Millionen von Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche außerhalb der Europäischen Union von uns indirekt über Konsum genutzt werden. Ich glaube, wir können uns diese dauernden Spielereien, dass wir hier und dort ein bisschen stilllegen, nicht mehr leisten. Stattdessen sollten wir nachhaltiger produzieren, aber trotzdem hinreichend. Die Beihilfen müssen noch mehr die nachhaltige landwirtschaftliche Erzeugung fördern, aber nicht belohnen, dass ausgestiegen wird oder Blühstreifen angelegt werden.

Eine Idee der Eco-Schemes war ja genau, die Produktion über finanzielle Anreize aus der Ersten Säule nachhaltiger zu machen. Der Landwirt soll sich überlegen, ob sich eine Regelung für seinen Betrieb lohnt oder nicht. Das wäre dann seine unternehmerische Freiheit. Hat die Theorie bisher funktioniert?

Dorfmann: Ich bin seit mehr als zehn Jahren schon davon überzeugt, dass wenn man diesen Weg der Anreize geht, dann sollte man in erster Linie die Umweltprogramme weiterhin stärken. Vor allem muss dafür gesorgt werden, dass die Mitgliedstaaten diese auch vernünftig umsetzen. Ich glaube, da haben wir in Europa schon sehr erfolgreiche Dinge auf den Weg gebracht. In der Ersten Säule wird es eine grundsätzliche Überlegung brauchen, wie es mit dem Thema weitergeht. Aktuell an den Eco-Schemes kritisieren kann man, dass die finanziellen Anreize für die Landwirte oftmals deutlich zu niedrig sind.

Seit Langem wird über die Sinnhaftigkeit der gekoppelten Flächenprämien - also der Direktzahlungen - diskutiert. Ist es Zeit für einen neuen Ansatz?

Dorfmann: Ich persönlich glaube schon, dass man über die Erste Säule nachdenken muss. Ich habe den Eindruck, dass eine totale Entkoppelung von der Erzeugung auch zu Situationen geführt hat, wo wir im Grunde vielen Leuten Geld geben, die weder einen positiven Beitrag zur Landwirtschaft leisten noch mit dem Sektor allzu viel am Hut haben. Viele Belohnungen für Extensivierungen spielen diesen Leuten in die Hände.

Wen meinen Sie damit?

Dorfmann: Zum Beispiel jene Leute, die mit ihren Unternehmen im großen Stil und vergleichsweise billig Agrarflächen in den östlichen Gebieten der EU gekauft haben. Der Grund war und ist oftmals, dass die Basisprämien eine prima Rendite sind. Dann wird noch eine Biozertifizierung mit entsprechenden Prämien draufgelegt, obwohl de facto nichts oder fast nicht produziert wird. Gleichzeitig läuft die Kommission herum und freut sich, dass die Biofläche gewachsen ist, ohne überhaupt zu schauen, was da passiert ist. Das ist nicht im Interesse der europäischen Landwirtschaft. Es kostet viel Geld und hilft nicht weiter.

Diese Probleme sind seit Langem bekannt. Warum ändert sich kaum etwas?

Dorfmann: Weil es auch unheimlich schwierig ist. Mit dem aktuellen Modell muss man definieren, was ein aktiver Landwirt ist. Leider ist die Gefahr groß, dass wirklich Berechtigte durch das Raster fallen. Ein Ansatz der Kommission war, dass man einen bestimmten Teil des Einkommens aus der Landwirtschaft haben muss, sonst bekommt man nichts. Dann fallen aber viele Nebenerwerbsbetriebe aus der Förderung. Das wäre auch nicht gerecht. Aus meiner Sicht sollten wir versuchen, mit der GAP mehr für die Landwirte zu erreichen. Das Ziel sollte vor allem sein, die innovativen, jungen Landwirte zu stärken. Jene, die wirklich auch Landwirtschaft machen wollen.

Die Landwirtschaft steht bekanntermaßen vor einer enormen Überalterung. Sonderprämien für Junglandwirte haben bisher nicht den gewünschten Effekt erzielt. Was muss getan werden?

Dorfmann: Es stimmt, die Situation ist dramatisch. Wenn es so weiter geht, wird es bald kaum noch Bauern geben. Die Effekte sehen wir jetzt schon. Wenn es keinen Nachfolger mehr gibt, ist die logische Folge, dass das auf wenige Betriebe zusammengeschmolzen wird. Wenn ich mir die heutige Erste Säule anschaue, kann man sich die Frage stellen, für wen das jetzt günstig ist: Für einen jungen Bauern oder Bäuerin, gut ausgebildet, mit guten Ideen und innovativem Geist, oder für jemanden der oder die Fläche hat und unter Umständen für keine oder kaum landwirtschaftliche Tätigkeit Geld bekommt? Leider profitiert vor allem letzterer. Wir müssen ein Modell entwickeln, wo man den innovativen jungen Leuten das Gefühl gibt, dass wir an ihrer Seite stehen. Da muss man wahrscheinlich von diesem reinen Flächendenken wegkommen. Ich habe noch keine vollständige Antwort auf das wie. Aber ich denke, dass das das Ziel sein muss.

Bisher haben Sie sich persönlich für die Kappung ausgesprochen. In Ihrer Fraktion ist dieses Instrument hoch umstritten.

Dorfmann: Es ist mir völlig bewusst, dass das nicht ganz einfach umzusetzen sein wird. Es gäbe dann die Gefahr von Betriebsteilungen und so weiter. Aber an und für sich, glaube ich, ergäbe eine Kappung schon Sinn. Wenn man ein bisschen rechnet, wird die nächste Reform bis Mitte des nächsten Jahrzehnts andauern. Wenn man ein bisschen vorausdenkt, wird das wahrscheinlich schon der Zeitrahmen sein, in dem auch ein Beitritt der Ukraine passieren könnte. Wie soll das ohne Novelle oder Kappung funktionieren? Das ist vollkommen unmöglich. Ich kann nicht jemandem mit 20.000 Hektar aus europäischem Steuergeld die Hektarprämien geben. Das würde kein Mensch verstehen. Deswegen, denke ich, sollten wir zumindest die Möglichkeit eines Beitritts der Ukraine in zehn oder zwölf Jahren bei der anstehenden Reform der GAP miteinpreisen. 

Würden Sie sich da jetzt auch auf konkrete Zahlen einlassen?

Dorfmann: Wenn jemand einen Betrieb in Gunstlage und 2.000 Hektar Fläche hat, dann sollte er eigentlich dazu in der Lage sein, von der Produktion von Lebensmitteln leben zu können. Für den Fall, dass ein solcher Betrieb darüber hinaus noch Direktbeihilfen benötigt, läuft vielleicht dort etwas schief. 

Wurde das unternehmerische Denken der Bauern durch die GAP negativ beeinflusst? Es gibt Experten, die sagen, dass beispielsweise Landwirte in Ländern ohne Beihilfen oftmals sehr viel mehr auf Marktorientierung setzen und weniger auf Förderprogramme.

Dorfmann: Wir haben Sektoren in der Landwirtschaft, die nicht subventionsfrei existieren können. Andere funktionieren zumindest nicht mit einer klassischen Hektarhilfe. Der Weinbau wäre ein Beispiel. Jede Beihilfe, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der restlichen Wirtschaft, ist natürlich irgendwo wettbewerbsverzerrend. Wir haben die ganze Debatte über die De-Minimis-Regelung, wo die Mitgliedsstaaten sagen, dass sie viel höhere Spielräume bräuchten. Das ist oft nicht zukunftsgerichtet und regt mich schon etwas auf. 

Der noch amtierende Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat auf eine deutliche Aufstockung der aktuellen Agrarreserve um rund 500% gedrängt. Er fordert hierzu eine Dritte Säule. Wie stehen Sie dazu?

Dorfmann: Wenn ich mir ein bisschen anschaue, was in den letzten Jahren passiert ist, dann ist die Agrarreserve einfach in die Hände der Mitgliedsstatten ausgeteilt worden. Da hat man oftmals einfach Krisen erfunden. Das sage ich jetzt mal ganz offen. Jeder Staat hat einfach sein Geld bekommen und dann ist das keine Krisenreserve. Zunächst sollten die Kriterien klarer umrissen werden. Überdies wäre ich eher dafür, das Geld dann anteilig den Mitgliedstaaten auszuzahlen. Dann könnten diese über ihre jeweiligen Strategiepläne die Gelder sehr viel wirkungsvoller verwenden.

Die aktuelle GAP-Reform ist erst seit gut eineinhalb Jahren in Kraft. Wären Sie für eine Verlängerung der aktuellen Regeln nach 2027 um beispielweise zwei Jahre?

Dorfmann: Ob das nötig sein wird, hängt maßgeblich davon ab, wie schnell sich die Mitgliedstaaten auf den Mehrjährigen Finanzrahmen nach 2027 werden einigen können. Sollten sie das rechtzeitig vorher schaffen, spricht aus meiner Sicht auch nicht gegen eine neue GAP.

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