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Urteil zur Grundsteuer: Können Landwirte jetzt ihre Bescheide ändern lassen?

Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil zur Grundsteuer die Rechte der Grundstücks- und Immobilienbesitzer gestärkt. Was das konkret bedeutet, haben wir Steuerberater Ralf Stephany aus Bonn gefragt.

Lesezeit: 5 Minuten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich einen Beschluss zur neuen Grundsteuer gefasst, der Landwirte aufhorchen ließ. Danach haben Grundstückseigentümer ein Recht auf eine Korrektur ihres Grundsteuerfeststellungsbescheides, wenn der Wert der Immobilie oder des Grundstückes zu hoch eingestuft wurde. Worum ging es in dem Fall?

Stephany:  Es ging um zwei Beschwerden von Immobilieneigentümern aus Rheinland-Pfalz. Sie hatten sich mit dem Finanzamt über den Wertansatz für ihre Immobilien gestritten. In dem einen Fall ging es um ein 150 Jahre altes Einfamilienhaus, welches unrenoviert und einfachste Ausstattung aufwies. Streitig war hier der pauschale Mietansatz, den das Gesetz vorsieht. In dem anderen Verfahren hatte das Finanzamt für das Einfamilienhaus des Klägers einen Bodenrichtwert von 300 €/m2 angesetzt, der Kläger machte aber einen wesentlich niedrigeren Bodenrichtwert aufgrund der schlechten Lage und der Erschließung des Grundstücks geltend. Beide Grundeigentümer haben dann vor dem Finanzgericht geklagt und zusätzlich die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat dem Antrag stattgegeben, dagegen ist das Finanzamt vorgegangen und hat vor dem Bundesfinanzhof verloren.

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Was hat der Bundesfinanzhof genau entschieden?

Stephany: Der Bundesfinanzhof musste nur über die Frage entscheiden, ob den beiden Steuerpflichtigen im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die beantragte Aussetzung des Verfahrens gewährt wird oder nicht. Hier haben die Richter den Klägern Recht gegeben, weil zumindest die Möglichkeit besteht, dass die pauschalen Wertansätze des Finanzamtes zu einer Übermaßbesteuerung führen könnten. Nach Auffassung des Gerichtes darf der vom Finanzamt festgesetzte pauschalierte Wert im Bundesmodell nicht höher sein als 40 % des tatsächlichen Verkehrswertes. Dieser tatsächliche Verkehrswert kann, so der Bundesfinanzhof, unter anderem durch ein Gutachten, aber auch durch weitere geeignete Unterlagen nachgewiesen werden.

Kann jetzt jeder, der sich ungerecht behandelt fühlt, ein Gegengutachten einreichen?

Stephany:  Nein, das hat der Bundesfinanzhof gerade nicht entschieden. Nur in den Fällen, in denen eine Verletzung des Übermaßverbotes möglich ist, kann zur Klärung des Sachverhalts ein Sachverständigengutachten beitragen. Die Werte der Gutachterausschüsse sind dann nicht verbindlich. Dies ist auch nur dann möglich, wenn es sich um ein laufendes Verfahren handelt und man Einspruch eingelegt hat. Wenn sich im Rahmen dieses Einspruchs herausstellt, dass der vom Finanzamt angesetzte Wert zu einer Übermaßbesteuerung führen könnte, kann das Gericht prüfen, ob ein Gutachten erforderlich ist. Die beiden Beschlüsse des Bundesfinanzhofes bedeuten jedoch ausdrücklich nicht, dass die Finanzverwaltung nunmehr Gutachten der Steuerpflichtigen immer berücksichtigen muss.

Wann liegt nach Auffassung des Bundesfinanzhof ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor?

Stephany: Bereits in verschiedenen Urteilen hat der Bundesfinanzhof dafür einen Maßstab von 40 % gezogen. Dies bedeutet, dass der vom Finanzamt festgesetzte Wert nicht um 40 % oder das 1,4-fache höher sein darf als der tatsächliche Wert, also der Verkehrswert. In all diesen Fällen öffnet der Bundesfinanzhof daher ein wenig die Tür und Steuerpflichtige können durch geeignete Unterlagen, in erster Linie natürlich Gutachten, einen entsprechenden Wertnachweis führen.

Wer trägt die Kosten für ein solches Gutachten?

Stephany: Die Beweislast für einen niedrigeren Wert trägt immer der Steuerpflichtige. Wenn man ein solches Gutachten bereits im Einspruchsverfahren beantragt, trägt somit der Steuerpflichtige selber die Kosten. Nur dann, wenn das Finanzgericht einen entsprechenden Gutachtenauftrag erteilt, sind die Kosten Bestandteil der Gerichtskosten und werden nach der Quote des Gewinnens oder des Verlierens anschließend den Beteiligten auferlegt.

Macht es Sinn, jetzt mit Gutachten im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellungen zu arbeiten?

Stephany: Nein, wie bereits ausgeführt, macht es keinen Sinn, Pauschalgutachten im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellungen erstellen zu lassen. In allen Bundesländern wird mit Pauschalen und typisierten Wertansätzen gearbeitet, um so das Masseverfahren für die Grundsteuer zu bewältigen. Aufgrund dieses Masseverfahrens hat der Gesetzgeber bewusst Gutachten nicht vorgesehen, weil er sich dann um jeden Einzelfall hätte kümmern müssen. Baden-Württemberg hat in seinem Landesgrundsteuergesetz vorgesehen, dass man bei einem Abweichen des Wertes von 30 % einen niedrigeren Wert durch ein qualifiziertes Gutachten nachweisen kann. In NRW hat der Gesetzgeber schnell reagiert und am 3.7.2024 in einem neuen NRW-Grundsteuerhebesatzgesetz eine Nachweismöglichkeit durch Gutachten aufgenommen, wenn ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorliegt. Die Kosten für ein solches Gutachten hat aber immer der Steuerpflichtige zu tragen. Aus anderen Bundesländern oder vom Bundesgesetzgeber ist mir dagegen noch nichts bekannt geworden.

Wer keinen Einspruch eingelegt hat, kann gar nicht gegen seinen Bescheid vorgehen?

Stephany: Tatsächliche Fehler können auch nachträglich korrigiert werden, wenn der Fehler zu einer Abweichung der Grundsteuerwertfeststellung von mehr als 15.000 € führt. Die Änderung tritt erst mit Beginn des Kalenderjahres in Kraft, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird oder Sie diesen dem Finanzamt mitteilen.

Hat der BFH sich auch zur Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer geäußert?

Stephany: Nein, zur Verfassungsmäßigkeit hat der BFH sich nicht geäußert.

Gilt das Urteil nur für das Bundesmodell?

Stephany: Ja, der Bundesfinanzhof hat zunächst nur über das Bundesmodell gesprochen. Für die Bundesländer mit eigenen Grundsteuermodellen, also Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Hamburg, gilt die Entscheidung des BFH daher grundsätzlich nicht. Doch auch in diesen Bundesländern ist natürlich das Übermaßverbot des BFH zu berücksichtigen.

Herr Stephany, herzlichen Dank für das Gespräch!

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